Tagebuch

Die Nachlese findet ihr hier >>>

22.04.2020: Geschafft!

Herzlich Willkommen

Alles findet ein Ende – sogar eine Weltreise im Zeichen von Corona. Heute früh um 00:27 Uhr haben wir den Schlüssel in unsere Haustüre in Ramsen gesteckt und damit ist unsere Kreuzfahrt auch offiziell beendet. Vorher aber gibt es noch zu berichten.

Man sieht es in meinem gestrigen Blog, der ja ziemlich ungewöhnlich (mit Links) und ohne grosse Worte auskam, dass wir ziemlich beschäftigt waren mit dem ausschiffen und heimkehren. Zwar begann der Tag noch wie üblich. Man traf sich zum Frühstück um zu plaudern. Das war es dann aber auch schon mit „üblich“. Erst hiess es mal das muntere Treiben am Pier zu beobachten. Es hätte ja sein können, dass seit gestern gewisse Fortschritte zu verzeichnen sind. Die Hoffnung aber hat sich rasch zerschlagen. Zwischen Steg und Abfahrt verschlang die Prozedur nach wie vor zwei Stunden. Tür auf – 50 Meter durchs Niemandsland – Türe rein – Black-Box – 50 Meter Niemandsland – Türe rein – raus – warten – Türe auf – Bus – Türe zu – warten und irgendwann, wenn es den Damen und Herren der Police National dann gefiel – Abfahrt Richtung Stadt. Alles irgendwie zäh. Da wir auch gespannt waren, wie denn da draussen der Umgang mit dem Social Distancing, den Handschuhen und Masken – die wir ja tragen sollten – ist, guckten wir sehr genau hin – man möchte ja nichts falsch machen. Leider wussten wir danach nicht mehr so genau, wer den hier eigentlich wen vor wem und vor was schützt. Die einen trugen Ganzkörperschutzanzüge, fünf Meter daneben aber nur einfache Schutzmasken (in jeder denkbaren Tragart), andere Handschuhe, viele gar nichts (interessanterweise meistens die „Chefs“). Gruppen dicht an dicht (wahrscheinlich wird der Urmeter in Paris gerade neu vermessen) – Social Distancing habe ich mir anders vorgestellt. Auf französisch gesagt: Très légere. Um 13:15 waren dann wir an der Reihe. Fiebermessen, Listen abgleichen, Nummern fassen, auschecken – und jetzt war es auch plötzlich klar, was so lange dauert – „Listen“! Auf 100 Meter wurden wir sageundschreibe 10 mal überprüft. D.h. nicht wir, sondern unsere Namen, bzw. Nummern (die wir noch im Schiff verpasst bekamen) und unserer Farbe (die gleiche wie der Zettel am Koffer – der schon in der Nacht zuvor abgholt wurde) wurden mit zahlreichen Listen abgeglichen. Da ja die Franzosen bekanntlich ein bizzeli anders pronuncieren, dauerte auch die Namensfindung entsprechend lang. Nom – numero de cabine, numero de bus – blätter, blätter – encore une foi – ahhhhhhm…5 Metrer weiter, nächster Tisch – Dinner for one – the same procedure as every table. Die französische Staatsmacht hat eindrücklich bewiesen, dass sie es genau nimmt! Chapeau! Nach genau 2 Stunden sassen wir dann im Bus und warteten auf die Police National, die den Bus aus dem Hafen eskotierte. Endlich waren wir auf der (praktische leeren) Autobahn. Die Stadt, leer – wie ausgestorben – etwas unheimlich. Von da an ging es aber flott. Da der Bus nicht mal zur Hälfte gefüllt war hatte jede/r einen Fensterplatz und die Beine genug Platz zum strecken. Der Schweizer Zoll entpuppte sich dann als effektiv und professionell. Es dauerte kaum 5 Minuten und wir waren auf der A1 Richtung Zürich – Ankunft 23:20.

Dank unseren Freunden stand unser Auto schon am Sihlquai und wir konnten die letzten Kilometer durch die Nacht auf leeren Strassen richtig geniessen. Die grösste Überraschung aber machten uns unsere lieben Nachbarn. Ein riesiges Plakat und Schweizerfahne klebten am Hauseingang. Im Haus überall Willkommensgrüsse, Schockoherzen und kleine Geschenke. So kommt man gern nach Hause, zu Familie und Freunden! Vielen Dank an ALLE.

Wie geht es nun weiter?

Ich baue in den nächsten Tagen meine Webseite um, in einen Blog über Gedanken zur Zeit (Rund um die Welt, als Metapher für die zahlreichen Themen und Geschichten, welche die Welt bewegen – im Sinne einer virtuellen Welreise). Den Reiseblog überarbeite ich (Fehlerkorrekturen, Formatierung) und „versorge“ ihn in einem Archiv. (mit einem eigenen Menueintrag). Aus dem Reisetagebuch werde ich als erstes die interessantesten Beiträge in einem Printout (also in gedruckter Form) zur Verfügung stellen. Danach geht es ans eigentliche Buch, welches ich geplant habe. Es gibt viel zu tun – packen wir es an.

21.04.2020: Warten…

Disembarking

Wir warten – auf die Ausschiffungsprozedur. Bürokraten feie sich gerade selber. Um 13:15 soll es losgehen. Wir werden sehen…

Zum Zeitvertreib ein paar Links zum Thema:

BBC: Über uns und all die Fake-News. Sehr gut recherchierter Artikel (Englisch)
https://www.bbc.com/news/world-52350262

Morgenpost: Bericht vom Bord ..etwas Gejammer.
https://amp.mopo.de/im-norden/das-kreuzfahrt-desaster-der-gnadenlose-absturz-einer-boom-branche-36561096

Reisetagebuch eines weiteren Bloggers an Bord:
https://www.gloedesweltreise.de/unser-reise-tagebuch/

Operation Libero: Zu Covid-19, weil es aktuell ist
https://beta.operation-libero.ch/de

20.04.2020: Laaaand in Sicht

Land nach 15500 km


Nach 15‘516 km Wasser am Horizont (Perth – Marseille), fern von Land und Covid-19 und 60‘907 km von Genua nach Marseille – mit Umweg über Perth – geht unsere Reise rund um die Welt, morgen Früh um 11:00 Uhr zu Ende. Mit wackligen Beinen betreten wir nach 6 langen Wochen wieder festen Boden. Fest ja, aber unsicher – ab jetzt sitzt uns Corona im Nacken.
So beeindruckend wie die zurückgelegten Kilometer auf See, so auch unsere Kilometer und Schritte auf Deck 7. Meine App vermeldet:
1‘272‘000 Schritte , bzw. 910 Kilometer. Wir wären also für unsere geplante Sommerwanderung im Goms gerüstet – falls sie denn stattfindet.

In stoischer Ruhe und dem Leitspruch:
„Herr gib mir die Geduld, Dinge zu ertragen, die ich nicht ändern kann“ treten wir vermummt und behandschuht unsere Rückreise an. Wie es uns dabei erging, lest ihr demnächst in diesem Theater!

Die Nachlese ist in Arbeit.

19.04.2020: Anfang und Ende einer Reise

Tatsächlich gefahrene Rout

Es ist Zeit Bilanz zu ziehen. Morgen früh um sechs erreichen wir unseren Zielhafen – Marseille – zum Ausschiffen. Wegen der behördlich verordneten Seuchenschutzprozeduren, für uns einen Tag später – am 21. April. Damit findet eine „legendäre“ Reise ein Ende und wir werden auf schnellstem Weg heimspediert. Was noch vor zwei Monaten keine Zeile wert war – eine Busfahrt von Marseille nach Zürich – ist heute ein Staatsakt mit Formularen und Bewilligungen, unter dem Auge des Gesetzes. Ein untrügliches Zeichen für einen Paradigmenwechsel. Wo vorher Vertrauen das Leben bestimmte, ist es jetzt das Misstrauen. Wir hoffen, bis Zürich haben wir begriffen, was das für uns heisst.

Doch zurück zur Bilanz.

Wir spüren , dass uns diese Reise noch lange „begleiten“ wird. Nicht so sehr in den „Knochen“ dafür um so mehr im „Kopf“. Sie wird für uns zur Wegmarke. Es. gibt ein davor und ab Dienstag ein danach. Das während kann man in diesem Blog nachlesen.

Apropo Blog.

Wie geht es weiter? Viele Freunde und Leser – bald 700 sagt meine Webstatistik – ermuntern mich aus diesem „etwas“ zu machen, ihn weiterzuführen, ein Buch zu schreiben, bis hin, die Reise zu verfilmen. Stoff gäbe es in der Tat genug.
Drei Dinge kann ich hier schon heute versprechen:


1.) Der Blog geht nahtlos weiter!
2.) Ein Buch ist bereits in Planung und in Gedanken schon fertig.
3.) Ein Filmprojekt bespreche ich nach unserer Rückkehr mit meinem Sohn (er ist Filmmaker und Drehbuchautor)

Den Blog baue ich um zu einer „Reise um die Welt“ – eine Wochenschau ( Ältere unter euch mögen sich vielleicht noch daran erinnern), worin ich das Weltgeschehen reflektiere und zur Diskussion stelle. (Der Reisebericht bleibt zur Einsicht im Archiv).

Das Buch braucht Zeit. Herbst 2021 scheint mir aber realistisch. Ich werde über die Fortschritte im Blog berichten.

Alles weitere bringt die Zukunft. Auf diese sind wir ohnehin alle gespannt.

Danke für eure Treue – wir lesen uns!

18.04.2020: Parallelwelten

Ich weiss, es ist anmassend, aber ich muss heute einem grossen griechischen Philosophen widersprechen – Platon. Der meinte nämlich vor 2500 Jahren, vermutlich in seinem, von Sklaven liebevoll gepflegten Garten und mit Blick auf die Attische See, es gäbe nur eine Welt und die wäre die Beste.Eine Andere konnte er sich nicht vorstellen. Damit widersprach er u. a. Petron von Himera, der fest von Parallelwelten überzeugt war. Und bis dato ist diese Diskussion offen. Selbst die Quantenphysiker streiten um diese Frage. Von der Psychologie ganz zu schweigen. Jeder weiss was Schizophrenie bedeutet – Wahnvorstellungen. Bis gestern.

Zwei Ereignisse haben diese quälende Frage ein für alle Mal entschieden. Der kurz vorgestellte Videoclip über „unsere“ Kreuzfahrt und die Informationsveranstaltung über unsere Rückreise. Machen wir es kurz und schmerzlos: Parallelwelten existieren und zwar nicht zu knapp! Sorry Platon. Wir haben nicht schlecht gestaunt, als uns das Video vorgeführt wurde. Waren wir auch auf diesem Schiff? War das auf einer anderen Reise, in einer anderen Zeit? Aber nein, die Matrix öffnete sich und wir erkannten Gesichter. Menschen, mit denen wir im Theater sassen. Nur der Klamauk, die Torten in den Gesichtern auf der Leinwand und die Konfetti passten nicht in unsere Erinnerungen. Endgültig von den Parallelwelten überzeugt hat uns dann aber besagte Informationsveranstaltung der Kreuzfahrtdirektion. Was uns da am Dienstag nach der Ausschiffung erwartet, hat definitiv nichts mehr mit der Welt zu tun, die wir kennen oder zu kennen glaubten. Der Befund ist eindeutig. Die Matrix hat sich einen spaltbreit geöffnet und wir sind mit dem laufenden Irrsinn eines Paralleluniversums konfrontiert. Bürokratischer Nonsens inklusive.

Wir wissen natürlich schon lange, dass wir da draussen auf eine andere Welt treffen, als die, die wir am 5. Januar in Genua verlassen haben. Wir wissen auch welcher Ruf den Kreuzfahrern vorauseilt. Die von mir gescholtene Presse hat ja kräftig mitgeholfen, die Hysterie zu befeuern. Danke nochmals an dieser Stelle *ironieoff. Wir hoffen es fliegen keine mit der sich nähernden Realität konfrontiert, erschrickt man aber doch und fragt sich: In welcher Welt leben wir eigentlich?
Kurzfassung des behördlichen Amoklaufs (stichwortartig, unzusammenhängend):
Crewmitglieder aus diversen Länder werden an Board auf Deck 3 und 4 (Katakomben) in „Isolationshaft“ gehalten – Oberdecks betreten verboten. Handschuh- und Mundschutzpflicht für den Bus. Busse dürfen die Grenzen (voraussichtlich) nicht passieren. Formularkrieg im Vorfeld, Transitdokumente, Ticketnachweis. Keine Stops. Zum Trost – jeder hat einen Fensterplatz, die Busse werden nicht mal zu Hälfte gefüllt.
Wir machen uns jetzt mal ans packen

17.04.2020: Königin der Nacht

Francesca Lanza in Königin der Nacht

Da freut man sich, bald zu Hause zu sein und dann das – man wird von heulenden Winden und Siebenmeterwellen empfangen. Da hilft nur noch die Horizontale und Reisetabletten.
Trotz Schwindel und flauem Magen wollten wir aber das Schlusskonzert mit den „Best Of“ unseres Kammerorchesters „Musica in Maschera“ nicht verpassen. Also sich zusammenraffen und sich in die hintersten Ränge setzen – der Magen hat ja kein Gefühl für Operngesang.
Ja, Opern, Arien, Tenor – ihr habt euch nicht verhört. Aus einem absoluten Opernmuffel hat das Meer einen begeisterten Freund der Klassik und des Gesangs geformt. Und wir waren so von „Der Königin der Nacht“, „Figaro“, „Freude schöner Götterfunken, Mozart und Ross begeistert, dass wir gleich beide Vorstellungen besuchten. Und wir waren nicht die Einzigen. Das Publikum applaudierte Minutenlang mit Bravorufen und einer Standig Ovation. Und was für ein Wunder – meinem Magen muss das Konzert auch gefallen haben. Die Übelkeit war weg.

Heute früh, das Schiff hat eben Südküste Kretas passiert, dann Ruhe. Der Sturm hat sich gelegt und wir „segeln“ in ruhigem Gewässer Richtung Malta und Sizilien. Einzig eine SMS-Nachricht der griechischen Telecom erinnert uns an die Welt da draussen: URGENT PUBLIC HEALTH ALERT: DUE TO COVID-19 ALL TRAVELERS ARRIVING TO GREECE MUST SELF-ISOLATE FOR 14 DAYS. DO NOT PUT YOURSELF AND OTHERS AT RISK.
Nein – wir planen keinen Landgang und sind schon isoliert. Um halb vier gibt es noch einen Corona-Crashkurs und Infos über den Rücktransfer, im Theater. Gerüchte wer, wie, wann und ob Quarantäne und welchen Bus, mit welcher Sitzordnung usw. schwirren schon seit Tagen durchs Schiff. Angeblich hätte MSC alle Busse in Marseille und Umgebung disponiert. Einer davon ist dann wohl für uns.

16.04.2020: Notfall im Mittelmeer

Das Rettungsteam der Israelischen Armee

Und weil wir schon im Krisenmodus fahren, darf natürlich auch die Armee nicht fehlen. Dazu aber später mehr.
Den Suezkanal durchpflügte die Magnifica in der verdächtigen Rekordzeit, von unter neun Stunden. Rechts Asien (Sinai) – Sand, links Afrika – das belebte Ägypten mit endlosen Wohnsiedlungen und üppig gedeihender Landwirtschaft, bewässert vom Nil. Eine geschichtsträchtige Kulturlandschaft. Die Pyramiden nur ein Steinwurf entfernt – doch nur erahnt und unerreichbar. Bald tauchen die Hafenkräne von Port Said aus dem Dunst und der Kanal öffnet sich zum Mittelmeer. Jetzt liegen nur noch vier Tage Wasser vor uns. Europa ist zum greifen nah. Aber – warum schleicht das Schiff, weshalb steht die Sonne am Heck – wir müssten doch stramm Kurs West halten? Ein Blick auf maps.me bestätigt den Befund – das Schiff wendet sich nach rechts, auf die Küste Israels zu – fast unvermittelt mit Vollspeed, 21 Knoten. Ein Gong schreckt auf, die Stimme des Kapitäns: Ein medizinischer Notfall

erzwingt eine Kursänderung. Wir fahren Richtung Haifa, da mit dem ägyptischen Behörden keine Lösung gefunden werden konnte. Um die angespannten Gemüter zu beruhigen – der Notfall hat nichts mit Corona zu tun! Musste das jetzt auch noch sein? Offenbar halten sich Notfälle nicht an Pläne – also Kurs Ost.
Mitten im Abendessen – draussen ist es schon stockfinster – Helikopterlärm. Blinklichter. Deck 14 wird gesperrt. Durch das Panoramafenster zeichnen sich Schatten auf dem Oberdeck ab, die rasch grösser werden. Passagiere drücken sich die Nasen an den Fenstern platt – Gaffer, würde man sagen. An einer Leine hängen zwei Soldaten der Israelischen Armee, in voller Kampfmontur. Fünf Minuten später folgt ein Dritter, mit Rettungs-Equipment. Der Helikopter entfernt sich vom Schiff. Die Evakuierung des Notfallpatienten erfolgt rasch, routiniert und professionell. Bereits eine halbe Stunde später verschwindet das Positionslicht des Militärhelikoters am Horizont. Wir wünschen gute Besserung!

430 Kilometer weiter westlich. Ein morsches Fischerboot wird vom steifen Nordwestwind durchgeschüttelt. Die Nussschale liegt schwer im Wasser. Ausser dem Pfeifen des Windes ist es ruhig. Der Motor hat den Geist schon vor Stunden aufgegeben – der Tank ist leer. Ein Knacken im Lautsprecher des alten Funkgeräts im Ruderhaus. In gebrochenem Englisch wiederholt ein junger Kerl immer wieder die gleichen Worte: Mayday – mayday, we need help. 140 people in board – womens, childrens, many sick…Mayday – is there sombody?
Der Lautsprecher bleibt stumm. Am Horizont sind die Lichter eines Kreuzfahrtschiffes zu sehen. Sie entschwinden langsam in der Dunkelheit. Ein Kind weint leise…

15.04.2020: Alibaba und Yussuf in Suez

Alibaba liefert

Vor uns liegen 193 Kilometer durch die Wüste Sinai. Sand wohin das Auge reicht. Schön ist anders. Aber dafür wurde der Kanal vor 151 Jahren auch nicht gebaut – von den Franzosen übrigens.
Wie eine Perlenschnur reihte sich heute früh um sechs, Schiff für Schiff im Golf von Suez auf. Wir in der Polposition. Direkt hinter uns, im Abstand von einem Kilometer ein MSC Containergigant, dahinter noch einer, dazwischen Öltanker und so weiter. Es müssen gegen 20 Schiffe sein. Alibaba, Zalando und Adidas füllen ganze Wasserstrassen. Im schmalen Kanal bekommt der Online-Handel ein Gesicht. Bits und Bytes materialisieren sich und türmen sich haushoch auf Megakähnen. MSC gehört offensichtlich zu den Profiteuren der Globalisierung. Zumindest am heutigen Tag dominiert sie hier die Szene.
Ganz anders Yussuf. Yussuf ist stolzer Besitzer eines morschen Wasauchimmer, das schwimmt. Über Seefunk und verschlungene Pfade erfuhr Yussuf von der Ankunft, des wohl letzten Kreuzfahrtdampfers für sehr lange Zeit. Yussuf einem guten Handel nie abgeneigt ruft Cousin Hassan, Sohn Ali und Muhammad den Nachbarn. Zusammen geht es raus in die Bucht. Im Windschatten des Lotsen drängen sie sich an die Backbordseite der Magnifica. Es wird gestikuliert und gerufen. Ein Marokkaner aus dem Parfumerieshop ruft zurück. Offenbar geht es um einen Handel oder jemand will an Bord. Was im Bauch des Klapperkahns auch immer auf Abnehmer wartet, es wartet vergebens. Auftritt der schiffseigenen Security, Lautsprecherdurchsagen in Arabisch. Ein Matrose schraubt einen Feuerwehrschlauch an den Hydranten auf Deck 7. Yussuf ist unbeeindruckt. Er sitzt in sich ruhend, auf einem Plastikstuhl Made in China an Deck seiner maroden Barke und dirigiert seine Mannschaft. Und dann heisst es „Wasser marsch“! Nix Big Business heute. Die Kapitulation ist total. Durchnässt wird der Enterversuch abgebrochen. Yussuf und seine Crew verschwinden hinter dem nächsten Tanker. Am Horizont zeichnen sich die Umrisse des nächsten Containerriesen ab. Der Handel blüht. Aber nicht für Yussuf. Yussuf ist nass.

14.04.2020: Standing Ovation

Kapitän Roberto Leotta

Gestern Abend 19:30. Das Royal Theater ist gerammelt voll. Das Licht geht aus, der Vorhang auf. Ein Mikrofonständer. Im Hintergrund das Logo unserer Reise: MSC Word Cruise 2020.
Der Kapitän verabschiedet sich in einer kurzen Rede – in 5 Sprachen, von der Kreuzfahrtdirektorin unterstützt. So wie wir Kapitän Roberto Leotta kennengelernt haben, auch sein Abschied. Kurz, auf den Punkt gebracht und bescheiden. Er bedankt sich bei der Crew und freut sich, dass die Reise coronafrei ein gutes Ende findet. Und dann folgt eine minutenlange Standig Ovation der Passagiere, die damit ihren Respekt und ihre Dankbarkeit ausdrücken. Good Job, wie der Amerikaner zu sagen pflegt.
Sichtlich gerührt aber auch etwas verlegen, gibt er die Bühne frei für seine Crew: Offiziere, Küche, Bar, Service, Kabinenpersonal, Reception, Technik, Wäsche und und werden beklatscht. Ihnen gilt nicht nur unser Dank, ihnen gelten auch unsere Gedanken.

Sie sind es, welche die Krise am härtesten trifft. Junge Familienväter aus Indonesien, Madagaskar oder den Philippinen. Junge Frauen aus Kenya, der Ukraine oder Brasilien – wissen weder wann, noch wie sie nach Hause kommen. Sie verlieren ihre Verträge und bekommen keine neue. Auch in ihren Ländern steht der Tourismus still. Ihr Los heisst: Arbeitslosigkeit. Davon betroffen sind ganze Familien. Wer hilft diesen Menschen?
MSC und Kapitän Leotta haben sich gegenüber ihren Kunden, also uns Passagieren, sehr grosszügig gezeigt und Verantwortung übernommen. Dafür haben sie unseren Respekt und unseren Dank. Einen noch grösseren Respekt ist ihnen gewiss, wenn sie diese Verantwortung auch für ihre Angestellten übernehmen. Wir zählen darauf.

Heute früh hat das Schiff den Sinai, bzw. den Bitter Sea erreicht. Geweckt werden wir aber durch einen veritablen Sturm aus dem Norden, der uns gehörig durchschüttelt. Mir ist es erstmals auf dieser Reise flau im Magen.

Wer mich kennt, weiss um meine Teephobie. Zum Frühstück trank ich heute gleich zwei davon…Den Einen zusammen mit übrig gebliebenen Wunderpillen aus dem Medical Center, welche H**, eine liebe Frühstücksbekannte, für mich übrig hatte. Nun geht es schon deutlich besser.
Doch zurück zum Sinai. Auch diese Halbinsel ist uns vor allem im Zusammenhang mit Krisen, Konflikten und Kriegen bekannt. Stichworte: Suezkrise (1956), Jon Kipurkrieg (1973) und aktuell islamistische Fundamentalisten, welche da ihr Unwesen treiben. Israel immer in Sichtweite. Überreste zerstörter Ölplattformen liegen direkt vor unserem Bullauge.
Um 14 Uhr erreichen wir Port Suez, das Südportal zum Kanal. Morgen früh geht es in einem Konvoi Richtung Mittelmeer, welches wir nach 193 km gegen Abend erreichen. Der Fotoapparat ist knipsbereit. Endlich mal kein Blau im Sucher – dafür Sand vor der Linse.

13.04.2020: Minenfelder

Ursi auf der Suche nach Minenfeldern

Wie bereits mehrfach erwähnt, kreuzen wir gerade in ziemlich vermintem Gewässer. Stacheldrahtzäune und Totenkopfschilder sucht man allerdings vergebens. Die Gefahr ist deswegen nicht kleiner – im Gegenteil.
Beginnen wir mit Somalia und Somaliland am Horn von Afrika: Warlords, Stammesrivalitäten, Terror, Religiöser Fundamentalismus, Failed State, Piraterie. Djibouti: Autoritäre de facto Einparteienherrschaft, Militärstützpunkte für jeden der bezahlt, Tummelplatz der Grossmächte. Eritrea: Diktatur, die ihrer Jugend ausser einem unbefristeten Militärdienst nichts zu bieten hat, Flüchtling. Sudan: Ungelöste Konflikte in zahlreichen Regionen (Darfour, Südsudan), Unruhen, Aufstände, Flüchtlinge. Jemen: Stellvertreterkrieg zwischen Iran und Saudi Arabien, Hunger und Elend. Saudi Arabien: Menschenrechtsverletzungen, Hand- und Kopfabhacken inklusive, Feudale Theokratie…soll ich noch Ägypten, Libyen, Israel oder den Iran erwähnen? …eben.

An Tretminen, Sprengfallen und explosiven Stoffen fehlt es wahrlich nicht. Betreten auf eigene Gefahr – würde man meinen. In Wahrheit schützten uns natürlich Flugzeugträger im Indischen Ozean, Militärstützpunkte auf der Arabischen Halbinsel und Satelliten in ein paar hundert Kilometern Höhe, sowie unser Geld natürlich.


Beim gemütlichen Abendessen im klimatisierten Buffet sind solche Dinge naturgemäss weit weg. Man geniesst das köstliche Lamm oder die Indonesische Hühnersuppe. Doch mitten im lukullischen Mahl, geht eine Tretmine hoch. Unverhofft, doch unvermeidlich.
Im Wissen darum, dass ich hier an Bord in vielem ein „Exot“ bin (schmeichelhaft ausgedrückt), hocke ich am Esstisch auch dann aufs Maul, wenn ein anderer Körperteil schon längst drauflos brüllte. Als ehemaligem Minenplanzeichner der Schweizer Armee ist mir die Wirkung dieser heimtückischen (und zurecht geächteten) Waffe, mehr als bewusst. Und trotzdem oder vielleicht auch deswegen, trampe ich ständig auf sie.

Da schwadroniert jemand (ich verzichte aus sicherheitspolitischen Gründen, auf jede Personenbeschreibung) über die bösen Iraner in Jemen. Ich hätte schweigen können, tat es aber nicht und erwähnte die Rolle des „Westens“, welche die Saudis im Hintergrund tatkräftig unterstützen…Bombe hoch, roter Kopf – Abgang.
Da diskutiert man am Tisch über ein blockiertes Schiff vor der Italienischen Küste mit 180 Flüchtlingen an Bord, die niemand will. Bemerkung: Wir können ja nicht alle nehmen. Gegenfrage: Was soll mit ihnen denn geschehen? Antwort: Keine Ahnung. Gegenfrage: Verhungern oder ertrinken lassen? ….Bombe hoch, rote Köpfe, zitieren von AfD/FPÖ/SVP Wahlparolen – Abgang…
Das gleiche Muster in WhatsApp und Facebook. Egal ob Corona, Flüchtlinge, Klima oder veganer Lebensstil: Man trifft auf Minenfelder – Warnschildern und Stacheldraht zwecklos.
Ich gebe zu, ich bin einigermassen ratlos. Der Minenräumdienst befindet sich wohl gerade in Quarantäne.

12.04.2020: Das neue Normal

Wo?

Europa rückt näher. Heute Nacht stellen wir unsere Uhren zum 24igsten mal. Der Kreis schliesst sich. Am Mittwoch Abend ist auch der Suez-Kanal geschafft und wir erreichen „vertrauten Boden“ – mare nostrum – das Mittelmeer. Auch das Heimkehrprogramm konkretisiert sich. Am Dienstag 21. April bringt uns ein Bus von Marseille nach Zürich Sihlquai (Busbahnhof), wo wir gegen Abend eintreffen werden – coronafrei!
Ab da ist dann Schluss mit „betreutem Wohnen“ und wir sind wieder selbst für uns verantwortlich. Wie das wohl sein wird?
Wir fühlen uns im Moment, als würden wir aus dem schützenden Nest geschmissen. Wilde Geschichten machen die Runde. Man müsse in Quarantäne, in die Selbstisolation, dürfte weder selber einkaufen noch den Kehricht hinausstellen, usw. Wir nehmen mal an – Horrorgeschichten und ausgemachter Quatsch. Da aber auch jede/r zuhause die Massnahmen anders lebt und interpretiert, werde ich mir heute mal die BAG Empfehlungen zu Gemüte führen.

Was uns zur Zeit mehr zu denken gibt, sind die erwarteten Veränderungen im Alltag und des Zusammenlebens. Wieviel „Angst“ ist noch gesund, wo ist Vertrauen, wo Distanz angebracht? Wir wollen ja weder uns noch andere gefährden. Was auf unserer schwimmenden Isolierstation normal ist, gilt mit einem Mal nicht mehr. Wie die Gringos werden wir wohl von Fettnapf zu Fettnapf hüpfen. Wir bitten schon jetzt um Nachsicht.
Vorerst kurven wir aber noch zwei weitere Tage auf unserer Luxusbarke zwischen Sudan, Ägypten und Saudi Arabien Richtung Nord, bevor wir am Dienstag den Suezkanal erreichen. Zeit genug Fake von Fakt zu trennen und uns auf das neue „Normal“ einzustimmen.

11.04.2020: Glutofen am Bab el Mandab

Bab el Mandab (Jemen)

Es ist 8 Uhr morgens und die Hitze bereits unerträglich. Im Dunst zeichnen sich links und rechts die Umrisse einer Hügellandschaft ab. Hügel! Ein Etwas, was sich über die endlose Fläche der blauen Einöde erhebt. Ein Blick auf die Karte verrät es: Wir sind am heissesten Punkt unserer Reise angelangt. Djibouti, Bab el Mandab die Meerenge in der Einfahrt zum Roten Meer. 27 km breit, das Nadelöhr, welches alle Schiffe von Ost nach West und umgekehrt passieren müssen. Kein Wunder unterhält halb Europa, die Amerikaner und Chinesen Militärstützpunkte in Djibouti (war übrigens bis 1977 französisch). Ein wahrer Glutofen, wenn man Wikipedia und meiner Wahrnehmung traut. 45 Grad im Sommer, nachts nicht unter 30. Da schwitzen selbst die Kamele.

Die gute Nachricht: Das Schiff hält jetzt Kurs Nord und steuert dem Mittelmeer- dem Ort unseres Begehrens – zu. Links die begehrten Grillplätze, mit klingenden Namen wie z. B. Hurghada – Rechts Mohameds Wirkstätten Mekka und Medina.

Das Schiff wird immer noch bewacht und begleitet. An Bord von diskretem Wachpersonal der. Internationalen Schutztruppe aus Djibouti, auf See durch Fregatten und Kanonenboote und natürlich überwacht von Satelliten am Himmel. Handel war schon immer ein gefährliches Unterfangen. Bis ins 19te Jahrhundert waren Handelsschiffe nicht ohne Grund mit Kanonen bestückt.
So gondeln wir also mit 20 Knoten, unter dem Schirm zahlreicher Militärs, Richtung Suez. Nachts als Geisterschiff, ohne Licht und abgedunkelt. Die Sandwüsten zur Linken und Rechten sind eben im Dunst verschwunden und wir haben uns im klimatisierten Buffet verkrochen.

10.04.2020: Im Rachen des Drachen

Mittendrin

Nach den Pirats Of The Arabian Sea, heute wieder Nabelschau. Sprich: Corona bis der Kragen platzt. WhatsApp und Skype sind in diesen Wochen ja zu Allzweckwaffen im „sozialen“ Miteinander geworden. Auch für uns. Interessiert verschlingen wir deshalb eure Nachrichten von der Heimatfront und warten jeweils ungeduldig auf Verbindung. Das Internet ist nach wie vor wackelig. Aber besser wackelig als Pot au Noir, wie die Franzosen sagen. Was uns an Berichten – sie werden laufend länger – erreicht, macht uns aber auch nachdenklich. Ich merke dann immer wieder, wie weltfremd und isoliert wir hier draussen auf See sind. Vor allem wenn ich von unserem Alltag mit Theater und Restaurant berichte und mir dann plötzlich bewusst wird, dass ihr davon nur träumen könnt. Zum Trost habt ihr dafür Blumen, Wiesen und Bäume, während wir seit Wochen auf eine endlose Wasserwüste starren. Da ist eine Möwe in der Luft bereits eine kleine Sensation und Delfine bringen das Schiff in Schräglage.

Ein Wal – nicht auszudenken – kentern nicht ausgeschlossen. Wobei – Halt! Ein Schiffsgerücht will wissen, dass jemand einen gesichtet hätte. Aber eben – jemand – wir (leider) nicht.

Apropos Gerüchte. Wie uns normalerweise gut unterrichtete Quellen versichern, schlich sich nachts heimlich Wachpersonal der Internationalen Seestreitkräfte an Bord – inkognito. Eine persönliche Sichtung auf Oberdeck heute Früh, hat die Quelle bestätigt. Wir haben die Security an Bord. Im Rachen des Drachen (Golf von Aden) ein beruhigendes Gefühl

Das heutige Tagesprogramm gilt ganz dem Gedenken. Um 14 Uhr gibt es eine Schweigeminute für die vielen Coronatoten. Danach singen Passagiere Lieder, für welche extra ein Chor gegründet wurde.

Im Gedenken an den historischen Justizirrtum der alten Römer, im Bestreben die aufgewühlte Volksseele zu beruhigen, findet um drei eine Andacht im Royal Theater statt. Dies ganz ohne kirchlichen Beistand. Der dafür vorgesehene Geistliche durfte in Australien nicht an Bord. Er hätte Viren einschleppen können.

09.04.2020: Piraten

Glauben wir Alison, unserer Kulturministerin an Bord, durchqueren wir gerade die Heimat der Buckelwale. Walewatching ist also angesagt. Trotzt spiegelglattem Meer – was eine mögliche Sichtung erleichtert – mit mässigem Erfolg. Keine Wasserfontänen und Schwanzflossen, so weit das Auge reicht. Dafür mehrere Delfingruppen, die in einem Affenzahn, Reissaus vor unserem Schiff nahmen. Ganz leer gefischt, ist das Horn von Afrika, dem wir uns jetzt nähern, also nicht. Dass wir uns einem Hotspot der Weltpolitik nähern, merken wir aber nicht nur an der drückenden Hitze – das Thermometer zeigt manchmal schon im Morgengrauen gegen 30 Grad – sondern auch an den Sicherheitsmassnahmen, die seit heute an Bord gelten. Gemäss Merkzettel des Kapitäns befinden wir uns ab heute bis und mit Sonntag, in Piratengewässer und werden von einer internationalen Schutztruppe streng bewacht. Kriegsschiffe sehen wir zwar noch keine, wahrscheinlich lauern diese hinter dem nächsten Baum.

Satelliten und Drohnen tun ihr Werk wahrscheinlich zuverlässiger. An Bord bedeutet das neue Sicherheitsregime aber: Deck 15, 16 und 7 geschlossen, Nachtbeleuchtung ausgeschaltet, Vorhänge gezogen. Aufenthalt auf Deck nach Einbruch der Dunkelheit verboten. Gerüchteweise soll sich bewaffnetes Wachpersonal an Bord verstecken. Gesehen haben wir bisher noch nichts.
Somalia zur Linken, Jemen zur Rechte, Piraten auf See – nicht gerade der Ort der Träume.
Natürlich hat auch dieser Ort der Misere eine Geschichte, an der wir (wieder einmal) mitbeteiligt sind. Europäer und Chinesen die das Meer vor den Küsten leer fischen, drängen Fischer in Somalia in die Piraterie – irgendwie müssen sie ja überleben. In Jemen wird ein ganzes Volk für die geostrategischen Ränkespiele der Grossmächte (Saudis, Europäer, Amerikaner gegen Iran, Russland etc). geopfert. Vis á vis, in Djibouti, haben kürzlich sogar die Chinesen einen Militärstützpunkt errichtet.

Man braucht weder Militärexperte noch Geostratege zu sein, um zu erkennen, um was es hier geht – ein Blick auf die Landkarte genügt. Die Meerenge von Aden – also das schmale Nadelöhr zum Roten Meer und zum Suezkanal (sprich Europa), will „gesichert“ sein. Wer sie beherrscht, kontrolliert den Welthandel und stellt die Versorgung mit Erdöl und Gas aus den Mittleren Osten sicher. Wir befinden uns also auf einem heissen Pflaster. Die Meerestemperatur soll hier 30 Grad betragen.

08.04.2020: Île de dif – Licht am Ende des Tunnels

Vollmond über dem Arabischen Meer

Nun also Marseille. Der Kapitän hat das Geheimnis per Handzettel gelüftet. Am 20.4.2020 fahren wir in den südfranzösischen Hafen, zur Ausschiffung. Da die vereinbarten Prozeduren (man erahnt Szenen aus apokalyptischen Dystopien) Zeit in Anspruch nehmen, kann sich die Rückreise auch noch um einen Tag verzögern. Wir hoffen einfach, wir landen nicht auf der Ile de dif, wo einst der Graf von Monte Christo im Kerker darbte. Als mittlerweile geübte Optimisten, glauben wir aber an das Gute und hoffen spätestens am 21. April heimatlichen Boden unter den Füssen zu spüren.

Wer auch immer diesen Deal ausgehandelt hat – DANKE! Wir ahnen, dass es nicht einfach war.

Noch 12 Tage eine Handbreite Wasser unter dem Kiel. 12 Tage endlos blauer Horizont – nur unterbrochen vom Sand des Sinai (Suezkanal).
Von Australien nach Europa in vier Wochen. Asien links liegen gelassen, Afrika gestreift, Europa in Quarantäne. Davon werden wir wohl noch unseren „Ur-Enkeln“ erzählen…

Für uns ist also gesorgt. Für uns hat die Ungewissheit ein Ende und wir können uns auf das Leben mit dem Lockdown zuhause vorbereiten. Wir machen gerade einen „Crash-Kurs“ per WhatsApp. Sicher ist schon jetzt: Wir werden unser Schiff schon bald vermissen. Anders wohl die rund 1000 Angestellten aus 60 Nationen. Was wohl aus ihnen wird? Ihre Ungewissheit beginnt in Marseille. Wir haben schon mal die Handy-Nummern uns lieb gewordener Menschen gespeichert.

Was wir aber wirklich vermissen, ist das Grün, die Wiesen, Felder, Blumen, Bäume, Häuser, Strassen, Hügel und Berge – Land eben. Familie und Freunde sowieso – wie wir gerade schmerzlich erfahren, müssen wir zu ihnen noch Distanz wahren. Wir freuen uns trotzdem, allein das Gefühl nah zu sein, zählt. Darauf trinken wir heute!

07.04.2020: Herzschlagader

Herzschlagader des Welthandels

Wie gestern berichtet, hat uns die Ausschiffung einer Patientin vor der Küste Colombos einen gehörigen Schrecken eingejagt. Nicht nur das ausserirdische Outfit der Sanitätsmannschaft, war filmreif, ihre Begleitung war es nicht weniger – eine Fregatte der Sri Lankischen Marine, mit Kanonen und dem ganzen militärischen Firlefanz, der dazugehört. Die Mannschaft in ABC-Schutzanzügen. Skurril ist noch beschönigend formuliert; absurd trifft es deutlich besser . Ob dieses militärische Dispositiv der australischen Presse geschuldet ist (man erinnere sich an die 298 Coronaverdachtsfälle in Fremantle….) sei mal vermutet. Das die Schmierfinkenzunft international agiert, beweist aber auch die Schweizer Presse. Man lese selbst:
https://www.google.com/amp/s/www.nau.ch/amp/news/ausland/kranke-deutsche-darf-kreuzfahrtschiff-magnifica-in-sri-lanka-verlassen-65689582.

Ist der Verdachtsvirus mal platziert, wird er zur Pandemie.
Die Patientin hatte übrigens einfach Herzprobleme, wie der Kapitän über Lautsprecher, glaubhaft versicherte.

Zur Ergänzung (inkl. Fotostrecke ) hier noch der Tagebucheintrag von Hans-Jörg in seinem Blog: https://www.gloedesweltreise.de/2020/04/06/tag-92-ein-schiff-wird-kommen/

Ursprünglich wollte ich heute aber einmal nicht von Viren berichten. Unsere Route führt uns ja stündlich näher an andere bekannte Brandherde dieser Welt. Arabische Halbinsel, Strasse von Hormuz, Iran, Jemen, Somalia, Eritrea usw. – Schlagzeilen über Spannungen, Kriege, Terror, Flüchtlinge und Konflikte quasi Alltag. Wie zur Illustration, präsentiert sich die Bedeutung dieses Hotspots der Weltgeschichte, bei einem Blick über die Reling. Schiff an Schiff, bis weit über den Horizont. Alibaba auf dem Weg nach Europa. Öltanker nach China. Waren wir vorher mausseelenallein in den Weiten der Ozeane unterwegs, so befinden wir uns jetzt mitten in der Herzschlagader des Welthandels. Diesem folgen wir die nächsten acht Tage. Begleiten sollen uns dabei die Buckelwale. Angeblich hätten diese hier ihr Habitat. Wir werden Ausschau halten.

06.04.2020: Land in Sicht

Gnusch im Fadezeindli

Ein Nebelschleier liegt über dem dampfenden Ozean. Im Morgengrauen zeichnet sich im Zwielicht die Skyline einer Grossstadt ab. Nach acht Tagen Wasser, endlich Land in Sicht! Eine fast surreale Stimmung. Unsere Tankstelle – Colombo, Sri Lanka.
Vor der Stadt, entlang der Küste, reiht sich Schiff an Schiff. Dutzende Tanker und Cargofrachter aus China; als wären sie in Lauerstellung. Bis wir ankern , bzw. tanken können, dürften aber noch Stunden verstreichen. Also frühstücken.

Seit gestern ist die nächste Reiseetappe nun auch geklärt. Es geht durch das Arabische Meer in den Golf von Aden, durch das Rote Meer zum Suezkanal. Kurzfristig werden uns also Sicherheitsfragen (Piraten, Krieg in Jemen etc) beschäftigen. Geplante Ankunft in Port Suez: 14.4. Der Zielhafen bleibt weiterhin ein Geheimnis. Egal – irgendwann um den 20igsten rum, werden wir schon irgendwo Flagge hissen. Wir bereiten uns mental schon mal auf festen Boden vor. Ich denke, das gehört zu den leichteren Übungen der nächsten Zeit.

Unterschiedliche Stimmen erreichen uns dagegen aus der Heimat. Daraus entnehmen wir, nebst vielen nützlichen Tipps für unser „Leben danach“ (wir sind ja Corona-Greenhorns), auch Fatalismus, Wut, Frust, Galgenhumor, Schmerz, Sehnsucht bis hin zu verklausuliert geäusserten Ängsten.

Mit Sorge konstatiere ich aber auch, dass einige Freunde und Bekannte den Lockrufen selbsternannter Scharlatane, selbsternannten Experten und Verschwörungstheoretikern aufsitzen. Einmal festgebissen, wird diskutieren nahezu unmöglich. Wer nichts und und niemandem mehr traut, hat es in diesen Tagen wirklich schwer. Allein gelassen mit seinen (Zukunfts-)Ängsten, werden Erklärungen gesucht, die „Sinn geben“. Schon im Zeitalter der Pest wurden Schuldige (die Andern, Hexen, Juden etc) benannt, Ursachen ergründet (schlechte Luft) und Erklärungen gesucht (Strafe Gottes). Das scheint auch im 21ten Jahrhundert nicht anders. YouTube, Facebook, Instagram und Co sind dabei nur Brandbeschleuniger – nicht erst seit dieser Pandemie – aber mit immer verheerenderen Folgen. Sicher ist nur dass aus der Coronakrise eine globale Vertrauenskrise wächst. Ausgang ungewiss.
Wir haben jetzt noch zwei Wochen, um uns auf diese neue Welt zu Hause einzustellen. Immer in der Hoffnung eines Silberstreifens am Horizont und die Selbstheilungskräfte von uns alle.

Wie nah die Ängste sind, erlebten wir gerade bei der Rückkehr in unsere Kabine. Vor dem Medical Center eine Szene wie aus Outbreak. Ein halbes Dutzend Männer in Schutzanzügen, Gesichtsmasken und Handschuhen. Im Lift eine Frau auf einer Bare, ein Atemgerät…. Jetzt erklärt sich auch dar Küstenkutter der sich nähert. Ein medizinischer Notfall, der Spitalhilfe benötigt.
Es sind solche Augenblicke, die Angst machen. Fünf Minuten später, siegt aber die Ratio. Wo sollte sich bei einer Inkubationszeit von zwei Wochen, ein Passagier in den letzten 4 Wochen angesteckt haben? …eben!

05.04.2020: Doldrums

Pot au noir

Schlafend im Morgengrauen hat sich der Mond aufgerichtet, versank das Kreuz des Südens im Meer und der Polarstern weist uns wieder den Weg. Mit anderen Worten – wir haben die Nordhalbkugel erreicht und den Äquator hinter uns gelassen. Wir befinden uns in der sog. Innertropischen Konvergenzzone – im Englischen doldrums und im Französischen Pot au Noir genannt. Ein Gebiet wo der Wind nie (oder kaum) weht. Will heissen, seit zwei Tagen herrscht Flaute. Das Meer liegt da, wie ein Leichentuch und schimmert wie Quecksilber. Fast so, als wolle es die gegenwärtige Weltlage versinnbildlichen – wie ein schwarzes Loch, indem alles erstickt und zum Stillstand kommt.

Und wo Mangel ist, herrscht auch Überfluss. Und wie die Welt gerade Kopf steht, haben sich auch diese ins Gegenteil verkehrt. Zeit und Erdöl (angeblich laufen die Tanklager schon über) gibt es plötzlich in Hülle und Fülle, Atemschutzmasken (die Amerikaner versuchen es schon mit Raubrittertum) und Mineralwasser werden zu Höchstpreisen gehandelt. Ja – auf unserem Schiff ist tatsächlich die Mineralwasserkrise ausgebrochen!
Die „Hiobsbotschaft“ erreichte uns per Handzettel des Kapitäns persönlich. Flaute in der Vorratskammer: Statt prickelndes Nass aus Nestlés kristallklaren Bergquellen – eine aufbereitete Plörre aus Meerwasser (gejammert auf Höchstniveau – das Wasser ist besser als vieles aus den pestizidbelasteten Brunnen des Schweizerischen Mittellandes). Und in Colombo nutzen sie die Wassertanks infolge der krisenbedingten Ölschwemme offenbar für Schweröl statt Wasser und so bleiben unsere Vorratskammern leer. Wie es das Schicksal will, ausgerechnet da wo wir uns der Arabischen Wüste nähern. Gerüchteweise sollen aber die Weinfässer noch gut gefüllt sein. Die Inspektion ist noch am Laufen.

Allah möge deshalb barmherzig sein – wir segeln ja durch sein abstinentes Hoheitsgebiet – aber der Sohn seines Zwillingsbruders behalf sich damals auch dieser Methode. Wir hoffen inständig auf sein Verständnis.

Und gerade wo wir uns Sorgen um Form und Art des Durststillens machen, werden andere Schiffe beschossen. Kurz gesagt, dem Wahnsinn wird unvermindert Genüge getan. So hat der eben gekürte, venezolanische Ehrenvorsitzende der südamerikanischen Volltrottelriege, Maduro, in Ermangelung einer besseren Beschäftigung oder aus Zeitvertreib, ein Kreuzfahrtschiff beschiessen lassen. Wie einst Don Quichotte bekämpft er in seiner Paranoia Kreuzfahrtschiffe. Er hält sie wahrscheinlich für Windmühlen. Vielleicht aber suchte er auch nur einen zusätzlichen Tanker, für sein überflüssiges Öl – wer weiss schon, was in solchen Rüben vor sich geht. Seine Fregatte übrigens, soff ab.
(Quelle: Berliner Morgenpost) https://www.google.com/amp/s/www.morgenpost.de/vermischtes/article228842049/Marineboot-rammt-deutsches-Kreuzfahrtschiff-und-geht-unter.html%3Fservice%3Damp

04.04.2020: Freude schöner Götterfunken

Königin der Nacht

Die Nachrichtenlage ist klar: Es läuft verschissen. Ölpreis fällt in den Keller, 6,6 Millionen mehr Arbeitslose in den USA, Gabelstapler die Leichen entsorgen und der Bundesrat schnürt Hilfspakete im Wochentakt. Im Mikrokosmos das gleiche Bild: Freunde die nun von infizierten Bekannten berichten, dass ihnen die Arbeit ausgeht, der Betrieb schliesst und nicht wissen, wie es weiter geht.
Indiz für das Befinden und die Lage, sind auch die langen und ausführlichen Berichte, die wir von zu Hause erhalten. Nein, in unseren WhatsApp-Kanälen wird kaum geklagt, dafür werden Fragen gestellt, sowie Irrsinn und Wahnsinn diagnostiziert Es werden Erklärungen und Anzeichen für ein mögliches Ende des Albtraums gesucht.

Das Fatale – niemand hat Antworten.

Trübsinn und Hoffnungslosigkeit sind aber das Letzte, was wir brauchen. Das Wissen um die einzigartige Fähigkeit des Menschen, sich jeder Situation anzupassen, mag uns Gelassenheit geben.

Die notwendige Kraft, den Alltag zu meistern und den Trübsinn zu vertreiben, kann es leider nur bedingt. Und je länger diese Krise dauert, stellt sich die Frage: Was brauchen wir eigentlich zum „glücklich“ sein (bzw. für ein menschenwürdiges Leben)?
Wenn wir mit unseren Mitreisenden am Frühstückstisch reden oder die WhatsApp von zuhause richtig lese, zeichnen sich einfache Dinge ab. Genug zu Essen, ein warmes Haus und gute Freunde und Familie. Alles weitere ist Luxus.
Luxus sind z. B. auch Kreuzfahrten. Luxus ist Christmas-Shopping in New York, Gucci-Handtaschen. Ja selbst Autos und Billig-Klamotten aus Bangladesch.
Unsere Reise entlang der Küste Südamerikas hat uns ja anschaulich vor Augen geführt, in welchem Luxus wir schwelgen. Selbst wenn wir in Zukunft mit der Hälfte leben müssten, hätten wir noch das Fünffache, was die Menschen in den Favelas Lateinamerikas haben. Andererseits ist es gut zu wissen, von was wir reden, wenn es darum geht Abstriche zu machen. Wie man sein Leben auch ohne unnötigen Schnickschnack geniessen kann, dürfen wir fast jeden Tag an Bord erleben. Da wird gelaufen (das berühmte Deck 7), geschwatzt, gesungen, gebastelt, getanzt und gerätselt bis sich die Balken biegen. Und plötzlich eröffnen sich auch neue Horizonte. Selbst ein sturer Opernmuffel, wie ich einer bin (Originalaussage: Da wird in Begleitung einer Kreissäge drei Stunden lang gestorben), entdeckt die Welt der Musik und des Gesangs neu. Gestern bemerkte ich überrascht Gänsehaut bei „Die Königin der Nacht“ (Zauberflöte) und „Freude schöner Götterfunken“ (Beethoven). Wer hätte je gedacht (ich wohl zuletzt), dass ich noch zum Opernliebhaber mutiere? Krisen machen vieles möglich, sogar das Unmögliche.

03.04.2020: Trau – schau – wem

Einfach weil es schön ist – Sonnenuntergang gestern Abend

Bi Von Ushuaia bis Alaska, von London bis Tokio und dort nach New York, das gleiche Bild (für diesmal glaube ich den Medien) – Lockdown, nervöse Politiker, schnatternde Reporter, selbsternannte Hobby-Virologen, Sozialdarwinisten und Angst. Vieles davon gibt es auch auf unserem Schiff. Der Unterschied zu „draussen“ – wir sind weit weg vom Schuss.
Wir müssen uns hier also eine Meinung weitgehend auf Grund vom „hören sagen“ bilden. Also Presse, TV, Internet aber vor und allem den unzähligen WhatsApp Nachrichten unserer Familien, Freunde und Bekannten. Noch nie waren diese so wichtig, wie jetzt. Ich nehme an, wie für alle, die jetzt zu Hause sitzen müssen. Denn – wem kann und soll ich (man) eigentlich (noch) glauben? Krisen stellen immer auch die Glaubwürdigkeit von Handlungen und Menschen in Frage – und setzen Vertrauen voraus. Ein kostbares Gut, dass schon vor Corona arg ramponiert war.
Wem also (noch) vertrauen?

Politikern? Denke ich an die Riege der aktuell regierenden (und möchtegern regierenden) Volltrottel (ich meine jetzt explizit nicht alle, aber die genannten) ist das Ergebnis ernüchternd. Ob Corona oder Klima – von da ist wenig zu erwarten. Trump ist einfach der tollste Hecht im Teich.

Selbst ernannten Hobby-Virologen, Welterklärern und Alles-Besser-Wissern aus YouTube und (A)Sozialen Medien? In etwa so glaubwürdig wie ein Hobbygärtner, in einem Vortrag über die Hege und Pflege von Nacktschnecken. Wer gerne unter Seinesgleichen kuschelt, sei seine Echokammer gegönnt.

Experten? Unbedingt. Das Problem dabei – wie erkenne ich diese?

Familie und Freunden? Sind so subjektiv, wie ich – ihre Meinung ist mir aber wichtig, weil ich ihnen traue.

Bliebe noch der Gesunde Menschenverstand.
Das setzt dann Vertrauen ins eigene Urteil voraus.
Ich gestehe: Ich bin einigermassen ratlos und mache mir trotzdem meine Gedanken.

Ein Kreuzfahrtschiff in Isolation bietet dazu alles was das Herz begehrt.
Soll ich den Durchsagen, Versicherungen und Massnahmen des Kapitäns glauben/vertrauen? Er ist ja gleichzeitig der Überbringer und Vollstrecker der schlechten Nachricht. Oder haben am Ende jene Schreiberlinge Recht, die von 298 Coronainfiszierten berichten?
Was in den Nachrichten ist Fakt, was ist Schlagzeile. Sind es die nachdenklich, die wütenden oder ängstlichen Stimmen von zu Hause, auf die man hören soll?
Da uns niemand eine Antwort gibt, weder hier auf dem Schiff, noch zu Hause, müssen wir uns wohl unserer eigenen Werkzeuge bedienen- die da wären: 5 Sinne, Herz, Verstand und Erfahrungen. Diese raten uns: Versuche nie Dinge zu ändern, die du nicht ändern kannst, nutze dafür die Zeit im Sturm, um über das Danach und das was ändern soll, nachzudenken. Das tun wir hier tagtäglich. Auf dem Schiff mit Mitreisenden, im Chat mit Familie und Freunden. Der Blog dient zur Reflexion. Vielleicht auch für euch.

02.04.2020: World-Trivia

Nach den endlos ungewissen Tagen vor Australien, ist die Gewissheit an Bord zurückgekehrt. Ein untrügliches Zeichen, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen, ist das Wetter. Es ist dämpfig, schwül und heiss – bereits morgen um sieben. Wir nähern uns dem Äquator. Ab Sonntag sind wir wieder auf der Nordhalbkugel. Wir schippern irgendwo zwischen Java und Madagaskar, im Indischen Ozean. Dank Sommerzeit in Europa, haben wir nur noch vier Stunden Vorsprung.

Wie ein Blick auf die nun wieder aufpopenden News-Schlagzeilen zeigt, hat sich ausser unserem Schiff, seit vorgestern nichts bewegt. Ausser die Erkenntnis, dass es ohne Dauerbombardement auch – ja sogar besser – geht. Wann werde ich es wohl lernen, diese digitale Überflutung ganz zu ignorieren? Immerhin – ich arbeite daran und der schielende Satellit über dem Ozean unterstützt mich dabei.
Die Isolation hat aber auch sonst viel Gutes. Wir lernen fast täglich neue Leute kennen. Und wie der Volksmund weiss, ist die Welt klein. So kennen wir seit gestern auch Mitreisende aus Stein am Rhein. Eine weitere Quelle der Inspiration oder besser gesagt Ablenkung, ist das World-Trivia, welches jetzt täglich um 16 Uhr im Theater über die Bühne geht. Ein Ratespiel, wo bunt gemischte Gruppen bis 10 Personen, jeweils für ein Land, gegeneinander antreten. Wir zusammen mit acht anderen, für Sri Lanka. Da sollte man dann wissen, gegen welche Stadt Athen im 5ten Jahrhundert vor Christus im Krieg stand, welcher Star sich hinter einem Kinderphoto verbirgt oder aus welchen Elementen sich Kohlehydrat zusammensetzt. Wir wissen es auch nicht immer, aber immer öfter.

01.04.2020: Zeit

Tiere die im Käfig endlose Runden drehen, vernachlässigte Kinder die den Kopf an die Wand schlagen, die wippenden Oberkörper von Meditierenden oder Betenden – ein untrügliches Zeichen innerer Leere – auch als Langeweile bekannt. Gegenwärtig wohl das Thema schlechthin. Auch auf unserem Schiff.
Wie wir mit dieser umgehen ist ebenso zentral, wie wir Zeit erleben und mit ihr anfangen. Zeit gibt es nicht, sagen manche Philosophen, aber jeder fühlt sie. Das kann sogar schmerzhaft sein. Wohl deshalb versuchen wir uns ständig zu beschäftigen um uns abzulenken. Die Einen mit Disziplin und Ritualen, andere mit Spielen oder Lesen, Fitnessprogrammen, Tanzstunden oder legen sie sich einfach Schlafen. Im normalen durchgetakteten Alltag ist Zeit Mangelware. In Zeiten von Corona haben wir sie im Überfluss. Was also damit anfangen?
Disziplin und Rituale helfen die Zeit zu takten und den Tag in gewohnter Weise in Abschnitte zu teilen. Das „verkürzt“ nicht nur die Zeit, es beruhigt auch die Sinne.

Hier können wir die Uhr nach unseren Kabinennachbarn richten, welche in bewundernswerter Selbstdisziplin jeden Morgen, bei Wind und Wetter, ihr Laufprogramm auf Deck 14 abwickeln. Andere spielen stundenlang Bridge oder Rommé, lösen Sudoku, Kreuzworträtsel oder hören den Proben der Schiffskapelle zu. Einzig das an Land omnipräsente Handy fristet ein kümmerliches Dasein. Die Satellitenverbindung ist in etwa so wacklig, wie das Schiff im Sturm.
Leiden wir im normalen Alltag an Reizüberflutung, so macht uns in Zeiten von Corona Reizarmut zu schaffen. Der bekannte Soziologe Harald Welzer meint zwar, Langeweile sei Voraussetzung für neue Ideen und mache uns kreativ. Dabei hat er aber kaum an diese Pandemie gedacht. Bevor der Mensch kreativ wird, versucht er es mit Ablenkung. Ein Kreuzfahrtschiff auf Odyssee ist ein ideales Objekt für derlei Studien. Allerdings nicht nur für den Umgang mit der Zeit.

Wie unterschiedlich die Wahrnehmung der Krise ist, zeigen auch die Passagiere der Artania, mit sieben Coronakranken an Bord, die im Hafen von Fremantle liegt. Auf einem riesiges Plakat mit. „Thank you, Fremantle“ wird für die Aufnahme der sieben Patienten, im lokalen Krankenhaus gedankt, während die übrigen in Quarantäne sitzen. Zeit hat für sie wahrscheinlich nochmals eine ganz andere Bedeutung, wie für uns.
Schicksal bricht, bemerkte heute auf Deck 7 unsere Kärntner Freundin. Dabei liegt es nicht nur am Schicksal selbst, was mit uns passiert. Es liegt auch an uns, was wir daraus machen.
Eindrücklich beweisen das auch die Schiffs-Angestellten, welche die eigentlich Leidtragenden dieses Lockdowns sind. Nicht nur ist ihre Zukunft ungewiss, sie wissen nicht einmal, ob und wie sie nach Hause kommen. Trotzdem verrichten sie ihren Job ohne Murren in stoischer Ruhe. Ihnen gilt unsere Bewunderung.

31.03.2020: Das steht mir zu…

Genug ist genug

Heute sind es genau drei Wochen her, seit wir das letzte Mal festen Boden unter den Füssen hatten. – in Wellington, Neuseeland. Wir laufen bereits wie alte Matrosen – breitbeinig und immer auf der Suche nach Halt. Der Alltag in der Selbstisolation wird zum neuem Normal. Und trotz des „Abbruchs“ unserer Reise und der aufgezwungenen Odyssee, auf der Suche nach einem Anlegehafen, sind wir privilegiert.
Wir sind weder vom Virus befallen, noch mit ihm im Kontakt. Wir werden 7/24 versorgt, bedient und betreut, können uns auf den Decks frei bewegen und werden sogar noch unterhalten. Dinge, die so zu Hause nicht mehr möglich sind. Die zahlreichen Appelle aus der Heimat, es auf dem Schiff möglichst lange zu geniessen, sagen genug. Voraussichtlich noch weitere drei Wochen. Solange dauert es mit 30 km/h nach Europa zu kommen.

Auf umso mehr Unverständnis stossen deshalb „News“, wie gestern im 20 Minuten.

„259 Schweizer sitzen auf Kreuzfahrtschiff fest“

Schon beim Lesen dieses Titels beschlich mich eine dumpfe Vorahnung – die dann auch vollends bestätigt wurde.
Die geschilderten Fakten sind soweit noch korrekt wiedergegeben. Problematisch wird es dann, wenn ein einzelner Passagier zitiert wird, der bereits zu Hause sitzt. Logischerweise eine subjektive Sicht, die ausschliesslich eine Einzelmeinung repräsentiert- jammern und motzen inklusive. Die „Krönung“ dieser Art des Journalismus aber sind die Kommentare. Da tobt sich dann die Meute aus – vertreten sind dabei alle und alles. Häme und Schadenfreude (hätten zu Hause bleiben können), Sozialneid (wer sich eine Kreuzfahrt leisten kann, soll die Klappe halten, die haben ja genug zu fressen), Klimaschützer (Kreuzfahren ist eine Sauerei, sollte man eh verbieten), Besserwisserei (man hätte es ja wissen können – Ende Dezember 2019 (?))… weitere der 500 Kommentare ersparte ich mir.

Mental Health – also ein gesunder Geist, soll ja in Stresssituationen besonders wichtig sein

Warum diese Aggressivität, diese Häme und diese manipulativen Texte, fragt man sich.

Um Informationen geht es wohl kaum. Diese beschränkt sich mehr oder weniger auf die Schlagzeile.
Um ein Ventil für den frustrierten Leser? Schon eher – die Kommentare sprechen Bände.
Um Umsatz, Klicks und Lickes? Auch!

Über die Kommentare kann man sich wundern, ärgern oder auch nicht. Zu wundern allerdings eher nicht, wenn man das Verhalten einiger Kreuzfahrtpassagiere kennt (wahrscheinlich die oft zitierten 6er). Es gibt eine verhaltensauffällige Minderheit, welche tatsächlich die schlimmsten Vorurteile bestätigen. Nicht nur die bereits zitierten Stimmen in der Presse. Auch hier auf dem Schiff ist Kopfschütteln angebracht.
Da wird bei der Kreuzfahrtdirektion mokiert, weil Galaabende ausfallen oder Passagiere die sich aus Prinzip nur die „Rosinen“ vom Teller picken.

Welche die zuerst nach Rückerstattung schreien und jene die Briefe ans Auswärtige Amt verfassen.

Die Lebenshaltung: Das steht mir zu! (weil…ja, warum eigentlich) ist nicht nur egoistisch, sie wird in solchen Krisen zunehmend zur Belastung und ist unerträglich.

Krisen bewältigen erfordert persönliches Zurückstecken und Solidarität. Alles andere ist nicht (mehr) akzeptabel. Fortsetzung folgt.

30.03.2020: Kurs Nord-West

Europa wir kommen

Die Sonne steht schonst tief und spiegelt sich auf der Meeresoberfläche. Seit Stunden vertreiben wir uns die Zeit, zusammen mit unseren Kärntnerinnen, mit Rommé, auf Deck 13. Mit leicht verkniffenen Augen versuche ich 40 Punkte zusammenzukratzen – da huscht ein kleiner Schatten über meine Karten. Ein Blick aus dem Panoramafenster des Buffets bestätigt mein Gefühl – wir bewegen uns. Ein Raunen geht durch die wenigen Gäste, welche um diese Zeit, gut eine Stunde vor dem Abendessen, im Restaurant sitzen. Viele spitzen die Ohren, warten auf eine Durchsage von der Brücke. Fahren wir wirklich los, oder hat sich das Schiff nur in den Wind gelegt? Nach zwei Tagen Stillstand im Ungewissen, ist jedes Ruckeln eine Aufregung wert. Doch der Schein trügt nicht, das Schiff nimmt langsam Fahrt auf und bewegt sich aus der Bucht, Die hässlichen Hochkamine des Zementwerks an der Küste werden kleiner Vor uns öffnet sich der Indische Ozean. Richtung…Ja, wohin eigentlich? Die Lautsprecher bleiben stumm, der Kapitän schweigt. Bleibt nur das vage ausgesprochene Ziel, Mittelmeer, vom Mittwoch – sowie Colombo, das als Zielhafen in der iPhone-App MarineTraffic angegeben ist. Der Blick auf unsere aktuelle Position auf Kanal 33 im TV, heute Früh, bestätigt den Kurs: 300 Grad (also Nord-Nord-West), 31 Grad Süd, 111 Grad Ost. Es ist 7 Uhr früh. Zuhause zwei Uhr morgens. Nur noch 5 Stunden bis Europa. Wir halten Kurs – Europa wir kommen!

29.03.2020: Grenzen

Grenze dicht, Parkplatz voll

Ausgrenzen, abgrenzen, Grenzen überhaupt sind nicht erst seit der Coronakrise wieder in Mode. Wer Mexiko, Mauer, Trump, Flüchtlinge, Orban oder Salvini hört, wird sich erinnern. Das „Böse“ kommt entweder vom Anderen oder von Aussen. Das zieht sich durch die Geschichte, wie die Chinesische Mauer. Und heute, wo jeder Einzelne als potentiell gefährliche Biobombe gilt, ist man per se ein/e Aussätzige/r – unabhängig der Farbe des Reisepasses. Man hat fast das Gefühl, die „feuchten“ Träume der vereinigten Nationalisten dieser Welt, würden wahr.
Wenn dann noch Regierungsmitglieder, wie der Westaustralische Regierungschef Mark McGowan in der Presse herumposaunt: „Ihr habt Treibstoff, Nahrungsmittel und Medizin gebunkert. Also verschwindet!“ und mit dem Militär droht, um Kreuzfahrtschiffe davon abzuhalten, in Australien anzulegen. (Quelle: Berliner Kurier), wird deutlich, wohin die Reise gerade geht (oder zu gehen droht).

Viele von uns erleben diese Krise als eine Art Zäsur, die unser Leben und unsere Zukunft in Frage stellt
Und viel fragen sich: „Was kommt danach“?
Es besteht die Hoffnung auf ein Innehalten, auf ein Besinnen. Stimmen dazu sind hörbar. Schliesslich hört man plötzlich wieder die Vögel zwitschern oder spielt zusammen Eile mit Weile. Die Schadstoffbelastung geht markant zurück, der CO2-Ausstoss nimmt erstmals überhaupt ab. Ist das unsere Chance?
Andererseits reibt sich Jeff Bezos vom Amazon die Hände und Post wie Lieferdienste laufen am Anschlag. Der Online-Handel explodiert geradezu, während der traditionelle Handel gerade stirbt. Wie wohl unsere Innen- und Provinzstädte oder Einkaufszentren in Zukunft aussehen werden? Bricht am Ende die gesamte Nachkriegsordnung zusammen und bleiben die Schlagbäume unten? Die Versuchungen dürfte für die politischen Heilsversprecher gross sein.
Krisen werden erfahrungsgemäss von jenen Kräften genutzt, die eine Agenda und die Macht dazu haben.

Es wird also an uns liegen, dass es anders kommt.
Vorderhand stehen aber andere, lebensnahere Fragen im Vordergrund. Noch immer stehen wir vor Perth und zählen die Hochkamine und Förderanlagen an der fernen Küste, während uns die australischen Sonntagsausflügler mit ihren Schnellbooten umkreisen. Aussätzige sind gerade die neuste Attraktion im Zoo vor der Stadt. Derweilen warten wir ungeduldig auf die vertraute Stimme des Kapitäns, der uns das nächste Etappenziel verkündet. Im Gegensatz zu Bootsflüchtlingen im Mittelmeer, die von uns, als Aussätzige fern gehalten werden, sind wir aber sicher und gut versorgt. Unsere Sorgen sind also keine. Ich wünsche allen einen schönen Sonntag, wo immer ihr auch seid.

28.03.2020: Mit Kanonen auf Corona

Delfindelegation

In den letzten Tagen versuchte ich mich in Lebensphilosophie. Wie wahrscheinlich alle, versuchen wir den Irrsinn zu verstehen und die eigene Angst klein zu halten. Ich schrieb aber auch über verantwortungslose Journalisten und Politiker die auf dicke Hose machen. Ebenso im Visier standen Scharlatane und Verschwörungstheorien aller Art – Immer in der Absicht das Geschehen zu sortieren und Wahrheit von FakeNews zu trennen. Zugegebenermassen mit (wahrscheinlich) mässigem Erfolg. Aber wer in diesen Tagen behauptet, er oder sie hätte den Durchblick, soll sich bitte melden. Ich gebe mich freiwillig geschlagen.
Möglicherweise kann der Eindruck entstehen, wir würden hier, isoliert auf unserem Schiff, die Lage nicht richtig einschätzen und nähmen die Lage nicht so richtig ernst. Ich kann versichern, dem ist nicht so – im Gegenteil! Ich bzw. wir halten uns konsequent an Greta Thunbergs Parole in der Klimakrise: Hört auf die Experten!

Da es im Moment keine ernsthafte Alternativen zum totalen Lockdown gibt, ist dieser wohl notwendig, und es tun alle gut daran, sich an die Regeln der Behörden zu halten. Hier, wie dort.
Regeln sind das Eine, Politik aber was anderes. Unser Schiff scheint gerade zum Spielball dieser zu werden. Auch wenn der Kapitän seit 17 Tagen nachweislich weder Passagiere, Personal noch Künstler an Bord liess, noch irgendwer das Schiff verlassen und zurückkehren konnte, werden wir behandelt als hätten wir die Pest an Bord. Nicht ein Hafen zwischen Australien und Europa gibt uns derzeit grünes Licht zum Anlaufen. Es scheint, als müssten alle beweisen, wie gnadenlos sie die Seuche bekämpfen.

Niemand hat was dagegen, gesunder Menschenverstand vorausgesetzt. Dieser scheint aber gerade Urlaub zu machen.

Da kommt ein solcher Dampfer, wie der unsere, natürlich gerade zur rechten Zeit, um ein Exempel zu statuieren. Fakten sind dann bestenfalls eine Option, im Zweifel glaubt man Schauermärchen.

Wie sich FakeNews quasi materialisieren, erleben wir hier gerade life auf der Magnifica.

Seit zwei Tagen dümpeln wir vor der Küste Westaustraliens, nachdem der Emir von Dubai in seiner unendlichen Weisheit meinte, auch seinen schon zugesagten Hafen für unser Schiff schliessen zu müssen. Dem Muster anderer Regierungen folgend – ohne Ausnahme. Sachverstand könnte in diesen Zeiten ja als Schwäche ausgelegt werden.

Nach den FakeNews über angeblich 298 Coronaverdachtsfälle auf unserem Schiff – verbreitet durch die australische Presse – konnte natürlich auch die Australische Regierung nicht zurück stehen und musste Tatkraft beweisen und schickte zum Zeichen ihrer Stärke, gestern Abend kurzerhand Flugzeuge und Kanonenboote um uns von der Küste fern zu halten. Man glaubt, man wäre im falschen Film.

Heute liessen sie dann Gnade walten – den benötigten Nachschub bringt eine Barke ans Schiff in der Bucht von Perth, wo wir ankern. Dort sind wir in guter Gesellschaft – die Bucht ist mit gestrandeten Schiffen vollgeparkt. Unser Nachbarschiff wird gerade vollgetankt.
Und während ich dies hier schreibe, kreisen Helikopter über dem Schiff und der Bucht. Möglicherweise sind es auch nur Paparazzis der lokalen Schmierfinkenzunft auf der Jagd nach einem Schnappschuss vom Ort ihres Verbrechens. Man fühlt sich in Downunder wahrhaft „herzlich“ willkommen.
Anders, eine Unterwasser-Delegation Delfine, die unser Schiff seit Stunden umkreist und die begeisterten Passagiere mit ihren Kapriolen unterhält. Ganz so, als wollten sie damit unser aufkeimenden Trübsinn vertreiben. Es ist ihnen gelungen. Danke.

Zur Ergänzung: https://www.google.com/amp/s/www.berliner-kurier.de/panorama/corona-chaos-vor-australien-regierung-laesst-deutsche-passagiere-nicht-von-bord-li.79645.amp

27.03.2020: Von Afrika lernen

Über dem Indischen Ozean

Auch wenn wir noch nicht wissen, wann diese Odyssee zu Ende ist, so gewiss werde ich die unglaublichen Sonnenuntergänge über dem Meer einst vermissen. Der gestrige gehört mit zu den Spektakulärsten. Das Foto – aufgenommen am Bug – sagt mehr, als Worte können. Man könnte meinen, die Natur wolle sich für die Ungewissheit und Ängste, die sie uns beschert, entschädigen. .
Nichts – ausser der Angst vielleicht – macht Menschen so zu schaffen wie die Ungewissheit. Wir die Pläne machen, Agenden führen, Versicherungen abschliessen und schon nervös auf die Uhr schauen, wenn der Zug eine Minute zu spät einfährt, erleben unmittelbar, wie wir die Kontrolle verlieren. Über unsere Pläne, unsere Agenda, ja selbst über unsere Zukunft. Das Selbstverständliche ist Makulatur, es triumphiert die Ungewissheit. Wie geht es mit dem Job, dem Geschäft oder ganz einfach der Reise weiter. Was erwartet uns die nächste Woche, was kommt noch, wie trifft es uns? Fragen die niemand beantwortet oder beantworten kann.

Am meisten erstaunt mich aber welch riesige Unterschiede es im Umgang mit dieser Situation gibt. Während wir auf dem Schiff geradezu nach „Sicherheit“ lechzen und sich jede Neuigkeit in Windeseile über das Schiff verbreitet und aufgeregt diskutiert wird, summt unser kenianisches Zimmermädchen weiter ihre melancholische Melodie und meint mit einem Lächeln: „At the end of the day, it comes at is comes“. Ob diese Ruhe und Gelassenheit davon kommt, dass sie in einer Welt aufwuchs, wo Gewissheit ein Luxus ist?
Lernen von Afrika, wäre ein Slogan der allen Mut machen könnte.

Unsere Ungewissheit macht zumindest für heute eine kurze Pause. Ein Versorgungsschiff bringt Nachschub für „the long trip to Europe“, wie der Kapitän gestern via Durchsage verlauten liess. Wann, wohin genau, wie lange bleibt ungewiss. Damit lernen wir jetzt zu leben.

26.03.2020: Die Kreativität der Langeweile

Runden dr

Prof Dr. Harald Welzer, der bekannte Autor zahlreicher Bücher, Talkshowgast und Sozialwissenschaftler, behauptet in seinem neusten Buch „Alles könnte anders sein“, Kreuzfahren wäre ein Ausdruck von Langeweile. Die Menschen wüssten nichts mehr mit ihrer Zeit anzufangen und verfielen dem Hyperkonsum. Entweder dem digitalen Smartphone-Wahnsinn, dem Konsumrausch im Online-Handel oder eben z. B. der Daueranimation auf Kreuzfahrtschiffen. Dabei wäre Langeweile die Voraussetzung für Kreativität, den nur wenn wir nicht ständig abgelenkt würden, könnten sich neue Ideen entwickeln.
Als er diese These zu Papier brachte (2018), wusste natürlich noch niemand, wie wir mit dem Thema aktuell konfrontiert werden. Plötzlich keine Haligallipartys mehr, kein Theater, keine Restaurants, Konsumtempel geschlossen, Urlaube gestrichen, Sporthallen und Hallenbäder ebenfalls zu. Was bleibt sind, die eigenen vier Wände, das Smartphone, YouTube, Netflix, die Nachrichten und natürlich Online-Shopping.

Mein Bruder – er arbeitete bei der Post – berichtet von einer Verdreifachung des Paketvolumens. Wer also auf ein Ende des Hyperkonsums gehofft hat, dürfte enttäuscht werden. Andererseits hören wir von vielen unserer Freunde auch sehr nachdenkliche Worte. Viele sitzen zu Hause wieder am Tisch und reden miteinander oder spielen gemeinsam Eile mit Weile, Uno oder jassen. Gemeinschaft und Familie werden wieder geschätzt. Was letztlich davon bleibt, wird die Zukunft zeigen.
Auf dem Schiff äussert sich die Krise etwas anders. Shopping, Ablenkung durch Ausflüge oder YouTube/Netflix entfallen praktisch vollständig. Dafür geniessen Fitnessangebote, Plauderstündchen und Kultur an Bedeutung. Jede/r versucht auf seine/ihre Weise die Zeit totzuschlagen. Um den Schmerz der Langeweile zu betäuben, etablieren sich neue Rituale erstaunlich schnell. Deck 7 ist dafür ein guter Gradmesser. Die Hyperkonsumgesellschaft kennt leider nur die Ablenkung oder eben die Ersatzbefriedigung als „Heilmittel“ gegen die innere Leere.

Frust (und Langeweile ist ein solcher – man erinnere sich nur der lautstarken Proste der eigenen Jungmannschaft: „Mir ist laaaangweilig…“) schreit geradezu nach Schmerzlinderung. Wie Ibuprofen, Paracetamol oder Aspirin das Kopfweh betäubt, betäubt der „Konsum“ die Leere in unseren Köpfen. Was gerade passiert ist zweifellos schrecklich. „Corona“ bietet aber vielleicht die Chance zum Innehalten, zum Nachdenken und die Langeweile kreative Alternativen.
Eine solche nehme ich in Angriff. Ich versuche mich als Schriftsteller. Mehr als schiefgehen kann es nicht. Es füllt aber garantiert die Langeweile.

25.03.2020: Schlagbäume

Wir segeln im Kreis

Was sich schon seit Tagen abzeichnet, ist nun eingetroffen. Ein sanftes Wiegen und Schaukeln holt uns im Morgengrauen aus dem Schlaf. Der kurze Gang zur Toilette lenkt den Blick auf einen Zettel, der von aussen unter die Kabinentüre geschoben wurde. Wird wohl der xte Appell für die Hygienemassnahmen im Zusammenhang mit Corona sein – also nochmals unter die warme Bettdecke. Das wird wohl unser Tagesritual bis Dubai in zehn Tagen sein, der Indische Ozean ist ja gross. Eine Stunde später scheint die Sonne durchs Bullauge und weckt uns endgültig. Werfen wir also einen Blick auf die „Wichtige Nachricht des Kapitäns“.
Die Vereinigten Arabischen Emirate – Dubai also – hat ihre Häfen für alle ausländischen Schiffe per sofort geschlossen. Nix Dubai also, nix Heimflug, nada. Die Ratlosigkeit auf der Brücke findet sich in der Ankündigung unter: Wir kreuzen vor der Küste Australiens, bis wir einen neuen Hafen gefunden haben. Wir informieren sie in den nächsten 48 Stunden.

Schlagbäume runter, Grenzen dicht – scheint das neuste Hobby der grossen Politik zu sein. Das Böse kommt bekanntlich immer von aussen. So lässt sich auch elegant von den eigenen Versäumnisse im inneren ablenken. Natürlich hilft es in der aktuellen Krise niemandem diese anzumahnen oder darüber zu lamentieren – der Schaden ist schon angerichtet und die kaputtgesparten oder privatisieren Gesundheitssysteme werden damit auch nicht besser. Noch weniger verschwinden damit die Scharlatane und Selbstdarsteller an den Schalthebeln der Macht. Aber es gibt eine Zeit danach!
Vorläufig wird das Virus mit Schlagbäumen und geschlossenen Türen bekämpft. Eine bewährte Methode der Ratlosigkeit. Eben solange sucht unser Kapitän einen sicheren Hafen. Wir lassen uns überraschen.
PS: Wir sind guten Mutes, auch Odysseus fand irgendwann den Heimweg. Daraus entstand ein Weltepos: Die Odyssee.

Die Sieben

Gestern hielt unsere Kulturbeauftragte Alison einen Vortrag über die sieben Weltmeere, die Bedeutung der Zahl sieben in Religion, Mythologie und allgemein. Die 7 begleitet uns seit der Antike und gilt gemeinhin als Glückszahl. Wir haben die 7-Tage Woche, teilen das Leben in Siebnergruppen (Kindheit, Jugend…bis zum Greis), kennen die 7 fetten und die 7 mageren Jahre und die Katze soll 7 Leben haben. Nur eines hat sie vergessen zu erwähnen: Deck 7!
Deck 7 vereinigt auf unser schwimmenden Heimat alles. In den frühen Morgenstunden ist es leer. Bestenfalls spritzt ein philippinischer Matrose die Planken sauber. Um sieben drehen ein paar Marathonläufer ihre Runden, denen die ersten Frühaufsteher beim Bestaunen magischer Sonnenaufgänge, den Weg versperren. Zwischen acht und neun ist Rushhour. Es ist ein Stelldichein der Welt. Flanierende Päärchen aus Frankreich, neben Sportskanonen aus Skandinavien, italienische Nonos am Gehstock werden von zielstrebigen Gesundheitsaposteln im Sauseschritt

und Schrittzähler überrundet. Grüppchen tauschen an der Reling Neuigkeiten aus. Man winkt sich zu oder dreht schwatzend ein paar Runden gemeinsam. An den Tagen in den Häfen ist es auch ein Internet-Hotspot. Dort wo sich Menschentrauben bilden, gibt es WiFi-Empfang vom Hafenterminal. Und zuletzt dann der romantische Abendspaziergang. Meist allein und an schönen Tagen mit blutrotem Himmel. Gratis-Thalasso inklusive. Deck 7 ist das Glücksdeck. Das Deck wo sich die Welt trifft, wo es keine Unterschiede gibt, wo man den neusten Schiffstratsch erfährt, wo man sich begegnet, Kontakt zur Aussenwelt findet, sich bewegt, fit und gesund bleibt, die FitApp mit Schritten füttert und den eigenen Gedanken nachhängt.
Deck 7 wird uns in Erinnerung bleiben.

24.03.2020: Outbreak

Ich habe mich in den letzten Tagen redlich bemüht sachlich, rational und cool zu bleiben. Wir haben zusammen diskutiert, die Lage nüchtern analysiert und entschieden auf dem sicheren Schiff zu bleiben. Die Nachrichten von Familie und Freunden haben uns darin bestärkt.
Das wirkliche Drama liefert aber die Welt da draussen. Über die Schmierfinken der Presse habe ich mich schon ausgelassen. Die Horrormeldungen in den Newskanälen erhalten dadurch auch plötzlich ein anderes Gesicht und man fragt sich unweigerlich – was kann man noch glauben?

Wir liegen seit heute Früh im Hafen von Fremantle. Bekanntlich saufen unsere fünf Generatoren Schweröl, wie ein Kamel Wasser vor der Durchquerung der Sahara. Vor uns liegen 9000 Kilometer bis zur nächsten Tankstelle in Dubai. Also ran an die Zapfsäule.

Auf Deck 7, bei der morgendlichen Runde eine wahrhaft irre Szene. Polizeipatroullien an der Pier, Müllmänner in Schutzanzügen beim Entladen luftdicht verschweisster Plastikballen in Container

mit der Aufschrift „Biosecurity Waste“. Auf der Seeseite Polizeiboote.
Die Strassen der Stadt sind menschenleer (soweit wir sehen können). Doch dann taucht ein Auto auf und hält direkt vor dem Absperrgitter zum Terminal. Ein Typ (ich vermute ein Journalist) ruft rüber. Soweit wir hören und verstehen, will er wissen wie es um die Kranken an Bord steht. Wir zeigen mit dem Daumen nach oben und gehen…
Dazu muss man wissen: In Perth soll es 140 Infizierte geben, auf dem Schiff Null! Wer muss sich da vor wem fürchten?
Mich erinnert die Szene an Dustin Hofmann und den Film Outbreak. Fehlt nur noch der durchgeknallte General, der das Schiff bombardieren will.

Welche Krise wird da eigentlich „gefeiert“, frage ich mich unweigerlich. Eine ernsthafte Pandemie? Die Krise der kaputtgesparten Gesundheitssysteme? Das flächendeckende Versagen der korrupten politischen Eliten? Oder einfach die Hochkonjunktur menschlicher Dummheit und Irrationalität?
Wahrscheinlich alles zusammen.

23.03.2020: Kurs halten

Täglich wird uns bewusster, wie wichtig uns Familie, Freunde, Nachbarn und Bekannte sind. Erst wenn diese Begegnungen fehlen, wird einem bewusst, wie man selber auf solche angewiesen ist. Die grosse Distanz und die umständliche Kommunikation sind auch nicht hilfreich.
Andererseits sind wir in der glücklichen Situation, dass unser „Heim“ (also das Schiff) so gross, coronafrei und bewohnt ist. D. h. wir können noch täglich Kontakte pflegen. Das schätzen wir in dieser Situation ausserordentlich. Dazu kommen eure zahlreichen WhatsApp Nachrichten, die wir jeweils mit Ungeduld erwarten. Ich denke es ist für euch, wie für uns ein grosses Bedürfnis zu wissen, wie es geht und wir alle wollen verstehen was mit uns gerade passiert. Andererseits sorgen die täglichen Latrinenparolen auf dem Schiff für Aufregung und allerlei Gesprächsstoff. Ob hilfreich oder nicht – sie helfen über den Tag.

Nachdem sich unsere Tischgemeinschaft aufgelöst hat – alle verliessen das Schiff in Sydney bzw. Melbourne, haben wir jetzt vermehrt Kontakt, zu bisher eher flüchtigen Schiffbekanntschaften. So zu unseren Kabinennachbarn aus dem Glarnerland, den zwei Kärntnerinnen, dem Berliner Blogger oder der Hamburgerin, welche mit uns den Landtrip in Tahiti gemacht hat. Ja selbst mein IT Know-how hilft. Gestern konnte ich einem verzweifelten Fotographen gerade noch 14 Gigabyte Bilder von der Weltreise retten, die über Nacht, auf bisher unerklärliche Weise vom seinem Laptop verschwanden. So entwickeln sich Freundschaften.

Seit 13 Tagen, d.h. seit dem 10. März sind wir jetzt ununterbrochen auf See und ohne (physischen) Aussenkontakt. Morgen füllen wir noch den Tank für die grosse Fahrt über den Indischen Ozean und sollen laut heutiger Planung, am 4/5. April in Dubai vor Anker gehen. Wie es von dort weiter geht, weiss niemand so genau. Ziel bleibt Europa. Der Kapitän hält Kurs.

Ein Lehrstück in Schmierfinkerei

Outbreak in Fremantle- Irrationaler Aktionismus ins Bild gesetzt

Ein Australischer Journalist in Sydney muss an die Anzahl ärztlicher Konsultation (ein Vermutung meinerseits) auf unserem Schiff gekommen sein. Darin ist die Rede von 298 Passagieren mit Atemwegproblemen. Mit dieser Zahl wird der westaustralische Gouverneur konfrontiert, der in der allgemeinen Coronahysterie gleich von über 200 Corona Verdachtsfällen schwafelt und den Passagieren das Aussteigen verbietet.

Dazu ist folgendes zu sagen: Es gibt Passagiere mit Husten an Bord. Was für eine Sensationsmeldung! Es gibt jedoch (wie mehrfach und glaubhaft versichert wird) keine Coronaverdachtsfälle an Bord. Ausserdem hat seit dem 10.3. niemand mehr das Schiff von aussen betreten. Nach 14 Tagen selbstauferlegter Quarantäne kann man also mit gutem Gewissen behaupten, dass die MSC Magnifica coronafrei ist.
Des Weiteren war in Fremantle (Perth) nie ein Landgang für die Passagiere geplant.
Fakten die für jedermann leicht zu überprüfen sind. Sowohl von Journalisten,wie von Politikern.
Das dann auch noch gleich Horrorszenarien über den möglichen Zusammenbruch des Australischen Gesundheitssystems an die Wand gemahnt wird, setzt dem Ganzen die Krone auf. Selbstverständlich
fand diese „Sensationsmeldung“ den Weg auch schon in die deutschsprachige Presse. Verantwortungslose Schmierfinken sind international. Hauptsache fette Schlagzeile.

UNS GEHT ES GUT!

22.03.2020: FakeNews

Auf unserem Schiff gibt es genau einen deutschsprachigen Fernsehkanal – RTL. Also mehr Brechmittel als Unterhaltung. Deshalb gammelte die Kiste in unserem Zimmer, die letzten zehn Wochen vor sich hin. Nicht einmal die Tagesschau konnte uns mehr locken. Das holprige Internet und die dauernden Funklöcher bescherten mir eine geradezu newsarme, ruhige Zeit. Eine echte Wohltat.
In der gutgemeinten Absicht, etwas mehr von Daheim zu erfahren und um zu verstehen, was da wirklich los ist, haben wir dann RTL News geguckt. Wir hätten es besser sein lassen. Ein Blick auf Twitter, Facebook und die diversen Newskanäle brachte auch kein Licht ins Dunkle. Im Gegenteil. Nebst den üblichen Spekulationen, Verschwörungstheorien und Horrorgeschichten, bricht jetzt wohl auch noch ein Generationenkrieg aus. Die Jungen machen Party, die Alten halten keinen Abstand. Die Suche nach Schuldigen ist voll im Gange. Für Trump sind es die Chinesen, für diese die Amis.

Ins gleich primitive Horn bläst offensichtlich ein Mitreisender von Deck 16. Dieser muss einer Hamburger Zeitung ein Interview gegeben und darin behauptet haben, man fühle sich auf dem Schiff gefangen, wie in der ehemaligen DDR. Also MSC würde uns quasi gefangen halten.
Das fanden nun doch viele an Bord ziemlich starken Tobak. In einem gemeinsamen Leserbrief wird nun die Sache richtig gestellt. Ausserdem stellt sich die Gruppe ausdrücklich hinter den Kapitän und die Massnahmen der MSC. Auch wir tun das!
Wer nur sich und seinen eigenen Vorteil sieht, ist dieser Tage wirklich fehl am Platz. Finden solche Egomanen auch noch verantwortungslose Schmierfinken (aka Journalisten), welche ihre verquere Sicht verbreiten, braucht man sich auch über RTL und die Berichterstattung in Presse und anderswo, nicht zu wundern. Über den Dreck und die Verschwörungstheorien in den Sozialen Medien ganz zu schweigen.

21.03.2020: Out of control

Gestern hat uns der Kapitän ausführlich über die aktuelle Situation und seine (d. h. unsere) Optionen informiert.
Fest stehen einzig zwei technische Stopps. Freemantle (Perth) in zwei Tagen, zum auftanken und Dubai, wo die Tanks nach der Überquerung des Indischen Ozeans, leer sind. Ob wir von dort aus nach Hause fliegen können, hängt von der aktuellen Lage ab – will heissen: Steht in den Sternen. Gleichzeitig prüft MSC die Möglichkeiten das Schiff nach Europa zurück zu bringen und verhandelt mit Italien, Frankreich und Spanien. Bisher ohne Resultate. Trotzdem können wir uns jetzt an der Reception melden, falls wir von Dubai zurück fliegen möchten. Wieder eine Entscheidung auf wackliger Grundlage.

Der Bauch meint dies, der Kopf meint das. Richtig oder falsch ist in diesen Tagen sowohl als auch. Spontan möchte man zurück in die eigenen vier Wände – zurück zu Familie, Freunden, Nachbarn – diese raten aber – bleibt. Die Fakten sprechen für das Schiff – Sicherheit, Ablenkung, Versorgung.

Keine der Optionen ist wirklich garantiert. Die Kontrolle über uns haben andere Instanzen, ausserhalb unseres Einflussbereichs. So wie in Europa die einzelnen Regierungen bestimmen ob und wohin man noch darf, so ist es auch mit unserem Schiff. Die Welt ist Out of control.

Wie es daheim wirklich ist, können wir schlecht beurteilen. Die WhatsApp-Nachrichten von Familie und Freunden lassen nichts Gutes erahnen. Ob wir die Krise hier auf dem Meer oder zu Hause in den eigenen vier Wänden aussitzen, spielt wohl keine Rollen. Wer wen noch sehen „darf“ bestimmt ein Virus.


Immerhin haben wir hier die Möglichkeit mit vielen Schicksalsgenossen zu diskutieren. Das hilft nicht immer – jede/r hat seine individuellen Gründe – aber es lenkt ab. Helfen tun auch feste Rituale, wie Laufen an Deck, Theater, Kaffee bei Svetlana und mein Blog. Alle Optionen werden letztendlich von aussen diktiert. Da hilft weder stämpfelen, täubelen noch den Kopf an die Wand schlagen. Ob hier oder dort gilt es, sich irgendwie zu beschäftigen, Ruhe zu bewahren und sich dem „Schicksal“ zu fügen. Bis wir wieder selber in der Lage sind über unser Leben zu bestimmen, regiert uns ein unsichtbarer Feind.

20.03.2020: Ausgrenzungen

Wer die Ränder der Welt bereist, lernt nicht nur die herrliche Natur, sondern auch die Natur des Menschen kennen. Besonders augenfällig wird diese in Krisenzeiten, wie dieser.
Ushuaia, Punta Arenas, Port Arthur, Ile de pin- Orte die wir besuchten oder besuchen wollten, sind Orte der Ausgrenzung. ehemalige Gefängnisse, Strafkolonien, Orte der Isolation. Hier schoben frühere Gesellschaften (bis vor 70, 80 Jahren) ihre „Aussätzigen“ (Rebellen, Aufständische, Gauner und Taschendiebe) ab. Oder dann Seitentäler in Tahiti, wohin man die Leprakranken brachte. Die Analogie zur Corona-Pandemie liegt nahe. Eine Gesellschaft schützt sich, indem sie die Gefahr von sich fern halten will – durch Ausgrenzungen. Also: Grenzen dicht, Ausgangssperren, geschlossene Häfen, Schiffe in Quarantäne- die Liste ist unendlich. Vieles erinnert an die Pest im Mittelalter. Auch da wurden Stadttore geschlossen und Fremde abgewiesen.
Wie lange dieses Regime dauert oder aufrecht erhalten werden kann, ist ungewiss. Ebenso, ob damit unser Problem gelöst wird. Alternativen sind leider keine in Sicht.

In wenigen Wochen hat uns „die Natur“ gezeigt, wie abhängig wir sind. In nur drei Wochen fällt eine Zivilisation zurück in mittelalterliche Verhaltensmuster. Bei allem Fortschritt der letzten 200 Jahre, sind wir Teil dieser Natur geblieben. Wer je etwas anderes glaubte, wird dieser Tage eines Besseren belehrt. Meine einzige Hoffnung ist, dass wir daraus lernen. Unendliches Wachstum, Hyperkonsum, Raubtierkapitalismus und Klimakrise sind die ersten Kapitel dieser Lektion. Die Zeit der Quarantänen und Ausgangssperren gibt uns Zeit zum Nachdenken. Es ist eine Zäsur.

19.03.2020: Auch wir bleiben zu Hause

Da die Häfen für Kreuzfahrtschiffe praktisch weltweit geschlossen sind, werden die Passagiere wo immer möglich an Land gesetzt und die Schiffe stillgelegt. Das Gerangel um Stellplätze in den Häfen muss gross sein. Auf jeden Fall begegnen wir auf unserer Fahrt entlang der Australischen Küste so vielen Kreuzern, wie noch nie und auch unser Kapitän sucht offensichtlich einen freien Slot. Vorläufig – so die letzte Information – hat unser Schiff heute zwischen 12 und 16 Uhr ein Plätzchen im Hafen von Melbourne gefunden, von wo viele Mitreisende nach Hause fliegen sollen. So der Plan.
Der Kapitän ist wahrlich nicht zu beneiden und das MSC Reisebüro läuft ebenfalls am Anschlag, da auch Flughäfen, bzw. die Länder dicht machen. So ändern die Pläne stündlich. Bis diese Chaosphase überwunden ist, sind Gewissheiten wie Schnee an der Märzensonne. Solange wir also in freiwilliger Quarantäne sind, ist der sicherste und beste Platz AUF dem Schiff. Die Empfehlungen sind eindeutig: „Bleibt zu Hause!“ Our home, is our ship.

18.03.2020: Gewissheit war gestern

16 Uhr, gestern Nachmittag – eine wichtige Ankündigung des Kapitäns über Lautsprecher. Wir werden aufgefordert in die Kabine oder einen ruhigen Platz zu gehen und zuzuhören. Wir ziehen die Bar von Svetlana vor.

Ein Knacken in der Leitung – es wird augenblicklich totenstill. In ernstem Ton folgt nun, was viele schon befürchtet haben. Unsere Reise endet in Sydney!
MSC organisiert Rückflüge ab Sydney oder – falls machbar – Dubai. Dubai hiesse, zwei Wochen kein Land in Sicht, Machbarkeit ungewiss. Organisation und Kosten, sowie eine teilweise Rückerstattung der Reisekosten (Gutschein oder Cash) übernimmt MSC. Wir können uns bis morgen entscheiden.

Kaum verstummen die Lautsprecher- die Nachricht erfolgt in fünf Sprachen – füllen sich die Gänge und es wird wild diskutiert. Was tun?

So rasch als möglich heim oder hinauszögern, solange es geht? Rückflug von hier oder erst ab Dubai?

Der Flyer auf der Kabine verwirrt noch mehr. Wir verlassen Sydney und steuern Melbourne an. Von dort soll es Rückflüge geben…aber auch Perth soll 3 Tage später angelaufen werden – zum auftanken. Dubai lässt uns anlanden, falls wir keinen Kontakt mit Seuchengebieten haben. Wann, wie, wo liegt nicht in unserer Hand. So warten wir ab.

Das Merkmal einer Krise ist das Chaos und die Verunsicherung. Damit umgehen zu lernen, ist das Gebot der Stunde.

URGENT UPDATE:

Hier ist unsere Reise zu ENDE. Wir werden in den nächsten Tagen nach Hause geflogen.

Es war einmalig – das nimmt uns niemand mehr.

17.03.2020: Sydney – In Quarantäne auf dem schönsten Parkplatz der Welt

Rechts davon liegt unser Parkplatz

Sydney, bzw. das Wetter hier, hat uns gestern Abend für die „freiwillige“ Quarantäne, etwas entschädigt. Nachdem unser Schiff den ganzen Tag in der Bucht vor Anker lag, wurde am Abend der Platz an der Pier frei und wir konnten anlegen. Pünktlich zum Sonnenuntergang steuerte das Schiff auf die berühmte Oper und die Harbor Bridge zu. Die sich bietende Hafenszenerie überbot alles bisher Gesehene. Schnellboote und Katamarane kreuzen die Bucht in einem Höllentempo, Kreuz und quer. Die imposante Skyline im Zwielicht zwischen untergehender Sonne und einer Regenfront. Hinter dem gewaltigen Bogen der Hafenbrücke taucht die untergehende Sonnenscheibe den Himmel in intensives Gelb und Orange. Links davon die Oper in Gold getaucht. Ein Bild das sich einbrennt. Gerade so, als möchte sich die Welt für den Virus entschuldigen.
Jetzt „stehen“ wir auf dem schönsten Parkplatz der Welt, direkt zwischen Oper und Brücke – praktisch mitten in der Stadt.

Viele fliegen nach Hause

Heute haben rund 10% der Passagiere – etwas über 200 – das Schiff verlassen und fliegen nach Hause oder setzen ihre Reise in Australien fort. Der Weg zurück auf unser Schiff ist ihnen verwehrt. Wir befinden uns in „freiwilliger“ Quarantäne.
Wir tanken noch auf, dann geht es zurück um die halbe Welt nach Europa. Wann und wo wir dort anlanden können, ist immer noch offen. Aber sechs Wochen sind lang und die Situation ändert sich stündlich. Solange hier alle gesund und wir versorgt sind, ist das Schiff in der aktuellen Lage, der beste Platz der Welt.
Hier noch ein Link zur einem Presseartikel zur „Lage unseres Schiffes“: https://www.schiffe-und-kreuzfahrten.de/news/msc-magnifica-weltreise-in-45-seetagen-um-die-halbe-welt/200333/

16.03.2020: Wir denken an Euch

Sydney in Rufdistanz

Ich fürchte wir können hier auf dem Schiff die Situation schlecht beurteilen – wir sind isoliert und auf die bruchstückhaften News von aussen angewiesen, ohne uns ein eigenes Bild machen zu können. Wir schwanken zwischen Fatalismus, Verständnis und Sarkasmus. Was ist wahr, was müssen wir ernst nehmen, was ist Politik? Wir wissen es so wenig, wie wahrscheinlich alle nicht. Nur eines ist uns klar. Im Vergleich mit euch da draussen, geht es uns gut. Unsere Sörgelchen sind klein – wir denken an euch und hoffen der Spuk hat bald ein Ende – für alle.

Eine Frage zum Blog:

Wie und was über diese Reise noch berichten, die sich ab sofort und ausschliesslich nur noch auf einem Schiff abspielt? Fotos bestenfalls noch als Kulisse aus der Ferne. Mit plattgedrückten Nasen an den Fenstern zieht „die Welt“ an uns vorbei. Im Bullauge läuft nicht „Verrückt nach Meer“ sondern „Ver-rückte Welt“ und wir sind die Statisten.

Ich frage mich, wie ich den Blog weiterführen soll? Als Mitbetroffener neigt man vielleicht zum Klönen – das möchte ich vermeiden. Nun rücken die Menschen an Bord ins Zentrum. Die schwierige Situation der Angestellten oder der Umgang der Passagiere mit der neuen Situation.

16.03.2020: Sarkasmus hilft auch nicht weiter – aber hilft zu überleben.

Einsam zieht unsere schwimmende Isolierstation ihre Bahn. Nebst Toilettenpapier und Gesichtsmasken soll in Sydney auch noch Treibstoff gebunkert werden. Dafür bürgt der Kapitän persönlich. Was danach kommt, wissen die Götter und selbst diese wissen nicht alles.
Spürbar ist die Krise, wie damals in der maroden DDR, an den Bananen. Diese werden immer knapper. Stattdessen serviert man uns Melonen. Melooonen! Ein untrügliches Krisensignal! Aufstände nicht ausgeschlossen. Da helfen auch die vier Menüs am Abend und die Buffets auf Deck 13 nicht mehr viel. Die einzige Hoffnung bieten noch die 17 Bars. Der weitsichtige Quartiermeister soll in Auckland die Jahresproduktion der lokalen Brauerei gebunkert haben. Bis Weihnachten muss also niemand verdursten. Falls uns, wie man in den Gängen und Liften flüstern hört, niemand mehr anlanden lässt, entern wir halt die Bounty-Insel. Gegen 3500 hungrige Kreuzfahrer haben die 40 Urenkel von Fletcher keinen Stich! Wenn dann das Eiland nach einer Woche leergefressen ist, bleibt uns immer noch Tristan da Cunha – die sind angeblich noch virenfrei.

15.03.2020: Die lange Rückreise beginnt

45 Tage nichts als Wasser

Unsere Reise ist noch lange nicht zu Ende, wenn auch anders als geplant. Mit 18 Knoten, bei ruhiger See, Sonnenschein und milden Temperaturen, schippern wir Richtung Sydney – zum auftanken.

Das sich der Charakter der Reise geändert hat, merkt man auch auf Deck 7, was sich nach dem Frühstück mit vielen neuen Wandergesellen füllt. Überall diskutierende Grüppchen an der Reling. Auch wir werden von flüchtig Bekannten mehrfach angesprochen. Die gestrige Hiobsbotschaft beschäftigt alle an Bord. Viele sind traurig, viele nachdenklich. Die Wütenden sind vorerst mal von der Bildfläche verschwunden, nachdem sich diese an der gestrigen Informationsveranstaltung als ziemliche Idioten geoutet haben. Ihre grössten Sorgen gelten (Rangfolge beliebig): Rechtskonforme Information, Schadenersatzforderungen, Lügen (das Corona ist schon lange an Bord aber ihr verheimlicht das) usw. Das übliche Geschwurbel des Wutbürgers. Das braucht wahrlich kein Mensch in dieser Situation.


Ich und andere fragen sich eher, wie wir 6 Wochen ohne psychische Schäden auf Wasser überleben sollen. Um 16 Uhr will uns der Kapitän informieren, wie es weiter geht. Auf jeden Fall ist es für alle eine Herausforderung. Crew wie Passagiere.

Hier noch ein Link zum Blog eines Mitreisenden, der mir die Erlaubnis zur Verlinkung gab. Eine andere Sicht, aus professioneller Sicht (der Blogger ist Journalist)

https://www.gloedesweltreise.de

Gewissheit adé

Jetzt wissen wir mehr, bzw. noch weniger als gestern. Die einzige Gewissheit ist, wir legen morgen früh in Sydney an. Alles danach bleibt Spekulation. Der Kapitän wartet auf Entscheide aus Genf – der Firmenzentrale.
Die Fragerunde im Theater entwickelte sich entsprechend gehässig. Es war die Sternstunde der Bedenkenträger, Korintenkacker und Besserwisser. Von: „Ich will jetzt nach Hause“ bis „wer bezahlt das?“, war die ganze Palette vertreten.
Weshalb viele Menschen nicht zuhören können (oder wollen), ist mir ein Rätsel. Wenn der Kapitän sagt, „wir müssen auf Genf warten, es liegt nicht in meiner Befugnis“, so nützt alles stämpfeln und ausrufen nichts. Das hält sie allerdings nicht davon ab.
Immerhin gibt es jetzt die Gewissheit, dass es keine gibt. Alles was wir bisher glaubten zu wissen, steht in einer solchen „Krise“ zur Disposition. Nicht die schlechteste aller Erfahrungen, falls man daraus die richtigen Lehren zieht.
Wir bleiben dran.

14.03.2020: Bye bye…?

Hobart *sniff

Wir liegen seit zwei Stunden im Hafen von Hobart und warten auf das Ausschiffen. Ein Gong und eine Durchsage später ist alles gecancelt. Es gibt Coronafälle in Hobart. Keine Einreise möglich! Neuigkeiten um 11 im Theater. Ob dass das Ende der Reise heisst? Wir machen uns auf alles gefasst.
Ehrlicherweise macht es in der gegenwärtigen Lage auch keinen Spass mehr. Wir warten mal ab.

Es geht nach Hause

Die Würfel sind gefallen – es geht nach Hause. Unterwegs sind noch vier technische Stopps (Proviant, Treibstoff etc.) geplant aber niemand darf das Schiff mehr verlassen. Umgekehrt kommt auch niemand mehr an Bord. Das Ziel des Kapitäns heisst nun: Alle gesund nach Hause bringen!
Einen sichereren Ort gibt es im Moment nirgendwo. Also richten wir uns auf lange Tage und Wochen auf dem Schiff ein. Spannend ist jetzt vor allem die Gruppendynamik. Erste Beobachtungen lassen auf Abgründe schliessen. Ich werde berichten. Und jetzt gibt es einen Schnaps.

13.03.2020: Sturm in Tasmanien

Mitten in Alisons Vortrag über Tasmanien, welches wir morgen früh anlaufen, schreckt uns der Gong von der Brücke auf. Der untrügliche Weckruf des Kapitäns für eine wichtige Durchsage. Meist geht es ums Händewaschen, Corona, wo wir gerade rumkreuzen oder eben Hiobsbotschaften über Anlegeverbote und Routenänderungen. Aber vormittags um halb elf? Alison unterbricht ihre Präsentation und im Theater wird es mucksmäuschenstill.
Ein Sturm sei auf dem Radar. Wind bis einhundert km/h sei mit Wellen bis sechs Meter Höhe, am Nachmittag zu erwarten. Wir sollten uns festhalten, die Aussendecks meiden und im übrigen sei das Schiff stabil und für solches Wetter gebaut.
Wir gehen mal Kaffee trinken und warten ab, wie sich die Achterbahn anfühlt.
Und nun ist er also da, der Sturm. Beeindruckend ist vor allem der Gesang des Windes, in der Takelage. Das Schaukeln gleicht oft einem Sprung über ein Hindernis. Am Besten man legt sich ins Bett. Es soll die ganze Nacht so weiter gehen.

12.03.2020: Nichts ist so, wie es scheint

So wenig wie der Kaiser von China die Chinesische Mauer gebaut hat, so ist es auch nicht Gianluca Aponte (der Besitzer von MSC), welcher diese Kreuzfahrt zu einem so tollen Erlebnis macht. Umso mehr dafür die Hunderten von Angestellten auf dem Schiff. Der Matrose, der tagein tagaus die Türen zu Deck 7 putzt. Das Putzpersonal, welches mit Staubsauber am Rücken, Putzkübeln und Desinfektionsmittelnin in Gängen und Toiletten einen wichtigen Job erledigen. Die Kabinenstewards, wie Sofia* aus Kenia, mit dem grossen Heimweh und die trotzdem den ganzen Tag singt. Die Kellner aus Bali, Brasilien und den Philippinen, die Angst haben ihre Familien wegen des Coronavirus lange nicht mehr sehen zu können oder Tatiana, die Barfrau aus der Ukraine, die stehts gute Laune verbreitet. Sie alle und natürlich all jene die wir nie sehen , aus dem Maschinenraum, der Küche, der Wäscherei und so weiter, sind die Stützen dieser Reise. Ohne sie ist auch der Kapitän nichts. Unsere Anerkennung und unser Dank, geht an sie alle. *Namen geändert

Ein Virus durchkreuzt Kreuzfahrtspläne

Für einmal wurden die Rauchzeichen der Buschtrommel richtig interpretiert. Wie uns der Kapitän eben via Schiffslautsprecher mitteilt, muss unsere Reiseroute infolge der Coronapandemie geändert werden. Glücklicherweise ist Australien nicht davon betroffen. Gestrichen aber sind die Ile de pin auf Neukaledonien und Papua Neuguinea. Wirklich sehr schade – war jedoch zu erwarten. Dafür bleiben wir jetzt je zwei Tage in Noumea, Cairns und Darwin. Wir sind bereits am planen. So lernen wir Australien besser kennen – warum auch nicht – gross genug ist es ja.
Der weitere Reiseverlauf ist noch ungewiss. Wir lassen uns einfach überraschen. Sich ärgern ändert auch nichts. Hauptsache wir sind alle gesund und munter.

11.03.2020: Das 8. Weltwunder

Milford Sond

Der Milford Sound – auch als das 8. Weltwunder bekannt, (Aussage unserer Kreuzfahrtsdirektorin mit einem Hang zum Spektakulären) steht heute auf dem Programm. Dieser befindet sich an der Westküste im Süden Neuseelands. Die Einfahrt in den Fjord ist um halb vier. Dieses touristische Highlight markiert auch den entferntesten Punkt unserer Reise. Luftlinie sind das um die 19‘000 Kilometer- wir stehen also Kopf.
Endlose Stunden gleitet das Schiff nun entlang Neuseelands Westküste zum besagten Fiordland. Jetzt wird mir auch klar, warum die Maoris das Land Aotearoa – Land der langen weissen Wolke – genannt haben. Eine solche zieht sich über die ganze Bergkette der Südalpen. Dazwischen glitzern die weissen Hänge und Gletscher der höchsten Gipfel. Der Grösste, Mount Cook mit über 3700 Meter, überragt seine Nachbarn deutlich. Gegen halb vier nähert sich die Magnifica der menschenleeren Steilküste. Von einem Fjord ist kaum etwas zu sehen. Dann nimmt der Kahn Kurs Richtung Ost und vor uns öffnet sich eine kaum zweihundert Meter breite Wasserstrasse, die sich wie eine Schlange, zwischen die Granitwände links und rechts zwängt. Die Szenerie, die nun folgt ist wahrhaftig grandios und in Worten kaum zu beschreiben. Schroffe, senkrechte, teils bewaldete Granitfelsen. Weisse Bergspitzen, Wasserfälle die in die Tiefe stürzen ,ein tiefgrünes Meer. Nach einer halben Stunde weitet sich der enge Kanal und es öffnet sich ein von Gipfeln überragtes Becken. Das Staunen findet kein Ende. Die Kreuzfahrtdirektorin hat nicht zu viel versprochen – es ist ein Wunder der Natur. Schöner ist kaum mehr möglich. Viel zu schnell zerrinnen die Stunden. Schon ist es Zeit um Abschied zu nehmen von dieser herrlichen Landschaft, dieser Insel und dem Land. Während ich diese Zeilen schreibe, verschwindet die grandiose Bergkette allmählich im Dunst. Nun sind wir auf dem offenen Meer, Richtung Tasmanien. Bey bey Aotearoa – bye bye Neuseeland.

10.03.2020: Smartcity

Uber all

Da sich das Anlegemanöver in Wellington etwas verzögert, habe ich wieder mal Zeit in die bisher erfolgreich gemiedenen News zu schauen. Jetzt befürchte ich, dass wir im Mai in eine andere Welt zurückkehren werden, als in die, welche wir im Januar verlassen haben. Öl, Corona, Börse – das Krisengebräu schüttelt und rüttelt die Welt offensichtlich gerade kräftig durch. Auffallend – es sind weitgehend von Menschen gemachte „Krisen“. Auslöser: Irrationale Ängste, Schlamperei und Gier. Das einzige was jetzt schon klar ist, ist wer dafür bezahlt. Ja, auch du und ich und wir alle.

Unser Fatalismus rät uns zur Ruhe und so freuen wir uns heute auf unseren letzten Hafen in Neuseeland – die Hauptstadt Wellington, auch wenn es nur für ein paar Stunden ist. Auch hier sind wir alleine unterwegs.

Schnell ist klar, Wellington ist so sauber und smart, wie das übrige Neuseeland. Meine Suche nach Zigarettenstummeln blieb jedenfalls erfolglos. Auch hier landen wir erst mal im Business-Viertel.

Und selbstverständlich prangen auch hier die üblich verdächtigen Logos an den Glitzerfassaden. Banken, Versicherungen, KPMG und die versammelte Prominenz der Weltenlenker. Zum Glück ist die Stadt überschaubar und schon wenige Schritte hinter dem Regierungspalast, der einem Bienenstock nachempfunden ist, stehen wir mitten im Grünen. Dafür ist die wirklich schön gelegene City an der Cook Strait – der Meerenge zwischen Nord- und Südinsel – bekannt. Überall hat es gepflegte Parks. Auch die Waterfront ist gestylt und mit viel Kunst verstellt. Viele Coffeshops und Snackbars. Dafür kaum „vernünftige“ Einkaufsmöglichkeiten. Überall FreeWiFi, Jogger mit Bodymetern, Bordflitzer, Displaystreichler und piepsende Fussgängerampeln (ohne Ton, würden die Meisten wohl überfahren). An jeder Ecke rote eTrottis von uber.
Die Parks – wir stiegen durch einen hoch, zum alten Observatorium, sind wirklich gross und schön angelegt. Runter ging es dann mit einem Cable-Car.

Eine grandiose Natur umrahmt die Szene. In der Stadtplanung steckt viel Liebe zum Detail. Doch alles wirkt künstlich, irgendwie kalt – smart. Wellington ist wohl auf dem besten Weg zu einer der viel gepriesenen Smart-Citys zu werden. Durchgestylt, durchorganisiert, digitalisiert – jung, urban und busy. Die Co-Workingspaces sind unübersehbar und der Coffee-to-go an jeder Ecke erhältlich. Alles locker und easy.
Ob das die Zukunft vorwegnimmt? Shopping bei Amazon, Uber für den Stadtverkehr und Starbucks mit FreeWiFi für die Pause zwischendurch? Irgendwie zu „schön“ und zu geschleckt. Unsere Art zu Leben ist es nicht.
Um 14.30 geht es Richtung Südinsel – Milford Sound.

09.03.2020: Ferien in Napier

Schon in Auckland hatte ich das Gefühl, Ferien von der Weltreise zu machen. Alles ist einem vertraut – Bankomaten und Internet funktionieren, das Ordentliche und Gepützelte sticht ins Auge. Wir sind zweifellos wieder in einem Erstwelt-Land. Und ob das nicht schon genügte, legten wir heute in Napier an – einer Kleinstadt an der Ostküste im Art-Deco Stil. Ruhig, herausgeputzt und hübsch anzusehen. Häuschen in dezenten Pastelltönen, Fussgängerzone, Free WiFi, Parks, Kinderspielplätze und Stadtstrand vom Landschaftsgärtner gestaltet. Kurz: Unaufgeregt hübsch. Ferien von den Ferien. Endlich Zeit für uns, Kaffee zu zweit, kein Geschupse kein Gestosse, keine Hetze und Busnummern. Eine echte Wohltat.

PS: Tourismus in Napier

Napier ist übrigens ein hervorragendes Beispiel was man mit einem innovativen und kreativen Tourismuskonzept erreichen kann. Der Aufhänger ist ihre Architektur (Art Deco 20/30er Jahre). Dieser wird belebt mit Oldtimerfahrten, Oldtimerbussen, Dixi und Swing.

08.03.2020: Faule Eier

Nach nur 120 Seemeilen ist unser Schiff, begleitet von einem traumhaften Sonnenaufgang, in Touranga gestrandet. Touranga? Stand bis dato auf jeden Fall, nicht auf meiner Wishlist. Dank Fernsehsendungen wie „Verrückt nach Meer“ wusste ich immerhin, dass es in der Nähe Geysire gibt. Da sind wir dann hin. Aber schön der Reihe nach.
Neuseeland ist rausgeputzt. Kein Zigarettenstummel verunziert die Trottoirs. Wiesen, Mittelstreifen, ja selbst Waldränder sind rausgeputzt und mit der Nagelschere getrimmt. Der englische Rasen, als Vorbild, liegt nahe. Wer bisher also glaubte, die Schweiz wäre sauber, sollte mal einen Blick nach Neuseeland werfen.
Die Fahrt nach Rotorua, dorthin wo es sprudelt, zischt und nach faulen Eiern stinkt, ist ein Fahrt durch die neuseeländische Wirtschaftsgeographie. Erst schmucke, sehr sehr teure Ferienbungalows und Appartements entlang Tourangas wirklich schöner Uferpromenade.

Bald am Stadtrand, grosse Wiesen und Felder. Landwirtschaft im Grossmassstab. Wer nun Schafe vermutet – dafür sind die „Kiwis“ ja bekannt – muss ich enttäuschen. Kamen vor 30 Jahren noch 20 Schafe auf einen Einwohner, ist das Verhältnis heute 1 zu 1; also rund 5 Millionen, gegenüber 60 zu 3 Millionen in den 90igern. Statt määäh nun muhh in Down Under. Wolle wurde durch Synthetik und Lamm durch Rindersteak ersetzt.
Nach weiteren 20 Kilometern plötzlich endlose Kiwiplantagen. Das Exportgut Nummer eins und Namensgeber ihrer Einwohner. Auch unser Reiseleiter arbeitet in einer solchen Kiwi-Fabrik mit rund 1600 Angestellten (zur Erntezeit). Bald wird es hügelig und aus Plantagen werden dichte Tannenwälder. Bäume in Reih und Glied. Vom Setzling bis zum ausgewachsenen Baum. 190‘000 Hektar gemanagte Holzwirtschaft. Man setzt, düngt, pflegt und erntet nach 25 Jahren grossflächig. Jedes Jahr tausende Hektar. Es könnte auch Mais sein.

Entlang eines Sees erreichen wir Rotorua. Den Ort unseres Begehrens. Die Maoristadt in Aotearoa (Neuseeland in Maorisch) schlechthin. Vor einem grossen Besucherzentrum machen wir Halt. Dass es hier Schwefel spukt, riecht man schnell – faule Eier.
Eine lokale Parkführerin, Carla, eine Maori, übernimmt. Erst mal soll’s zu den richtigen Kiwis gehen – den flugunfähigen, vom Aussterben bedrohten Vögeln. Schnell entpuppt sich dieser Abstecher als grenzwertig. In Einerkolonne geht’s durch eine abgedunkelt Voliere, worin sich zwei dieser seltenen Hühnervögel befinden. Sie haben tatsächlich die Grösse eines Haushuhns. Dafür aber einen langen spitzen Schnabel. Wegen dem gedimmten Lichts, sind sie kaum zu sehen. Fünf Sekunden später blendet uns die Sonne wieder. Ein Foto gibt es nicht. Fotografieren bei hoher Strafe, strengstens verboten. Erst rottet der Mensch die Tiere aus und wenn es schon bald zu spät ist, greift er zu drastischen Massnahmen. Echt crazy!

Der anschliessende Hotspot mit Geysir und Schwefeldampf mag für Neulinge spektakulär sein. Uns erschien er wie die Spielzeugausgabe des Yellowstone. Das anschliessende Mittagessen überraschte dann positiv. Trotz Massenabfertigung exzellent. Leider nur viel zu viel.
Die nachfolgende Maori Folklore machte mich dann eher nachdenklich. Wunderschöner Gesang und eindrucksvolle Tänze. Einfach tragisch haben „wir“ diese Kultur weitgehend zerstört. Dass wir nicht ganz in der Melancholie versunken sind, ist einzig Carla zu verdanken. Die Maoris wären eben „Made in China“ das wäre im Nacken tätowiert und statt Kiwis, jagten sie jetzt Mc Donalds. (Genanalysen haben ergeben, dass die Polynesier ursprünglich aus Taiwan kamen.)
Die Rückfahrt durch abwechslungsreiche Landschaften – mal Jura, mal Florida, mal Schwarzwald usw. hat uns dann versöhnt. Neuseeland ist wirklich ein wunderschönes Land. Als uns der Guide aber noch die Schattenseiten aufzählte, wie hohe Selbstmordrate, wenig Arbeit, Alkohol und Gewalt (Maori-Gangs) und das ständige Rütteln und Schütteln der Erdbeben, bestiegen wir das Schiff mit einem Sack voller Eindrücke zum Nachdenken.

07.03.2020: Bei den Kiwis in Auckland

Der Pazifik ist in der Tat sehr gross. Mit kleinen Unterbrüchen waren wir 19 Tage, seit unserer Abfahrt am 16.2 in Lima, unterwegs. Dank Autopilot, Satellitentechnik und Kapitän Leotta haben wir die Kiwis aber gefunden. Pünktlich um sieben Uhr fuhren wir in den Hafen von Auckland und bereits um acht sassen wir im Bus Richtung Queensstreet – Neuseelands erster Adresse.
Gaby, die Deutsche Reiseleiterin fütterte uns erst mal mit Fakten. 1,7 Millionen Einwohner. D. h. 1/3 der Gesamtbevölkerung von knapp 5‘000‘000. Weshalb allerdings alle Stadtführer dieser Welt die Häuserpreise hervorstreichen müssen, hat sich mir noch nicht erschlossen.
Nach kurzer Fahrt durch die hübsche, sehr europäisch wirkende Stadt mit den üblichen Glaspalästen der „Masters of Universe“ von Deloitte bis pwc, erreichten wir einen der 57 Vulkanhügel, auf dem die Stadt gebaut ist. Die Auckland Domain, 75 Hektar gross, mit einem imposanten Museum zuoberst. Dieses besuchten wir.

Drinnen viel Maori, Naturkunde, Dinos und Vulkane. Wir zogen es dann vor, etwas durch den Park zu streifen. Ebenso, als noch der botanische Garten nebenan auf dem Programm stand. So genossen wir zwei Stunden an der Sonne, bei angenehmen Temperaturen, in idyllischer Parklandschaft und Blick auf Downtown und Hafen. Der Abschluss bildete ein toller Viewpoint etwas ausserhalb der Stadt mit Blick auf den Rangitoto, den einzigen noch aktiven Vulkan der Stadt.
Auckland wirkt sehr aufgeräumt und britisch. Auch wenn 40% der Einwohner Maoris, Asiaten oder Polynesier sind, spürt man wenig davon in den Strassen. Hier haben die Europäer ihre Fussstapfen fest ins Lavagestein gedrückt. Im Park wurde Cricket gespielt und im Pavillon christliches Liedgut verbreitet.
Aukland bietet zweifellos eine hohe Lebensqualität und ist herrlich am Wasser gelegen. BBB ist denn auch ihr Leitspruch (Boat, Beach und BBQ). Jeder 3te soll ein Segelboot besitzen. Man glaubt es sofort, beim Blick auf die Bucht.

06.03.2020: Der Kreuzfahrer

Schon immer war das Schiff der Inbegriff des Reisens, Entdeckens und des Fernwehs – ja die Welt an sich. Auf und mit ihnen wurde sie entdeckt, erobert und erschlossen. Ohne Schiffe – kein Handel, kein Erdöl, keine Bananen und erst recht keine Handys aus China. Das Schiff ist einer der Pfeiler, auf dem unsere Welt erbaut wurde.
Entdecken und Erobern gehören wohl zu den stärksten Triebkräften der Menschheitsgeschichte. Daher wohl auch unser Drang zum Kreuzfahren (oder allgemein zum Reisen).
Backpacker, Individuallisten und Abenteuerurlauber mögen darüber die Nase rümpfen. In 30 oder 40 Jahren lassen sie vermutlich die Kassen der Reedereien klingeln.
Aber darüber wollte ich eigentlich gar nicht schreiben.

Die Frage welche mich beschäftigt ist vielmehr: Was motiviert den Kreuzfahrer heute, eine solche Reise zu machen?

Aus den zahlreichen Gesprächen an Bord, aber auch vielen Beobachtungen, ergeben sich wohl so viele individuelle Gründe, wie Menschen an Bord.

Ein Grundmotiv jedoch dürfte alle anderen übertreffen – Fantasielosigkeit. Daher wohl auch die Daueranimation auf den Decks. Das Dailyprogramm quillt mit „Action“ über. Bingo ist nur das plakativste der vielen Angebote, über die sich Comedians jeweils lustig machen. Es ist erschreckend zu beobachten, wie wenig viele Passagiere mit sich und ihrer Zeit anzufangen wissen. Es überwiegt eindeutig die Konsumhaltung und die Erwartung, dass etwas geboten wird. Vom Bingo, zum Rätselraten zum Landausflug und vom Frühstück bis zum Abendessen dominiert die Frage: „What Next?“ Entsprechend gross der Frust, wenn eine Erwartung nicht erfüllt wird. Dreijährige vor der Ladenkasse, denen Süssigkeiten verweigert werden, quengeln kaum lauter. Den Vogel abgeschossen hat ein Schweizer Passagier auf Cook Island, mit der Bemerkung: „Die haben es wohl nicht nötig“ – weil die Geschäfte am Sonntag geschlossen waren.
Es ja auch ein unglaublicher Affront, das sauer verdiente Geld der „fetten“ Europäer zu verschmähen und eine bodenlose Frechheit obendrein.

05.03.2020: Begegnungen

Heute ist um 16 Uhr ein Treffen der Weltreiseblogger in der Ruby Bar angesagt. Ich wusste gar nicht, dass diese auch einen „Verein“ haben. Ob ich da wohl als Mitglied aufgenommen werde? Vielleicht finde ich ja ein paar Blogs bzw. Blogger zur Inspiration. Ich bin mal gespannt. Es ist nie falsch von anderen zu lernen.

Begegnungen und Bekanntschaften sind auf einer solchen Reise sozusagen Teil davon. Seien es die Tisch-, Kabinen, Theater-, Bar- oder Tenderbootnachbarn, man begegnet fast täglich neuen Menschen. Bei manchen ist man froh, wenn sie gehen, mit andern entwickeln sich spannende Gespräche und mit einigen pflegen wir auch schon regelmässigen Kontakt.
So z. B. mit zwei Damen aus Österreich , die uns gerne Kärnten zeigen möchten. Die Kabinennachbarn aus Glarus und einer Ferienwohnung in Brasilien . Das Paar, welches schon das zweite Mal um die Welt kreuzt und viel zu erzählen weiss.

Oder das Paar aus Berlin welches bei der DB arbeitet, der pensionierte IT-Berater mit Wohnsitz Spanien und natürlich alle von Tisch 710. Dazu die unzähligen Zufallsbegegnungen in Tenderbooten, Bussen und am Buffet.
Ein bunter Reigen, der uns auch viel Einblick in andere Lebensentwürfe und Schicksale gibt.
Es sind auch solche Begegnungen, die eine solche Reise prägen. Wir hoffen natürlich, dass die eine oder andere Bekanntschaft über die Reise hinaus, Bestand hat.

04.03.2020: Datumsgrenze

Heute findet nicht statt. Wir springen direkt zum 5. März. Nun sind wir 12 Stunden voraus.

03.03.2020: Eine ozeanische Nachlese

Ohne Worte

Wieder lassen wir einen Kontinent hinter uns – Ozeanien – und nähern uns Australien. In zwei Tagen fahren wir in den Hafen von Aukland in Neuseeland ein – falls der allmächtige Corona gnädig gestimmt ist. Die Hakatruppe (Maoris aus Neuseeland) an Board gibt ihr Bestes, um den Übeltäter zu vertreiben.

Heute ist auch der erste Tag der 2ten Hälfte unserer Reise und wir überqueren heute Nacht die ominöse Datumsgrenze. Will heissen: Wir springen um Mitternacht vom 3.3 direkt zum 5.3. Der 4te ist für uns gestrichen. Uhrentechnisch sind wir dann einfach 12 Stunden voraus und nicht mehr 12 hinterher. Bis Genua ist es wieder . Bisserl komblizierd, aber logisch (falls man die Erde als Kugel akzeptiert -;).

Nach zwei Wochen Wasser um und unter uns, ahnen wir nun auch, was es bedeutet, dass die Kugel mit 71% Wasser bedeckt ist – tagelang nix als Wasser am Horizont.Ich frage mich jetzt noch, wie man ohne GPS da was finden kann.

Das kleine Interview am Strand von Rarotonga hat mich noch bis tief in die Nacht beschäftigt. Ebenso die vielen Insel-Begegnungen, welche bisher unerwähnt blieben. Was bleibt eigentlich hängen, von einer solchen Monsterreise? Wir haben „erst“ die Hälfte geschafft und brauchen die Seetage dringend, um uns zu erholen. Unsere Festplatten müssen dringend erweitert und defragmentiert werden.

Poynesien – von Rapa Nui bis Cook Island. Auch das eine Reise durch die europäische Eroberungsgeschichte. Spanien (Osterinsel) – Frankreich (Tahiti) und England (Cook Island) teilten sich den Kuchen unter sich auf. Bis heute sind diese Staaten am Tropf ihrer (einstigen) Eroberer. Die polynesischen Kultur ist bestenfalls noch Touristenattraktion- im Alltag dominiert der ungesunde westliche Lebensstil (Fertigmahlzeiten, süss und fettig) und die christlichen Seelenfänger finden dankbare Seelen. Die Tempeldichte scheint oft höher, als die Anzahl Einwohner.

Ohne die Vergangenheit dieser Inselstämme zu idealisieren – als die Europäer, wie Cook und Co. im 18ten Jahrhundert erstmals vor diesen Eilanden ankerten, lebten diese (entwicklungs-historisch gesehen) noch in der Steinzeit. Kein Wunder brachen diese Gesellschaften angesichts der technologisch massiven Überlegenheit der Europäer, rasch in sich zusammen. Dass wir ihnen aber auch noch ihre „Götter“ austreiben mussten, ist allein unserer masslosen Arroganz geschuldet. Dafür gibt es keine Entschuldigung.

Ich habe drei Dinge gelernt:

  • Wir zerstören, was wir lieben (den Südseetraum, wie auch die Korallenriffs im Ozean)
  • Macht (haben) heisst Verantwortung (tragen) – gerade auch gegenüber den Schwächeren
  • Die Erde ist zu einzigartig und schön um sie den Verantwortungslosen zu überlassen.

02.03.2020: Ein Abschied in Wehmut

Rarotonga – Perle der Südsee

Wir haben die Gunst der Stunde (zwei, statt einen Tag auf Rarotonga) genutzt um die kleine Insel besser kennen zu lernen. Der öffentliche Bus schien uns dazu das beste Mittel. Es gibt zwei davon. Diese umrunden die Insel in jeweils 50 Minuten. Einer clockwise der Andere anti-clockwise. Das Warten im Bushäuschen bei brütender Hitze gaben wir aber auf, nachdem der Bus mit 20-minütiger Verspätung und völlig überfüllt vorbeifuhr. Der Chauffeur rief zwar, in 2 Minuten käme der nächste. Nach weiteren zehn Minuten schwitzen gaben wir aber auf und gingen ein Velo mieten. Da die Ringstrasse entlang der Küste (es gibt eigentlich nur diese) völlig flach verläuft, das ideale Transportmittel. An den Linksverkehr gewöhnt man sich rasch, zumal man nirgendwo abzweigen muss. Ausserdem gilt auf der ganzen Insel Tempo 50 und wirklich eilig hat es hier niemand.
Der Fahrtwind ist angenehm aber kühlt nicht wirklich. So machten wir nach ein paar Kilometern halt und stellten die Räder an eine Hecke am Strassenrand.

Hinter einem Palmenhain brandete der Ozean ans Riff und eine ruhige Lagune lud zum Baden ein. Wir waren völlig allein. D h. nicht ganz. In Rufdistanz planschte eine Polynesierin in ihren Kleidern im Wasser. Sie winkte uns zu. Wir sollten doch besser bei ihr ins Wasser, es hätte da mehr Sand und weniger Steine. Wo sie denn herkäme – ach gleich da hinter den Palmen – in einem einfachen Bungalow, sie mache gerade die Wäsche. Sie liess ihre Kleider an und machte sich weiter an der Wäscheleine zu schaffen. Über die pazifische Badewanne brauch ich nicht mehr viel zu sagen: herrlich ist untertrieben. Doch was können schon Worte…
Nach einer Weile tauchte ein Rudel Hunde auf und tollten im Wasser. Offensichtlich fischen diese da regelmässig. Wie in Südamerika sind diese total friedlich und zutraulich, obwohl wahrscheinlich Strassenhunde. Nach dem Besuch einer Schottin, deren Englisch ich erst als Cookinesisch interpretiert habe – eine Urlauberin, die mir ihr halbes Leben offenbarte – spürten wir den Sonnenbrand und verliessen das Paradies.

Nach weiteren Kilometern, in etwa der Hälfte der Insel machten wir Halt um aufzutanken. An einem der vielen kleinen Stores mit Sitzgelegenheit unter Palmen, füllten wir unsere Tanks mit Wasser. Die Sonne brennt wirklich unbarmherzig, senkrecht vom Himmel. Zeit für die Rückkehr. Bald bogen wir ab in den Inner-Circle durch die Dörfer und erreichten nach knapp einer Stunde wieder unseren Biker-Shop.
Ein absolut perfekter Tag, fernab der Touristenhorden. Die Insel ist eine echte Perle in der Südsee. Schade liegt sie am Ende der Welt. Herrliche Landschaft, exotische Vegetation, friedliche, unaufgeregte Menschen. Einzig die Mormonenjünger mit Namensschild (das sie als Jünger Jesu aus Utah outete) passten schlecht in die Idylle. Diese missionieren offensichtlich wie blöd, obwohl die Insel schon übersäht ist mit Tempeln und Kirchen jeglicher Couleur. Nebst Südamerika meinen die Evangelikalen auch Ozeanien vom Teufel befreien zu müssen.

Vor dem zurücktendern dann noch ein kleines Interview mit dem lokalen TV – Thema woher, wohin und wie gefällt ihnen die Insel. Ich werde nun also Fernsehstar am andern Ende der Welt. Ich hatte natürlich nur Superlativen für das Inselchen übrig….
So nehmen wir mit Wehmut Abschied von Ozeanien und treten die 2. Hälfte der Reise an. Authorea (Neuseeland) und Australien rufen.

01.03.2020: 50% Cook Island

Kia Orana

Noch sind die Cook Inseln nicht ganz „verloren“. Ob es eine Schiffsente, ein Hörversagen oder eine Fehlinformation oder Interpretation war, lässt sich nicht sagen – aber in wenigen Stunden lässt uns Rarotonga auf Cook Island doch an Land. Nur das kleine Atoll Aitutaki, welches wir morgen anlaufen sollten, hat den Zutritt untersagt. Die Inselregierung des Mini-Atolls will wohl jedes Risiko ausschliessen oder einfach zeigen, wer das Sagen auf ihrer Insel hat. Wie auch immer – damit lässt sich leben.
Was lernen wir daraus? Hören ist nicht gleich Verstehen und Ängste sind global.
Reisen bildet, sagt man. Mein Learning daraus: „Man isst die Suppe selten so heiss, wie sie gekocht wird.“ Umso mehr freuen wir uns jetzt auf zwei Tage Rarotonga.

Südseefeeling

Die Südsee gibt es tatsächlich. Also die, die wir auch als Poster an die Wand hängen. Cook Island existiert real. Die hübsche, grüne Insel mit gezackten Bergen ähnelt Tahiti, ist aber deutlich kleiner. In einer halben Stunde ist sie umrundet. Im Gegensatz zu Tahiti umgibt ein Riff die Vulkaninsel und schafft damit ruhige, seichte Lagunen. In diesen wollen wir heute endlich baden.
Am Steg empfängt uns aber erstmal ein heftiger Regenguss, den es so nur in den Tropen gibt. Es giesst wie aus Kübeln. Allerdings seichwarm, wie eine erfrischende Gartendusche. Die Inselbewohner stören sich offensichtlich nicht daran – sie fahren Rad, Töff und beschleunigen nicht mal die Schritte. Zehn Minuten später ist auch klar warum. Die Sonne scheint und die warme Luft lässt innert Minuten alles trocknen. Dafür schwitzt man jetzt…Nach ein paar Hundert Metern ein weiterer Guss. Wir „flüchten“ in ein Restaurant und geniessen Eiskaffee und tropische Säfte.

Bald ist auch diese Dusche vorbei und wir ziehen weiter. Es ist Sonntag und kaum wer auf der Strasse. Nach rund einem Kilometer ein Schild – Beach. Genau da wollen wir hin.
Der präsentiert sich als schmaler Sandstreifen. Vielleicht 100 Meter weiter draussen donnert der Pazifik ans Riff und schwappt in die Lagune. Trotz dieser Bremse erreichen die Wellen noch eindrückliche Masse und schwappen ans Ufer. Nix wie raus aus den Klamotten und rein in die Fluten. Das Wasser ist herrlich. Perfekte 28 Grad. Wir sind allein hier. Nur alle 100 bis 200 Meter sieht man andere ins Wasser steigen. An das kann man sich sofort gewöhnen. Morgen gehen wir früher raus. Das Südseeinselfeeling hat uns voll erwischt.

29.02.2020: Pazifische Grippe

Das Thema Pest, Cholera, Corona und andere tödlichen Seuchen erreicht selbst ein Schiff draussen im Pazifik. Kein Wunder, wenn ganze Schiffe in unter Quarantäne gestellt werden und der Rest der Welt Raviolibüchsen hortet.
Nun also auch wir. D. h. die Coronahysterie ist an Bord. Gestern wurde der Folkloregruppe aus Tahiti (einer DER Seuchenherde des COV19, mit Null Infizierten und noch weniger Toten) der Zutritt verweigert, weil ein Tänzer etwas erhöhte Temperatur hatte. Also wurde die Show gestrichen. Dafür gab es einen Merkzettel auf die Kabine. Massnahmen der MSC gegen Seuchen und Corona – sprich: Händewaschen, Husten in den Ellbogen und kein Zutritt mehr für Chinesen und Italiener. Noch blöd, für ein italienisches Boot. Ok – nur für solche aus dem Coronahotspot – die Chinesen aber müssen draussen bleiben.
Währenddessen sniffen, husten und choddern die Passagiere munter vor sich hin. Antibiotika wird gleich palettenweise verschrieben. Auch mir. Ich war heiser und wollte etwas für den Hals. Ich kam mit einem Sack voller Medikamente aus dem Medical-Center zurück. Ein Schiff ist eben ein Bakterienbiotop. 3500 Menschen – während Wochen auf engstem Raum, Klimaanlage und alle 3 Tage eine andere Klimazone. Quasi ein Paradies für Bazillen und Ungeziefer aller Art. Nun droht der Kapitän gründliche Tiefenreinigung an.

Ein Virus eskaliert

Pest und Cholera aus Europa – Cook Island ist gestrichen – Coronaalarm!

Die Panik und die Willkür der Behörden, welche beweisen müssen, dass sie ihre Untertanen schützen, hat jetzt voll zugeschlagen. Nix Südseefeeling, nix Badewanne, keine türkisblaue Lagune – Cook Island lässt uns nicht an Land!
Auch wenn wir dem Coronakäfer in den letzten zwei Monaten nie näher als 5000 Kilometer kamen – oder gar. 6000 -, meinen die Authorities des Eilandes, wir wären das Lazarettschiff, welches die Pest aus Europa einschleppt. Statt zwei Tage Südseefeeling, also zwei Tage Däumchen drehen vor dem Korallenriff.
Nun gilt erst recht:

„Verstand“, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. (in Abwandlung eines Gebetes)

Wir setzen auf die Vernunft. Immerhin haben wir noch die Hälfte der Reise vor uns. Leider macht der Verstand gerade Urlaub.

28.02.2020: Ins grüne Herz Tahitis

Mitten in den Dschungel

Und erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Eigentlich hatten wir heute die Westküste mit den weissen Sandstränden im Auge. Nach mehreren Gesprächen mit Kennern der Südsee, entschieden wir uns um. Blaue Lagunen, Sandstrände und Palmen gibt es auf Cook Island noch im Überfluss. Diese laufen wir Übermorgen an.
Am Hafenausgang suchte ein Passagier noch 4 Mitreisende für eine Safari mit dem Jeep, quer durch die Insel. Genau das, was mir, seit wir die Insel gestern anfuhren, vorschwebte. Ein in die Jahre gekommener, zerbeulter Jeep mit offener Ladebrücke wartete schon. Kosten 50$ – gebongt! Und schon geht’s los. Patrick, der Chauffeur und Guide, ein ausgewanderter Pariser, drückt mächtig aufs Gaspedal. Bald waren wir aus der Stadt und er bog ab in ein schmales Tal mit Holperpiste Richtung grünes Herz der Insel.
Es folgten nun 4 Stunden Botanikunterricht, Metrologie, Klima, Geographie und Plattentektonik sowie zahlreiche Inselanekdoten von Patrick.

Bäche queren die Strasse, Schlagloch reiht sich an Schlagloch. Aus den teils senkrechten Bergflanken ergiessen sich unzählige Wasserfälle und füllen einen kleinen Fluss. Hier regnet es im Jahr bis zu 9 Meter (10 mal mehr als bei uns). Tahitis erloschener Vulkan, in dessen Caldera (eingefallener Krater) wir stehen, liegt quasi im Zentrum der pazifischen Platte. Ringsum auf tausende Kilometer nur (warmes) Wasser. Dieses verdampft und kondensiert hier an den über 2000 Meter hohen Berggipfeln und schüttet sich aus.
Das Klima und der Lavaboden lässt schlicht alles gedeihen. Der Dschungel ist so dicht, dass es kein Durchkommen gibt. Die Vielfalt bringt uns zum Staunen. Amazonas mitten im Pazifik- einfach ohne Anakondas und Piranhas. Viel zu schnell ist die Zeit um. Mit einem grossen Rucksack voll neuem Wissen, kehren wir aufs Schiff zurück. Die Tour war jeden Cent wert.
Next Stop Rarotonga, Cook Island am 1. März – also am Sonntag.

27.02.2020: Papeete by Night

Gestern Abend gingen wir nochmals nach draussen. Egal ob Tag oder Nacht, es ist immer gleich warm. Zwischen Hafen und Stadtzentrum ein riesiger, mit Palmen umsäumter Platz. Hier fuhren nach Ladenschluss (der ist hier um 16:30) kleine Transporter mit „Fressständen“ auf, bestuhlten den Platz und begannen zu brutzeln und zu braten. Von der Crêpes bis zur Schweinelende, bis zu den diversen asiatischen Reis- und Nudelgerichten, war alles vertreten. In einem gedeckten Pavillon spielte eine lokale Musikgruppe Südseeballaden. Junge Familien mit Kindern, Obdachlose und Kreuzfahrttouristen bildeten das Publikum. The dreams comes true…

Wir entschieden uns für einen der vielen Chinesen. Diese dominieren auf der Insel nicht nur die Foodszene, auch der Markt und Einkaufsläden sind fest in chinesischer Hand. 20% der Inselbewohner stammen von da.

Ein toller, friedlicher Abend mit exotischen Klängen.

27.02.2020: Tahiti

Empfangskomitee

Papeete – Tahiti – Südsee. Sandstrände, türkisblaue Lagunen, Palmen, Blumenkränze, schöne Menschen, sanfte Musik und Hula. Wie kaum ein anderer Ort dieser Welt vereinigen die Trauminseln der Südsee so viele Sehnsüchte und Träume. Sei es Hintergrundbild auf dem Laptop oder Poster an der Wand, jeder kennt diese Bilder und träumt vom süssen Nichtstun am Palmenstrand. Nur blöd, dass es am anderen Ende der Welt liegt. Vielleicht ist aber gerade diese „Unerrreichbarkeit“ ihr Reiz und ihr Geheimnis.
Seit heute Morgen um acht liegen wir jetzt im Hafen von Papeete, der Hauptstadt Französisch Polynesiens. Das Stadtzentrum direkt vor unserem Bullauge. Also nix wie raus. Der Bilderbuchempfang mit Blumenmädchen, Hula und Südseeklängen ist nicht überraschend, bringt uns aber in sofortige Südseestimmung.

Einhundert Schritte und wir stehen im Stadtzentrum. Dreihundert und wir sind im Markt. Alles wirkt sanft, friedlich und vertraut. Frankreich hat hier ganze Arbeit geleistet. Es ist alles da. Banken, Läden, Büros, Cafés, Imbissbuden… als wäre man an der Côte d‘ Azur. Nur die Menschen sind anders, bunter und freundlicher. Kein Gehupe, kein Gedränge. Bereits jetzt sind es gefühlte 30 Grad. Der Schweiss läuft in Strömen. Das sind wohl die berühmten Tropen.
Wir decken uns erstmal mit XPF ein, dem Pazifik-Franc und gehen auf Einkaufsbummel. Bunte Stoffe, Kleider, Shirts, Perlen en gros. Preise wie erwartet auf Sankt Moritzer Niveau – aber hier ist man ja nur einmal.
Um 12 beginnt die Inseltour. Die spitzen Berge hinter der Stadt winken uns zu. Um diese zu erklimmen (bis 2200 m hoch) reicht die Zeit wohl nicht. Aber wir können sie umrunden. Der Durchmesser der Hauptinsel ist mit 30 km überschaubar. Der Ausflug an die Westküste zu den touristischen Hotspots, oder was die Agentur dafür hält, führt über die einzige, schmale Uferstrasse der Insel. Schnell geht anders. Dafür bekommen wir einen Eindruck, wie hier gewohnt und gelebt wird. Links und Rechts einfache Bungalows auf einem schmalen Streifen. Oft kaum 100 Meter breit, reihen sich die flachen Bauten entlang der Strasse. Dahinter wuchten sich die steilen, fast senkrechten Flanken der Inselvulkane. Dichtes Grün, Palmen, Gummibäume, Bananenstauden, Lianen, Büsche und allerlei unbekanntes Kraut bedecken die Insel lückenlos. Der perfekte Dschungel. Aus tief eingegrabenen Tälern entleert sich das Wasser aus dem Inselinneren in den Pazifik. Wasserfälle schimmern durch das grüne Blätterdach. Pünktlich um zwei der obligate Tropenregen. Dichte Wolken verdecken die Sicht auf die Bergspitzen und das lauwarme Wasser vom Himmel ist eine Wohltat. Obwohl es kaum „abkühlt“. Es wird nun einfach noch schwüler. Nach einer Stunde hellt es auf –

In den nassen Blättern der Gummibäume glitzert die Sonne.
Wir bewundern einen imposanten Wasserfall von 100 Meter Höhe, ein pfeifendes und. röchelndes Loch am Strand (von den Wellen erzeugt), bestaunen die Surfer, welche auf die perfekte Welle warten und natürlich darf zum Schluss James Cook auch nicht fehlen. Wir baden die Füsse in der grossen Badewanne (so ca 28 Grad) und geniessen die Aussicht von einem Hügel. Weisse Sandstrände sucht man hier an der Ostküste vergebens. Der ist schwarz und meistens ist das Ufer aus schroffem Lavagestein. Wer Traumstrände sucht muss woanders suchen. Dafür ist hier ein Surferparadies. Morgen gehen wir auf eine private Erkundigungstour.

Paradiese machen wir

Wie alle Traumorte lebt auch Tahiti von den unerfüllten Sehnsüchten und den Defiziten im Leben der Menschen. Die Tourismusbranche aber natürlich auch die Besucher, welche diese exklusiven Orte besucht haben, basteln an den Legenden dieser magischen Plätze.
Doch solche Fassaden sind zerbrechlich.

Tahiti hat trotz boomendem Tourismus 25% Arbeitslose. Man sieht auch im Zentrum von Papeete Dutzende Obdachlose auf und unter Parkbänken liegen. Bis 1996 hat Frankreich Atombomben quasi vor der Haustüre getestet. Die riesigen Kasernen stehen heute praktisch leer. Die ihrer Kultur beraubten Inselbewohner sind auch dankbare Opfer allerlei christlicher Sekten. Ob Adventisten, Mormonen oder Zeugen Jehovas – alle sammeln sie die verlorenen Seelen.
Paradiese sind nur solange Paradiese, wie sie Träume bleiben. Es liegt an uns, den Traum, trotz den Schatten, zu bewahren.

26.02.2020: Archetypen und andere Treibhäuser

Wer eine Reise auf einem Kreuzfahrtschiff bucht, zumal eine so lange, wird Teil eines eigenen Mikrokosmos, der wie ein Brennglas die Eigenheiten seiner Bewohner bündelt. Einzig die Hunde fehlen, über deren Häufchen und ihre Herrchen man sich nerven kann.
Ähnlich dem Militärdienst in der Kaserne befindet man sich in einer Zwangsgemeinschaft, aus der es, zumindest an Seetagen, kein Entrinnen gibt.
Unter dieser Käseglocke entwickelt sich ein Treibhausklima, welches ohne Unterschied, alles zum wuchern und gedeihen bringt.
Man kann sich über die „Liegestuhl mit dem Handtuch Reservierer“ (ja, die gibt es – es ist keine Legende) oder die Buffetvordrängler natürlich masslos ärgern. Bringt aber nichts, diese ändern sich deswegen nicht. Die bessere und lehrreichere Strategie ist es zu beobachten, zu schmunzeln und sich ein ruhiges Plätzchen zu suchen. Unseres ist am Heck unter dem Sonnendach.

Spannend, wieviele Archetypen man auf so engem Raum trifft. Uderzo und Goscinny müssen eine Kreuzfahrt gemacht haben, bevor sie Asterix und Obelix schufen. Jeden Morgen sitzt nämlich Majestix am Nebentisch beim Frühstück. Seine Schildträger hat er zum Teufel geschickt, bzw. zum servieren. Auch Obelix schlurft regelmässig ans Buffet und achtet mittels Bergen aus Pasta, auf seine Linie. Nur welche der vielen Falbalas er als Vorlage genommen hat, ist uns noch nicht ganz klar. Ebenfalls streiten wir noch über den Troubadix. Ursi meint der wäre zu gross.
Natürlich findet man auch Vorlagen und Blaupausen aus Leben und Literatur. Von der einsamen Witwe , über Heidis Frau Rottenmeier, Don Juan, Alpenchalb, eitler Geck, schmuddeliger Duschallergiker , Marathonläufer*innen, Besserwisser und und und, fehlt nichts an Board. Was die Anderen über uns Deckwanderer und Heckhocker denken, liest sich vielleicht in einem anderen Blog. Wahrlich ein Potpourri der menschlichen Spezies.

25.02.2020: Alles fliesst

Im Flow

Im Flow gleiten die Gedanken wie das Schiff über das weite Meer dahin. So lassen wir die Welt, Welt sein und lassen uns treiben. Wir sitzen am Heck und geniessen das Rauschen des Wassers und die Wärme der Südsee. Wir füllen unsere Batterie für die 2te Hälfte unserer grossen Reise. Bereits am Sonntag ist es so weit. Unglaublich was wir schon erlebt haben, noch unglaublicher was noch kommt.

24.02.2020: Generation Ego

Vor 50 Jahren „Rebell“, heute Egoist

Ein Kreuzfahrtschiff muss das Paradies für Sozio-und Psychologen sein. Oder aber einfach eine einsame überbevölkerte (fahrende) Insel. Auf jeden Fall legt es die Charakterschwächen ihrer „Bewohner“ gnadenlos offen. Manchmal weit über die Fremdschamgrenze hinaus. Gestern artete die Unverschämtheit einer Passagierin in ernste Handgreiflichkeiten aus, als sie sich mehrmals vordrängelte um die beste Position für ein Foto auf die gerade dargebotene Show, zu erhaschen. Dass sie damit einem Passagier die Sicht nahm, war ihr offensichtlich scheissegal. Nach dem dritten Mal beschmiss der diese mit Flaschen, so dass die Security eingreifen musste. Oder dann der stinkreiche Aureagast (die mit Goldkarte auf Deck 16 mit Suite, welches nur diesem erlauchten Kreis zugänglich ist), der sich lauthals über die 25$ für ein Bounty-T-Shirt aufregt und von Abzocke mosert.

Und selbstverständlich kann auch die Küche einem verwöhnten Wohlstandsbürger* nichts Recht machen. Das Schweinerippchen sei so zäh, er würde es nicht mal seinem Hund vorsetzen…

Auffallend – es sind alles „Vertreter“ unserer Generation und es sind Mitteleuropäer.
In solchen Momenten träume ich tatsächlich von Pitcairn. Ich bitte vorsorglich mal Laura Clark, die Inselgouverneurin, um Asyl, schliesslich habe ich ihr heute ein T-Shirt abgekauft -:)

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24.02.2020: Bounty

Wir liegen vor Pitcairn in der Bounty-Bucht. Dort wo Christian Fletcher am 23. Januar 1790 nach seiner Meuterei auf der Bounty, zusammen mit neun Matrosen und zwei Dutzend Polynesierinnen, landete. Wer kennt diese Geschichte nicht…Marlon Brando verkörperte diese romantische Heldenfigur, im gleichnamigen Film, perfekt. Übrigens wurde Fletcher nur gerade 28 Jahre alt, bevor er 1794 auf der Insel ermordet wurde. Helden sterben jung.
Und für einmal stimmen die Bilder im Kopf mit der Realität perfekt überein. Es ist quasi die Vorlage für alle unsere Inselträume. Klein, einsam, wilde Küste, saftig grün, romantische Buchten, Bergspitzen, Palmen, Sonne, Wärme und eine Handvoll Häuschen, verstreut und versteckt zwischen Palmen, mit freier Sicht auf die Weiten des Pazifik.
Keiner der nervt (der Nachbar versteckt sich fern hinter dem Gebüsch) und die Welt und ihre Sorgen sind noch ferner. Nur zwei bis drei mal pro Jahr zeigt sich diese und ankert vor der Küste. Heute die MSC Magnifica.

Dreissig der rund 40 Bewohner setzten mit einem vollgepackten Boot über und bieten am Pooldeck ihre begehrten Souveniers an. Also T-Shirts, Magnete, Anhänger, Briefmarken, Käppis und Geschnitztes. Wer will schon ohne Erinnerung an diesen sagenumwobenen Ort, nach Hause? Niemand!
Dis ist denn auch die Ausgangslage für das nun zu beobachtende Chaos. Ein Dutzend Stände, zweieinhalbtausend Kunden – gleichzeitig natürlich.
Schlagartig wird sichtbar, was die Verknappung des Angebotes, bzw. ein Monopol bedeutet. Eine nähere Überprüfung bestätigte die Vermutung – Höchstpreise!
Aber gut so. Wir begaffen sie ja auch wie im Zoo und bei maximal. drei bis vier Schiffen pro Jahr, hält sich die Möglichkeit reich zu werden, in engen Grenzen.
Nun winken wir zum Abschied. Die 30 Insulaner haben ihr Boot bestiegen und kehren auf ihr friedliches Eiland zurück. Die Bilder im Kopf wurden bestätigt und bleiben. Das ergatterte T-Shirt trage ich mit etwas Wehmut. Good by Bounty

Nachtrag zum Nachdenken (20 Jahre alt, aber trotzdem lehrreich)

https://www.google.com/amp/s/m.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/leben-auf-pitcairn-das-sind-wirklich-arme-leute-1380957.amp.html

22./23.02.2020 Westwärts auf dem Pazifik

Ein Lob an die Crew

Unser grosses Lob und unsere Anerkennung gilt der MSC-Mannschaft, welche die 2000 Passagiere, trotz schwierigem Wetter und rauher See, sicher und kaum Zwischenfällen (ein Armbruch, eine Frau ins Wasser gefallen) an Land und wieder zurück geschifft haben. Wie wir von den Reiseleiterin erfuhren, gelingt das längst nicht allen Schiffen. Die Hälfte kapituliert angeblich .
Wie kritisch es ist auf dieser Insel anzulanden, merkt man erst, wenn man selber im Tenderboot sitzt (das sind eigentlich die Rettungsboote). Die Einfahrt zwischen spitzen, von hohen Brechern umspülten Lavatürmen, welche die Insel umgeben, ist beängstigend schmal und wohl nur Einheimischen bekannt. Wie schwarze Zähne ragten diese nur wenige Meter neben dem Boot aus der Gischt, während sich Wellenberg um Wellenberg heranschiebt. Eine wahre Meisterleistung! Da kann nicht einmal die Besserwisserei einer Innerschweizer Landratte (viel zu schnell) unseren Dank an die Mannschaft trüben.

Südseeträume

Wer eine Weltkugel betrachtet, dem wird schnell die eine blaue und weitgehend leere Fläche auf der uns abgewandten Hälfte ins Auge stechen. Eine Wasserwüste und sonst nichts. Erst mit der Lupe zeigen sich kleine Grüne Punkte in der Einöde. Daneben exotisch klingende Namen – der Pazifik – der Stille Ozean – die Südsee. Ein Ort der Stille, der Ruhe und Träume. Dort wo nicht einmal mehr Namen stehen, pflügt sich die Magnifica durch die Berge und Täler des sonst ruhigen Ozeans. Keine Wolke trübt den weiten Himmel. Bereits um sechs Uhr früh Temperaturen zum verlieben. Kein Wunder ist die Südsee ein Ort der Sehnsucht. Ewiger Sommer, das Meer eine Badewanne, üppiges Grün, Palmen, endlose Sandstrände, Hula, Blumen und wunderschöne Menschen. Das Paradies könnte nicht schöner sein.
Das Cliché existiert. Die Osterinsel gab uns eine Ahnung davon.
Dann donnert eine riesige Boing 7xx über die Insel. Eine Wahnsinnspiste von 5,2 Kilometer Länge quert die ganze Insel.

Wer verbaut so viel Beton am einsamsten Ort dieser Welt? Nur ein Irrer oder die Amerikaner natürlich. Es war die NASA. Diese baute diese Monströsität als Notlandeplatz für ihr Spaceshuttle-Programm, in den 80igern. Dafür hat Rapa Nui jetzt einen überdimensionierten Flugplatz.
Wo Nichts ist haben auch andere Gernegross ihre Duftmarken gesetzt. Als ich am gestrigen Abendtisch die französischen Tischnachbarn zu Tahiti befragte, rollten die ihre Augen. Das koste viel und zudem sei das Pack noch undankbar.
Frage: Wer hat die Franzosen gebeten, den halben Pazifik für sich zu beanspruchen? Wer hat noch in den 70iger-Jahren Atomtests auf diesen Inseln (Murora-Atoll) durchgeführt?
Auch der friedlichste Ort der Welt kann nicht in Frieden leben, wenn Staaten Grossmachtsträume hegen. Auch der Pazifik bleibt davon nicht verschont.

Hommage an eine Insel

Nein, es sind nicht die sagenumwobenen Steinköpfe, welche uns die Osterinsel in besonderer Erinnerung halten. Diese sind bestenfalls skurril und Ausdruck eines ziemlich aus dem Ruder gelaufenen Kultes. Angesichts der Isolation des Eilandes aber auch nicht verwunderlich. Wo ein Korrektiv von aussen fehlt, sind Auswüchse vorprogrammiert . Religionen neigen wohl naturgemäss zum Wahn. Die Osterinsel hat diesen sogar in Stein gemeisselt.
In besonderer Erinnerung aber wird uns ihre Lieblichkeit und Abgeschiedenheit bleiben. Ebenso der mächtige Pazifik der unaufhörlich an ihre Küsten brandet. Rapa Nui ist unser „Lummerland“.

Fast hätte uns Lummerland behalten. Die tosende Flut mit haushohen Wellen verlangte von den Bootsführern der Ausschiffungsboote (Tender) alles ab. Der Kampf zwischen Wellen und Bootscrew war wie der Ritt auf einem wilden Stier. Mit dreistündiger Verspätung hiess es dann aber: Anker lichten – Kurs West.

Here speaks the captain

Was auch immer der Anlass für den gestrigen Vortrag des Kapitäns über „Die Zukunft der Kreuzfahrt im Zeichen der Klimakrise“ war, so ist eine gewisse Verunsicherung deutlich zu spüren. Ganz offensichtlich verlangen immer mehr Passagiere Antworten auf ihre Fragen.
Die rund einstündige Präsentation widmete sich dann detailliert allen Aspekten der Umweltbelastungen durch die Kreuzfahrt. Vom Abwasser, über die Mülltrennung bis zum Einsatz umweltschonender Antriebstechniken, war alles dabei. Weshalb der Fokus auf der Betonung, man halte sich strikt an alle nationalen und internationalen Regularien und Gesetze, lag, lässt schlimmstenfalls erahnen, dass dies nicht alle tun. Sollte das nicht selbstverständlich sein?

Was jedoch sehr deutlich wurde, ist der enorme Aufwand an Technik, Organisation und Prozesse, der erforderlichen ist, um wenigsten diese Mindeststandards einzuhalten. Eine eindrückliche Darstellung eines komplexen Systems.

Wie ich verstanden habe, geht das Umweltengagement der MSC kaum über die allgemeinverbindlichen Mindeststandards hinaus. Vermutlich würde sie damit den Konkurrenzkampf gegen die Giganten der Branche verlieren. Kreuzfahrt heute ist eine Preis- und Kostenfrage. Betont werden dafür die 5 Milliarden, welche MSC in neue Schiffe mit LNG (Gas statt Schweröl) investieren. Damit reduziert sich der CO2 Ausstoss gerade mal magere 20%.

Alternativen wie, Brennstoffzellen (Wasserstoff) oder gänzlich andere Kreuzfahrtkonzepte (Sonne, Wind, kleinere Schiffe etc.) werden noch ins Reich der Fantasie verbannt.

Fazit: Es wird versucht zu retten, was noch zu retten ist (das eigene Business) und optimiert die herkömmlichen Systeme. Man macht ein komplexes System also noch komplexer.
Die Frage sei erlaubt: Wird das reichen die Kreuzschifffahrt zu retten aber vor allem um dem Klimakollaps zu entkommen?
Die aktuelle Klimakrise fordert mehr als Optimierungen – sie erfordert komplett neue Wege.

Freiheit erfahren

Die Welt bereisen heisst sie befahren. Der Vorteil dies mit dem Schiff zu tun, ist die sinnliche Erfahrung der Grösse unseres Heimatplaneten. Stunden, Tage, ja Monate gleiten wir im Gleichklang dahin – so weit das Auge reicht, nur Wasser und endloser Himmel. Verstärkt wird dieses Gefühl der Endlosigkeit noch durch die erlebte Unendlichkeit und das Wissen, unter sich tausende Meter und vor sich ebenso viele Kilometer Wasser zu haben. Nicht mal mehr andere Schiffe sind am Horizont auszumachen. Wir sind allein hier draussen. Sogar Google hat uns auf seinem Radar verloren, Mark Zuckerberg verzeichnet einen massiven Reichweitenschwund und Amazons Umsätze sausen in den Keller. Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, sang Reinhard May. Auf dem Wasser ist sie es!

21.02.2020: Rapa Nui

Hanga Roa auf Rapa Nui – besser bekannt als Osterinsel liegt in Rufweite. Eine Regenwand und heftiger Wellengang macht die Ausschiffung unmöglich. Also heisst es warten.
Selbstverständlich jammern die Berufsmismatcher (aus Gründen der Political Correctness, verzichte ich auf die Nennung der geographischen Herkunft) bereits lautstark herum und verkünden den nahenden Weltuntergang – sprich: Anlegen auf der Insel unmöglich. Immerhin haben wir schon 45 Minuten Verspätung.

Trotz heftiger Gegenwehr der Moais mit Gewitter, Platzregen und einer brachialen Brandung, haben wir es noch auf die Insel geschafft.
Dort angekommen und los auf den nächsten Hügel zum Birdman.
Aber erst mal: Es schifft in Strömen, die Vegetation alles andere wie erwartet – erinnert uns stark an Tanzania. Palmen, Bananen und üppiges Grün. Erst auf der Hügelkuppe weicht dieses Gestrüpp Gras und Stauden. Hanga Roa wirkt mit den einfach zusammengezimmerten Hütten wie ein Hippidorf in Thailand – nur die Bewohner wirken indianisch.
Die Insel ist überschaubar und die Distanzen kurz. So sind wir bereits nach 15 Minuten auf dem Ogorno. Und welch Überraschung – da oben öffnet sich der riesige Krater eines erloschenen Vulkans. 300 Meter tief, 1600 Meter breit. Leider trübt ein heftige Regenfront die Sicht und wir sind trotz Regenschutz innert Minuten klatschnass. Die obligate Hochdruckbetankung mit dem aktuellen Wissensstand der Archäologen, Anthropologen und Historiker findet zum Glück

in einem kleinen Museum unter Dach statt. Draussen tobt Hundewetter – will heissen, dieser verkriecht sich bei Androhung eines Spaziergangs, knurrend hinter den Ofen. Nicht so natürlich zahlende Touristen, die man aus halb Europa hierher karrt. Tapfer durchpflügen wir in Reih und Glied den morastigen Pfad zum Mirrador für das Highlight dieses Hotspots – die drei Vogelinseln, die man durch die Regenwand knapp erahnt, welche die todesmutigen Birdmänner einst schwimmend erreichen mussten für Ruhm, Ehre und Meck-Meck, den Inselgott. (der heisst wirklich so) Irgendwie fällt der religiösen Elite selbst im letzten Winkel dieser Erde nichts Origineles ein. Nur die Formen ändern sich.
Durchnässt besteigen wir den Kleinbus und halten Richtung Küste. Glücklicherweise lässt nun der Regen nach und wir erreichen die Versammlung steinerner Köpfe halbwegs trocken. Die Gestalten sind wirklich imposant und man fragt sich unweigerlich, warum die da wohl stehen. Viele schöne Fotos später ist auch niemand schlauer und wir fahren zurück an den Hafen.

Haben wir zu viel erwartet oder weicht einfach die Realität zu stark von den inneren Bildern ab? Oder war es einfach der Regen, der uns einen Streich gespielt hat? Obwohl, am Schluss schön ja noch die Sonne…


Auf jeden Fall fehlte uns das Mystische – doch dafür können die imposanten Kolosse nichts. In Erinnerung bleibt uns dieser Flecken Erde auf jeden Fall. Die Insel ist wirklich malerisch, abgelegen und mit einem Geheimnis umgeben. Es soll so bleiben.

17.-20.02.2020 Pazifik

Wasserwüste

Ein Kontinent liegt hinter uns

Lateinamerika liegt bereits 500 Kilometer hinter uns. Vier Wochen kreuzten wir entlang seiner Küsten von Nord nach Süd und Ost nach West. Wir besuchten fünf Länder, elf Städte und mehrere Klimazonen. Vom ersten Schritt in Salvador bis zur Abreise in Lima hat uns dieser Kontinent gefordert. Er hat uns konfrontiert mit „unserer“ Geschichte und Vergangenheit, mit dem sozialen Elend, den riesigen Unterschieden zwischen Arm und Reich, den Kulturen der Urvölker aber auch der gewaltigen Natur, der Schönheit der Landschaften, den Tieren, Farben und den herzlichen, kämpferischen, kreativen Menschen aller Rassen und Völker.
Wir haben nur an der Oberfläche gekratzt. Das genügt gerade um die Neugierde zu wecken und um mehr zu wollen. Es reicht aber, um es in den Worten zweier Passagiere zu sagen: „Unglaublich was wir diesen Völkern genommen haben und wir wissen gar nicht, welches Glück wir haben in Europa geboren zu sein.“

Bilder im Kopf

Wir alle „basteln“ uns ein Weltbild zusammen, glauben an Dinge, die wir gelernt, gehört oder gelesen haben. Mit dieser „Landkarte“ und Glaubenssätzen gehen wir durchs Leben und auch auf Reisen. Wir ordnen und vergleichen Neues mit unseren inneren Bildern und bilden uns ein Urteil. Dieses werden dann Teil unserer neuen Landkarte.

Noch selten wurde ich so oft und gründlich „enttäuscht“ wie auf dieser Reise entlang der lateinamerikanischen Küste. Enttäuscht im Sinne von: „Alles anders als gedacht.“ Mein Korrekturprogramm läuft und lief auf Hochtouren und es wird noch viel Zeit beanspruchen, all das Gesehene und Erlebte zu deuten und Lehren daraus zu ziehen.

Eine Erkenntnis aber ist bereits definitiv: Was du siehst ist immer nur ein kleiner Teil des grossen Ganzen. Dieses aber drückt sich darin aus. So ist im Schönen das Hässliche und im Hässlichen die Schönheit verborgen.

Gerüchteküche:

Das Schiff ist ein Dorf und wie in jedem Kaff, Quartier oder Wohnblock verbreiten sich Gerüchte epidemisch. Eine/r hat was gehört, falsch verstanden, interpretiert und erzählt es ausgeschmückt weiter. Befeuert wird die Gerüchteküche durch den asymmetrischen Newsstream der nur den privilegierten Internetjunkies zur Verfügung steht.

Ein äusserst dankbares ist natürlich das Coronavirus (heisst das wirklich so?) und das Kreuzfahrtschiff in Quarantäne. Zusätzlich angeheizt wird das Gebräu durch die täglichen Durchsagen, man solle um himmelsgottswillen die Hände waschen, um sich nicht anzustecken.
Top aktuell scheint nun die Meldung die Runde zu machen, wir könnten in keinem asiatischen Land mehr anlanden und es käme auch noch Polizei auf das Schiff. Die Horrormeldung breitet sich angeblich vor allem bei den asiatischen Angestellten aus, da sie befürchten, nicht mehr nach Hause zu können.

Vorläufig halten wir auf dem Pazifik aber noch stramm Kurs West.

Moai

Die Osterinsel oder besser Napa Rui, in der Sprache ihrer Bewohner, gehört wohl zu den geheimnisumwobensten Orten dieser Welt. Abgelegen und einsam mitten in der Wasserwüste des Ozeans, ist sie auf der Landkarte nur mit der Lupe zu finden. Eine rätselhafte Vergangenheit und Kultur. Genug Gründe sie unter den Schutz der UNESCO zu stellen.

Nach dem gestrigen Vortrag von Alison über die Steinköpfe (es sollen 887 sein) und den sog. Birdman (ein Gott in der Gestalt eines Vogelmenschen), sowie den wenigen noch bekannten Überbleibseln der alten Kulte, tun sich noch mehr Fragen auf. Allein die Anzahl und Grösse der Steinkolosse (angeblich bis 10 m hoch) wirft die Frage auf, wie die Bewohner es geschafft haben diese schweren Brocken über die Insel zu bewegen. Noch rätselhafter aber: „Warum dieser Aufwand?“ Einen direkten Nutzen haben die Köpfe ja nicht – also muss wohl ein Glaube und Kult dahinter stecken.

Die Parallelen zum Bau der Pyramiden oder dem Kölner Dom drängen sich deshalb automatisch auf.

Wie das gebaut wurde kann mittlerweile sowohl bei den Pyramiden als auch den Moai (so nennt man die Klötze) weitgehend beantwortet werden. Das „weshalb und warum“ bei den Pyramiden, dank der Hieroglyphen, ebenfalls. Das Rätsel der Moais aber wird wohl kaum je gelüftet werden. Also bleiben nur Vermutungen übrig.

Die entscheidende Frage stellte heute Ursi beim Frühstück: „Warum haben die Rapa Nui ihre ganze Insel für diese Steinklötze abgeholzt (um die tonnenschweren Brocken zu transportieren) und damit ihre Lebensgrundlage zerstört?“

Als Antwort genügt vielleicht ein Blick auf unser eigenes Tun.
Auch wir zerstören unsere Welt mit sehenden Augen, für eine abstruse Idee vom ewigen Wachstum.
Am Freitag wissen wir hoffentlich mehr, wenn wir von der Inseltour zurück kommen.

Mitten im Nirgendwo

Wer schon mal den Pazifik mit dem Schiff überquert hat, bekommt eine Ahnung über die Dimensionen dieser Welt. Während man sich an Land über den Reichtum an Kulturen, Landschaften, Menschen und ihre Kreativität wundert, ist es auf den Weiten des Wassers, das endlose Nichts und das sanfte Dahingleiten der Zeit.
Das Eine füllt den Becher, das Andere leert ihn.

Rechtsverkehr

Wer Zeit und Musse hat, schärft den Blick für Details. So fiel mir heute auf, wie geordnet es auf Deck 7, trotz dichtem Wanderverkehr, plötzlich zu und her geht. Herrschte anfangs noch das nackte Chaos, mit Hektik, Gerempel und Beinahezusammenstössen, so läuft es plötzlich rund. Grund ist wohl die Selbstorganisationsfähigkeit der menschlichen Spezies. Ohne Anweisungen, Wegweiser und Verkehrspolizei hat sich der Rechtsverkehr etabliert. Wohl weil die Mehrheit der Kampfwanderer ihre Erfahrung aus Kontinentaleuropa mitbringt.

Liberté, Egalité, Fraternité

Wie jede Nation, so leiden auch unsere westlichen Nachbarn unter lästigen Vorurteilen, die sie selbst mit grossem Eifer befeuern. So ihr Hang zum motzen, stänkern, streiken und protestieren. Nichts gegen vernünftige Forderungen an die Adresse der Obrigkeit. Diese dürfen sogar mal über das Ziel hinausschiessen. Was sich nun aber eine Grüppchen französischer Passagiere leistet, grenzt doch eher an eine Posse in Asterix und Obelix bei den Galliern. Sie sammeln Unterschriften, weil wir seit vier Tagen kein Internet mehr haben!


Chères amis, könnte es evtl. daran liegen, dass da oben ein Satellit fehlt oder hat es euer Präsident etwa versäumt, da einen hoch zu schicken, als er hörte, dass ihr da unten in der Einöde rumschippern wollt? Ich empfehle auf jeden Fall eine gelbe Weste zu tragen. Das hilft dem Internet euch zu finden.

16.02.2020: Pachacamac, der Vatikan der Inkas

Pachacamac – Sonnenpalast

Heute geht es raus aus dem Moloch. Um neun Uhr treffen wir auf unsere Zimmernachbarn, einem Ehepaar aus Glarus, beim Shuttle-Bus. Mit einem Taxi soll es raus gehen zu irgendeinem Inkagott. Erst quer durch die Favela von Calliao, dann auf die Uferstrasse Richtung Süden. Die Stadt scheint nicht enden zu wollen. Nobelquartier wechselt sich ab mit Bruchbuden. Nach rund eineinhalb Stunden lichten sich die Häuser. Rechts eine Schwemmlandschaft unter Naturschutz, links Sand. Die Behausungen ziehen sich allmählich auf die Hügel im Hintergrund zurück. Ein Wegweiser, eine Ausfahrt und wir stehen auf einem staubigen Parkplatz. Ringsum Sand und Felsen in braun. Entlang der Westküste Südamerikas ist es meist neblig oder zumindest diesig. Wo der kalte Humboldstrom auf heisses Land trifft, kondensiert das Wasser und bildet eine Nebelwand, die sich landeinwärts rasch auflöst. Die Atacama zieht sich von Chile quer durch Peru und endet erst an der Grenze zu Equador. So ist also die Sicht

meist begrenzt und man erahnt höchstens, was einen erwartet. Auch jetzt. Am Horizont zeichnen sich Umrisse einer Art Burg ab.
Aber erst mal anstehen und Tickets kaufen. Es ist ein Museum auf historischem Grund, wo seit Jahrzehnten gegraben wird. Die Sandburg am Horizont ist der Sonnenpalast von Pachacamac. Wir befinden uns hier, so teilt uns Carmen, die junge Museumsführerin, mit, sozusagen im Vatikan der Inkas. Sein Sonnenpalast auf dem Hügel war von einer ganzen Stadt mit Strassen, Tempeln und Häusern umgeben, die teils ausgegraben, teils noch unter Sand sind. In einer rund 2-stündigen Führung erzählt sie uns geduldig, in astreinem Spanisch über die Inkas, deren Götter, ihre Vorfahren ( die Stadt wurde schon vor rund 3000 Jahren gegründet), ihre Rituale und was nach Pizzaro, der sich ausschliesslich für Gold interessierte, geschah. Höchst spannend und lehrreich. Geschichtsunterricht kompakt in Höchstdosis.

Cuzco und Machu Pichu kennt jeder Perureisende. Pachacamac nur die „Eingeweihten“. Eindrucksvoll sind wohl beide.
Wir haben 60$ schon weit dümmer ausgegeben. Ohne diese Tour wäre unser Perubild recht einseitig und zwiespältig ausgefallen. Pachacamac gab uns Einblick in eine uns fremde und grosse Hochkultur auf diesem Kontinent. Allemal ein Grund mehr darüber zu erfahren und wieder zu kommen.
Ein herzliches Dankeschön an Carmen, die uns alles geduldig erklärt hat.

Heute geht es hinaus auf die grosse Überquerung des Pazifik. Vier Tage bis wir die Osterinsel anlaufen. Vier Tage nur Wasser am Horizont und vier Tage Ruhe vor mir. Das Internet hat den Weg doch noch nicht in die letzte Einöde gefunden.

15.02.2020: Lima, Peru

Pazifikküste

Lima? Muss das sein? Niemand mit denen ich sprach, hat sich bisher begeistert gezeigt. Für die einen gefährlich, den anderen zu spanisch – ein Moloch eben. Wir hocken im Bus und fahren mal los.Es geht ins Stadtzentrum.
Peru soll wunderbar sein. Altiplano, Cuzco, Nazca-Linien, Machu Pichu, Titikaka, Inkas – reich an Geschichte und Kultur. Dafür reicht die Zeit leider nicht. Das wäre eine eigene Reise. Wer kommt mit? -:)
Callao- Limas Hafen, wo wir an der Pier liegen – ist gelinde gesagt ein Drecksloch (sorry für den Ausdruck). Rohe, halbzerfallene Backsteinhaufen, knapp als „Häuser“ zu definieren, Schlaglöcher, Dreck, Staub und rostige Blechdächer, krumme Kandalaber. Ein abschreckendes Bild. Nun verstehe ich auch die mehrfachen Warnungen, man solle ja nicht allein in dieser Hafenstadt herumlaufen. Wobei ich auch ohne Warnung einen grossen Bogen darum herum machen würde.

Die Fahrt ins Zentrum löst auch keine Begeisterungsstürme aus. Zwar bessert sich die Bausubstanz und sporadisch taucht sogar ein intakter Block oder Glaspalast auf – diese mögen aber die Tristesse auch nicht zu überwinden. Der Plaza de San Martin (unsicher ob er auch so heisst) dann ein erster Lichtblick. Ein riesiges Rondell mit Grünanlage, Monument und klassizistischen Bauten in Azurblau. Zehn Minuten später machen wir Halt in einer Seitengasse – aussteigen. Wir reihen uns brav ein und folgen der Nummer 4 – unserer Busnummer. Wir sind auf der Plaza de Armas, dem Zentrum Limas. Der übliche Mix an Repräsentativbauten: Kathedrale, Präsidentenpalast, Bischofssitz, Regierung und ein paar Banken. Hübsch, gross, spanische Architektur aus dem 16ten bis 18ten Jahrhundert. Könnte auch in Madrid stehen.
An jeder Ecke Polizei in Vollmontur. Ein paar Kinder mit traurigem Blick, die Süssigkeiten zu verkaufen versuchen. Die einheimische Reiseleiterin spuhlt ihr Faktenwissen ab.

Weiter geht es zu Fuss in ein Dominikanerkloster – uns bleibt wirklich nichts erspart! Ich erspare euch jetzt meine Gefühle, sie unterliegen der Zensur. Das diese Besichtigung auch noch den Hauptteil der Tour ausmacht, passt ins Bild. Der Abschuss an den Strand von Miraflores, einem nobleren Stadtteil im Stile Benidorms, rettet die Tour aber auch nicht mehr. Immerhin entschädigen die riesigen Wellen an der Pazifikküste – ein Surferparadies – auf dem Weg zurück etwas für die geraubte Zeit.
Lima? Spanisch, katholisch, monumentales Zentrum. Ein paar schöne Grünanlagen. Viel Staub und Dreck. Zerfall. Viele traurige Gesichter. Es scheint als duckten sich die Menschen weg. Es ist als ob ihnen mit der Kapitulation des Sendero Luminoso (eine Widerstandsbewegung, die während Jahrzehnten gegen das System angekämpft hat) die letzte Hoffung genommen worden wäre.


Das Klima gibt auch wenig Anlass zur Freude. Meist neblig (der kalte Humboldstrom), staubig, schwül. Lima liegt in der Wüste. Regen ist unbekannt. Das mag auch den Dreck erklären.
Soll uns Peru so in Erinnerung bleiben?
Nein!
Morgen nehmen wir das Taxi und fahren, zusammen mit unseren Kabinennachbarn, hinaus zur alten Hauptstadt der Inkas. Matchu Pitchu ist zu weit – aber ohne Patscha Mama kehren wir nicht nach Hause.

14.02.2020: Geburtstag auf See

Geburtstagsüberraschung der „Jungs“

Geburtstag auf dem Pazifik ist ein neues Erlebnis für mich. Erst ein herrlich duftendes Parfüm von meinem Schatz, dann ein Christbaum aus Ballonen, die mir unsere Jungs von Tisch 710 an die Kabinentüre montierten. Auf Deck 7 dann noch ein Ständchen der drei anderen Tischgenossen. So wird man nur einmal 67.

Den kühlenden Humboldstrom haben wir hinter uns gelassen und das GPS meines Handys vermeldet mir den Wiedereintritt in tropische Breiten. Das merkt man auch ohne Technik. Das Steamer-Wetter ist zurück.

Übermorgen werden wir den südamerikanischen Kontinent, dessen Küsten wir seit vier Wochen folgen, verlassen. Zeit also für ein erstes (vorläufiges) Resume.
Wir haben gerade mal an der Oberfläche gekratzt. Wir trafen sehr viele freundliche, offenherzige und intelligente Menschen. In guter Erinnerung bleiben mir die beiden Taxifahrer in Buenos Aires, die Tourguide in Ushuaia, mit dem kritischen Blick auf die menschliche Natur, oder den „Piraten“ (so wird der offenbar stadtbekannte

Guide, in Valparaiso genannt). Wir sahen viel und doch nichts. Nebst all den strukturellen, sozialen und politischen Problemen (Armut) und den Folgen von 500 Jahren Globalisierung, auch viel Positives. So gibt es in Argentinien sozialen Wohnungsbau und selbst im neoliberalen Chile gibt es solche Programme für die Ärmsten. Dann natürlich die Kraft und die Kreativität der Bewohner, die sich durchs Leben kämpft und sichtbaren Widerstand leistet.
Auf jeden Fall werde ich mich diesem Kontinent in Zukunft deutlich verbundener fühlen und Unterstützung leisten wie und wo ich kann.

Berichtigungen und Korrekturen:

Da ich hier meist keinen, bzw. nur sporadisch Internetzugang habe und dieser ausserdem auch noch ziemlich kostspielig ist, komme ich kaum dazu Fakten zu prüfen. D. h. es schleichen sich zwangsläufig Fehler ein. Sei es weil ich falsch informiert wurde, ich es falsch gehört oder wiedergegeben oder schlicht zusammenfantasiert habe. Ich bitte dafür um Nachsicht.

Hier ein paar Korrekturen:
Unsere Referentin in Sachen Kultur und Geschichte schreibt sich nicht Alysson, sondern Alison (Hörfehler)


Die Ureinwohner der Atacama hiessen nicht Chichimorro sondern Chimorro.


Die Geoglyphen in Arica sind nicht siebentausend, sondern höchstens 2500 Jahre alt.

…to be continued…

Ich verzichte auf ein nachträgliches Redigieren. Es ist dann authentischer -;)

13.02.2020: Arica – Stadt des ewigen Frühlings

Auf dem Morro fand ich den Heiligenschein

Von Arica habe ich schon geschrieben. Ja nach Lesart die „Stadt des ewigen Frühlings“ (ganzjährig zwischen 25 und 30 Grad), 15 mm Regen pro Jahr, Freihafen (für Bolivien) oder „Tor zur Atacama“.

Aus dem Schiff fällt man quasi direkt ins Stadtzentrum. Rechts ein Felshügel (Morro de Arica genannt). Anders als in Valparaiso scheint es hier sowas wie einen bescheidenen Wohlstand zu geben. Strassen und Häuser sind weitgehend intakt und zahlreiche grüne Parkanlagen machen einen gepflegten Eindruck. Offenbar findet die Wüste ausserhalb der Stadt statt.

Unser Ausflug beginnt bereits früh um acht. Vermutlich wegen der stechenden Sonne, die bald gnadenlos vom Himmel brennt. Zwar ist die Luft angenehm, an der Sonne ist es aber stechend heiss.

Die Tour führt uns aus der Stadt. Je weiter wir uns vom Zentrum entfernen, umso primitiver die Behausungen. Entlang eines Flussbettes, wo auch etwas Grün spriesst, reiht sich Bretterbude an Wellblechhütte. Dazwischen Schutt und Abfall.

Im sonst trockenen Flussbett wälzt sich eine braune Brühe in einem Kanal meerwärts. Wasser aus den Anden, die hier keine 100 km westwärts bis über 6000 Meter steigen. Ausserdem hätte es zur grossen Freude der Wüstenbewohner heute Nacht kurz geregnet. Ich hätte als Regenmacher Karriere machen sollen. Schon 1990 regnete es nach 14 Jahren Pause in der Sahara, als ich dort ankam.

Es ging auf einen grossen staubigen Platz vor der Stadt. Ringsum kahle staubige Kiesberge. Ist schon Pinkelpause? Also brav dem Guide folgen. Er zeigt auf eine Flanke. Im braunen Sand, kaum zu sehen, zwei Lamas. Eine der vielen Geoglyphen hier. Um ehrlich zu sein, ich habe sie mir eindrücklicher vorgestellt. Immerhin sollen sie so sechs bis siebentausend Jahre alt sein. Deswegen hierher fahren? Wem‘s gefällt.

Als nächstes die eingebaute Touristenfalle. Ein als Handycraft-Dorf getarnter Shoppingstopp. Abhaken.

Und zuletzt auf den Stadthügel, den eingangs erwähnten Morro. Ein imposanter Felsklotz,

der das Stadtbild prägt. Oben eine tolle Aussicht auf Stadt, Bucht und Meer. Der üblich Heilige mit ausgebreiteten Armen, auf einem Sockel und eine Chilenische Flagge in mittlerer Fussballfeldgrösse (gem. Guide 27×18 m). Der Schutthügel ist auch Symbol des „heldenhaften“ Eroberungskrieges (Salpeterkrieg) gegen Bolivien und Peru. Man markiert auch 140 Jahre danach noch Präsenz. Nationalismus hatte schon immer eine lächerliche Seite.

Dann aber der lehrreichste Teil des sonst eher mässig spannenden Ausflugs. Auch Arica ist ein trauriges Beispiel der Globalisierung und des Neoliberalismus. Vor 15 Jahren kaufte Monsante zu Spottpreisen Land entlang des Flusses. Hier gediehen tausende Olivenbäume, die aber wenig Ertrag abwarfen. Als erstes wurden diese gnadenlos abgeholzt. Mit ihnen verschwand der hier heimische Kolibri und die Bewohner schufteten nun zu miesen Löhnen in Monsantos Saatzuchtanlagen. Es geht um die Zucht trockenresistenter Getreidesorten.

Am südlichsten Stadtrand, direkt an der felsigen Küste, dann noch eine gigantische Fischmehlfabrik. Irgend ein internationaler Futtermittelkonzern. Der produziert für den Export nach China. Dafür fischt er die Küstengewässer leer.

So endet die Tour auf dem Plaza Major, wo wir noch kurz eine aus Stahl errichtete Kirche von Gustave Eiffel (ja der!) bewundern und gehen dann nachdenklich auf‘s Schiff zurück.

Wir erwarteten einen gottverlassenen Ort in der Wüste und trafen auf die ungeschminkte Realität unserer Welt. Die Wüste gibt es auch – draussen vor der Stadt. Die Wüsten, die wir hinterlassen sind nicht so fotogen.

Heute Abend verlassen wir Chile. Meinen Geburtstag feire ich morgen auf dem Pazifik. Samstag treffen wir in Lima, Peru ein.

12.02.2020: Seetag – immer noch Richtung Wüste

Farbenfroh

Zurück zum Schiffsleben – Dauerklamauk durch das Animationsteam auf dem Pooldeck. Hulahopp, Cocktailmixen, Ratespiele, Geschicklichkeitsspiele und Tanzkurse. Das Volk will unterhalten sein. Im Bauch des Schiffes Musik, Tanz und Wettspiele als „Serienproduktion“.
Daheim Dschungelcamp auf RTL – hier ist man mittendrin und live dabei.

Nachtrag zu Valparaiso: Tischgespräch

Manchmal ist es gut unbedarft zu sein, manchmal hat man einfach Schwein oder wie auch immer. Offenbar wurden gestern in Valparaiso über 50 Passagiere bestohlen (andere sprechen von 15 Schweizern).
Auch wir bummelten unbekümmert durch die belebten Märkte und Seitenstrassen mit vernagelten Türen und Fenstern; hatten aber entweder Glück oder wir gaben niemandem Anlass zu glauben, bei uns wäre etwas zu holen. Schwein gehabt!

Jetzt noch ein paar Worte zu unserem Mobile-Home für 116 Tage.

Ich habe mich schon ausführlich über die Technik und die Preispolitik (Trinkgelder) auf dem Schiff geäussert. Heute folgen die Themen Essen, Wohnen, Prozesse (Adminstration usw.) und Service.

Über das Essen gibt es wirklich nichts zu meckern. Die ersten Tage kam es zwar ab und zu lauwarm aus der Küche. Das hat sich aber deutlich verbessert. Die Menüs sind abwechslungsreich. Es stehen immer Pasta, Fisch, Fleisch und Vegi zur Auswahl. Die Portionen angenehm klein. Die Desserts meist sündhaft. Das Buffet (4 an der Zahl) auf Deck 13 bietet eine Riesenauswahl von 6:30 bis 22:00 Uhr. Verhungern muss niemand. Es gilt „All what you can eat“. Somit ist die 13 wirklich der gefährlichste Ort auf dem Schiff.

Die Kabine ist ordentlich gross und bietet genügen Platz. Ein sehr bequemes Bett, Zweiersofa, Hocker, Schreibtisch, genügend Schränke, WC und Dusche. Einzig der TV gibt zu denken.

Die Wahl an deutschen Sendern beschränkt sich auf Dschungelcamp und Jauch auf RTL, sowie eine magersüchtige Auswahl vom Filmen, die wirklich einen besonderen Geschmack voraussetzen. AccountInformationen funktionieren meistens nicht, die Fernsteuerung hakt.
Das mag ja auf einer einwöchigen Karibikkreuzfahrt noch hingehen. Auf einer 16-wöchigen Weltreise ist es aber eine Zumutung.
Positiver Nebeneffekt: Es geht sehr gut ohne die Flimmerkiste.

Aus mir bisher nicht erschlossenen Gründen muss alle 3 Wochen die Kreditkarte an einem Terminal neu registriert werden. Die monatliche Abrechnung erhält man mal auf Papier, dann wird man auf die Account-Infos am (nicht funktionierenden) TV verwiesen. Bürokratie treibt seltsame Blüten.

Das Personal ist äusserst freundlich und hilfsbereit. Was diese Menschen täglich leisten ist bewundernswert. Dabei gibt es maximal ein paar Freistunden pro Woche. Es wird durchgeackert von Genua bis Genua (und je nach Contract darüber hinaus).

11.02.2020: Seetage – auf in die Atacama

Farbe im tristen Alltag

Heute und morgen ist Seetag. Es geht Richtung Atacama nach Arica, am nördlichen Ende Chiles gelegen. Arica wurde den Peruanern im Salpeterkrieg 1880, mit Unterstützung der Amerikaner und Briten, blutig abgerungen.

Alyssons Vortrag über die Geschichte der Stadt, die Atacama und die einstigen Ureinwohner, die Chimorros, hat uns neugierig gemacht. Besonders angetan sind wir von der Wüste und den Geoglyphen der Ureinwohner.

Aber wo anfangen, bei den vielen interessanten Highlights dieses, bei uns weitgehend unbekannten Landstrichs? Warum die Atacama-Wüste so trocken ist, den einstigen Salpeterkrieg, die Chimorro, ihre 10000-jährige Geschichte, von den ihrer Mumien (2000 Jahre älter, als jene Ägytens) und Geoglyphen (vielleicht bekannter unter dem Begriff Nascalinien), oder der Gegenwart und den Streiks der Landarbeiter*innen? Übermorgen werden wir mehr darüber zu erzählen wissen.

Es macht den Anschein, als würden die offensichtlich sozialen und politischen Spannungen in Chile, aber auch im übrigen Lateinamerika, viele Passagiere verunsichern.

Alysson widmete sich diesem Thema heute ziemlich ausführlich. Auch an unserem Tisch spürte man diese Verunsicherung. Weniger politisch Interessierte sehen natürlich vor allem die Schmierereien und die zerstörten Gebäude. Sie werden brutal aus ihrer Komfortzone gerissen. Mit einem Mal dominiert nicht die Postkartenidylle den Landgang, sondern die ungeschminkte Wirklichkeit der Bevölkerung. Wegschauen ist gleich schwer, wie es ins eigene geordnete Weltbild zu integrieren.

Ich hoffe es öffnet dem/der einen oder anderen etwas die Augen. Etwas mehr Aufmerksamkeit und Verständnis hätten diese Länder und Völker verdient. Europa trägt eine grosse Mitverantwortung und Schuld durch ihre Ausplünderungspolitik in der Vergangenheit.

10.02.2020: Valparaíso am Montag

Ohne Angst

Nach dem gestrigen Bummel durch Markt und Zentrum, mit seinen verrammelten und teils zerstörten Geschäften und Plätzen; heute eine im Gesamtpaket angebotene, kostenlose Stadttour.
Wir haben ja sonst nichts besseres vor.

Und wieder wurden wir „enttäuscht“. Wie so oft auf dieser Reise – im positiven Sinne. Es wurde eine der besten und lehrreichsten Stadttouren überhaupt – geführt von einem ehemals inhaftierten und freigekauften DDR-Häftling und Bergbauingenieur. Statt die 4 – 5 obligaten Sehenswürdigkeiten mit Fotostopp abzuklappern, machte er Halt mitten auf einem der 44 Hügel, auf denen Valparaiso gebaut ist. Vier davon wären Touristen zumutbar, die restlichen zu gefährlich. Erbärmliche Wellblechhütten, zusammengeflickte Baracken, teils eingefallene oder angekohlte Hausdächer, neben alten, bröckelnden Steinhäusern mit über hundertjähriger Geschichte. Einmal dem Zerfall preisgegeben, einmal sorgfältig renoviert. Das Viertel war mal die bevorzugte Wohngegend der Haute Volé, bis der Niedergang, mit der Eröffnung des Panamakanals begann.

Der zweite Schlag folgte wenige Jahrzehnte später, mit der Erfindung des künstlich hergestellten Salpeters. Denn dieser war, nebst der Schifffahrt um die Kap Hoorn-Route, die hauptsächlichste Einnahmequelle. Salpeter – das weisse Gold Chiles – , war auch Auslöser für den blutigen Salpeterkrieg Ende des 19ten Jahrhunderts zwischen Peru, Bolivien und Chile, Der Grund, weshalb die Atacama heute zu Chile gehört. Dort lag/liegt der „Schatz“ begraben.

Valparaiso ist auch Weltkulturerbe. Nicht wegen der tollen Wandmalereien, die praktisch jedes Haus zieren, sondern weil die Stadt als (tragisches) Beispiel für die Folgen einer (gescheiterten) Globalisierung gilt. Erst 300 Jahre Goldsuche, Ausbeutung, Stillstand und Missionierung durch Spanien, dann 100 Jahre internationale Handelsschifffahrt, auf die 100. Jahre Salpeter folgten und am Ende 70 Jahre Niedergang und Armut. Selbst der Fischfang ist heute in den Händen grosser Konzerne, die das Meer leerfischen für das Fischmehl das die riesigen Lachszuchten im Süden brauchen. Der Fisch auf den Märkten wird tiefgekühlt von weither hergekarrt.

So wurde Valparaiso zum Armenhaus Chiles, dass nach wie vor von 15 reichen Familien kontrolliert wird. Mal mit einer Militärdiktatur (Pinochet), wie zwischen 1973 bis 90, mal mit einem halbwegs demokratischen legitimierten Parlament. Immer aber blieb die Kluft zwischen Arm und Reich, die sich unter dem neoliberalen „Experiment“ Milton Friedmanns unter Pinochet, bis heute fortgesetzt und sich noch verschärft hat. Unruhen fallen eben nicht vom Himmel.
Ich wünsche dem Chilenischen Volk auf jeden Fall, viel Erfolg im Kampf gegen dieses menschenunwürdige System.

Was die Irrungen und Wirrungen von Politik und Wirtschaft nicht schafft, erledigt dann der Pazifischen Feuerring. Oft bebt die Erde und 2010 zerstörte ein Tsunami grosse Teile des Küstengebietes. Auch die Bucht von Valparaiso.

Dass nächste Ziel ist Arica in der Atacama. Der trockensten Wüste der Welt. Auch da erwartet uns Geschichte, Klima und Natur.

09.02.2020: Valparaiso am Sonntag

In Chile bewegt sich was

Gestern Abend gingen wir nach einem Glas Wein um viertel nach neun auf‘s Oberdeck um noch etwas frische Luft zu schnappen. Offenbar dachten alle es wäre kalt draussen und so war Deck 14 leer. Ausser uns stand nur noch der Kapitän an der Reling und bestaunte wohl den Nachthimmel, wie wir. Im Westen ein Farbbogen von gelb zu orange, rot bis ins dunkelblau. Im Osten der aufgehende Vollmond der sich in den Wellen des Pazifik spiegelte. Es sind diese magischen Momente, die sich tief in die „Seele“ eingraben.

Zwar war mir Valparaiso schon früher, aus der Zeit als ich noch Asylbewerber aus Chile – Flüchtlinge die den Folterknechten Pinochets entkamen – betreute, ein Begriff. Eine Stadt am Pazifik, bunte Häuser, Pablo Neruda.

Nun legten wir also am Pier an. Direkt unter einem riesigen Kran für den Containerverlad und vor einer Wand mit hunderten von farbigen Containern von Hapag, MSC und Maersk. Dahinter Hügel, an denen schiefe Häuser in allen Farben kleben. Nebel verdüstert das Bild. Das soll also diese Perle am Pazifik sein?

Getreu dem Motto „Allein ist besser“ zogen wir um zehn, zusammen mit unseren Tischnachbarn, los. Über ein paar unbewachte Bahngeleise und schon standen wir in der Avenida d Argentina, die im Reiseführer empfohlen wurde. Denn sonntags wäre alles geschlossen, aber hier gäbe es einen Flohmarkt. Was uns sofort ins Auge stach: Armut, Zerfall, Parolen an jedem freien Quadratmeter, verrammelte und vernagelte Mercados und Strassenhändler an jeder Ecke.

Je weiter wir uns dem (mehr erahnten als wirklichem) Zentrum näherten, umso dichter die Stände. Bald befanden wir uns in einem dichten Gedränge zwischen Auslagen auf dem nackten Boden, Plastikplanen und improvisierten Hütten. Das Angebot umfasste sowohl das Gesamtsortiment von Alibaba Schlussverkauf bis zu Grossmutters Handarbeit, Dachstock-Räumungen, Hehlerware der lokalen Taschendiebzunft, Gemüse, Fleisch, Fisch, Obst, Putzmittel, Werkzeug, alte Klamotten, Garküchen und einem mobilen Coiffeursalon unter zwei Leintüchern über vier Holzlatten. Ein Benzingenerator, zwei Hocker, zwei Spiegel an Drähten und fertig ist der Schönheitssalon.
Angesichts der Wucherpreise für miesen Haarschnitt des Kreuzfahrt-Barbiers und meinem fortgeschrittenen Haarwuchs fiel der Entscheid leicht: Haare schneiden bitte! – in astreinem Spanisch natürlich-;)
Carina – so hiess die fliegende Haardiebin – legte sich ins Zeug und schnippelte drauf los. Fünfzehn Minuten später und 3 Franken 60 leichter, erhob ich mich vom Stuhl.

Liebe Tanja, es tut mir leid, in Zukunft werde ich meine Haare wohl in Valparaiso schneiden lassen. Das Resultat war so gut, dass sich Rolf, unser Tischnachbar, ebenfalls auf den Hocker setzte.

In einem kleinen schäbigen Bistro am Plaza Victoria, gab es Nespressokaffee (da die Kaffeemaschine kaputt) und ein warmes Sandwich. Wir waren die einzigen Gäste. Alle Häuser ringsum verbarrikadiert und verschmiert. Auch die zahlreichen Statuen und Denkmäler auf dem Platz boten ein Bild der Zerstörung. Im Daily wurde wohl nicht ganz ohne Grund davor gewarnt diesen Platz am Nachmittag zu besuchen – es drohten Unruhen.

Ganz Chile – von Punta Arenas bis hierher – in Aufruhr. Parolen an den Wänden, zerstörte Kirchen, abgebrannte Häuser. Da bewegt sich was. „Unidad y lucha“ steht an Mauern und Wänden. „El pueblo unido, y mas será vencido“! Rufe ich zurück.

Nachtrag:

Volkloreabend im Royal Theater mit „The People Of Chile“, einer Musik- und Tanzgruppe aus Santiago de Chile. Diese setzten die unterschiedlichen Kulturen der zahlreichen Völker Chiles in Musik und Tanz um. Von den Indigenen der Anden, mit der bekannten Flöte, über die „Spanier“ als Gauchos oder Mitteleuropäer als Weinbauern, bis zu polynesischen Klängen und Tänzen der Südsee auf Rapa Nui (Osterinsel). Eine wirklich tolle Show. Das Publikum war fast aus dem Häuschen.
Von Traviata bis Folklore – ich war noch nie so oft im Theater. Es ist als besuchte ich einen „Nachschiesskurs“ in Kultur.

Noch ein Nachtrag zu den Preisen hier:

Kartoffeln per kg 0.30 (lokale Produktion)
Eier pro Karton (30 Stk) 2.40 (lokale Produktion)
Armbanduhr 2.70 (Alibaba)
Listerin Mundspühlung 4.20 (Import)
Sommerhose 5.20 (Alibaba)
Coiffeur, Herren 3.60 (Dienstleistung)
Lesebrille 2.70 (Alibaba)
Taxi per km 0.80 (Dienstleistung)

08.02.2020: Richtung Norden

Puerto Montt und unsere lieben Nachbarn im Norden ist eine Geschichte für sich. An einem Seetag wie heute hat man Zeit darüber zu berichten.

Die Stadt wurde zu Ehren von Herr Montt, dem ersten chilenischen Präsidenten benannt. Das erste Schiff aus Deutschland war mit Menschen aus Dresden gefüllt. Das war 1853. „Susanna“, so hiess der Kahn, einer der vielen damaligen Seelenverkäufer die Menschen in die neue Welt brachten. Chiles Süden war noch lange Mapuche-Land. Diese wehrten sich über 280 Jahre erfolgreich gegen ihre Kolonisierung – sie hatten aus dem Schicksal der Inkas, weiter im Norden, gelernt. Jetzt aber wollte Chile expandieren , hatte dafür aber zu wenig eigenes „Personal“. So machte man Werbung im Europa der beginnenden Industrialisierung und lockte tausende verarmte Bauern an. Also aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. In der geschützten Bucht, wo damals dichter Urwald stand, gründeten sie ihre Siedlung und machten das Land urbar. Während sich die Männer bei Puerto Varas durch‘s Dickicht schlugen, hatten ihre Frauen die Schnauze aber bald mal voll und wollten zurück. Nur das fehlende Geld hielt sie davon ab.

Die Mapuche waren aus der Gegend schon seit Jahrzehnten verschwunden, weil die Vulkane das Land immer wieder verwüsteten. Diese waren schlauer als die Europäer. 1960 legte ein Erdbeben der Stärke 9,6 (!) die gesamte Region in Schutt und Asche. Der Rest erledigte ein Tsunami.

So bauten sich also die Alemannen, Sachsen, Bayern, Helvetier und Tiroler ihr Klein-Mitteleuropa im kühlen Süden Chiles.
Ihre Spuren in Architektur, Namen und Institutionen sind bis heute sichtbar.

Wenn man dann in einem Bus, mit, aus dem besagtem Kulturkreis stammenden Mitreisenden sitzt, wird man auch rasch mit den Eigenheiten germanischen Volksstämme konfrontiert. So etwa das in Comedy-Shows oft belächelte „Liegestühle mit Handtuch reservieren“ (Motto: Das ist mein Eigentum), in Form penetranter Fragen nach Anzahl, Einfluss, Sprache und Spuren ihrer Vorfahren. Oder aber die Neigung gewisser Kreise für autoritäre Lösungen, in Bemerkungen wie, „da muss dann wohl das Militär wieder für Ordnung sorgen“.
Streiks und Unruhen, die kürzlich ganz Chile erschütterten, stören wohl die beschauliche Ruhe und Ordnung im gemütlichen Eigenheim. Was die Menschen auf die Strasse treibt, scheint nicht zu interessieren.
Willkommen Augusto Pinochet, willkommen Geschichte.

07.02.2020: Puerto Montt

Osorno im Hintergrund

Puerto Montt – auf der Welt etwa so bekannt wie Liestal oder Amriswil. Ein zufälliger Ort ohne Strahlkraft und Geschichte, an der nass-kalten Pazifikküste des chilenischen Südens gelegen. Warum macht die Reederei da eigentlich Halt?

Also googeln. Pazifischer Feuerring, Vulkane und das Bild einer verschneiten Pyramide, die mich an den Fujiama erinnert. Und siehe da, da wurden Tagestouren zu eben diesem Feuerberg ab Puerto Montt angeboten. Also buchen! Ausnahmsweise mal ohne Ursi. Ihr Interesse für Vulkane beschränkt sich auf den 1. August. So unternahm sie eine Stadttour.

Windig, wolkenverhangen, kühl aber immerhin trocken. Meine Aufmerksamkeit galt bei der Einfahrt in die Bucht einem grauen Felsmassiv, welches mit etwas Fantasie, als Pyramide durchgehen konnte. Auch das Stadtbild – wir ankerten in der Bucht – bot kein Anlass für Beisterungsstürme. War die nicht ganz billige Tour vielleicht ein Fehlkauf oder sind wir schon so verwöhnt, dass wir schon abgestumpft sind?

Die Extraschleifen des Kapitäns, bei der Hinfahrt, durch die Buchten und Fjorde, so auch durch die nur 180 Meter breite Darwin-Strasse, hat bei uns einen Bilderstau verursacht, der wohl noch Tage braucht, um sich aufzulösen.

Jetzt aber sind wir erstmals in dieser Stadt ohne Gesicht und Geschichte. Rein in den Bus und quer durch die Stadt. Auch hier bunt gestrichene Baracken, Wellblech und schiefe Holzkonstruktionen. Hübsch in der Masse, ärmlich bei näherem Hinsehen. Rasch ist die Stadtgrenze erreicht und es geht auf die Panamericana Richtung Norden. Weidendes Braunvieh, Siloballen und Bauernhöfe erinnern ans Schweizer Mittelland. In der Ferne erhebt sich eine majestätische weisse Pyramide in den blauen Himmel. Im strahlenden Sonnenschein winkt uns der Osorno zu. Was für ein Affenschwein ich habe. Laut Guide schifft es an 9 von 10 Tagen hier (2500 mm/Jahr) oder ein grauer Deckel behindert die Sicht.

Bald erreichen wir einen See. Etwa anderthalb mal so gross wie der Bodensee. Entlang des Westufers nähern wir uns dem Vulkan, der sich im Wasser spiegelt. Wuchtig dominiert er die Postkartenlandschaft, bevor wir in einem dichten Urwald – einem Nationalpark – verschwinden. Stand das überhaupt im Programm?
Wir steigen aus, gehen über eine schmale Stahlbrücke und dann eröffnet sich ein weiteres Sujet der Superlative. Ein Fluss gräbt sich seinen Weg durch Schwarzes Vulkangestein und fällt in die Tiefe. Darüber thront die weisse Kuppe des Osorno, als wollte er all jene Lügen strafen, die ihn als potentiell gefährlich einstufen (vor fünf Jahren spukte sein Nachbar Feuer und Lava). Einzig der Wald an Handys und Kameras konnte das Postkartenbild noch stören. Der Gefahr eines Tinitus durch das Klicken der Kameras, entging ich nur knapp.
Weiter ging es an den Lago dos Santos. Ein türkisblaues Gewässer mit drei Vulkanen am Horizont. Darunter auch das Matterhorn des Südens.

Und tatsächlich hat der spitze Gipfel über der Seemitte eine grosse Ähnlichkeit mit dem Zermatter Vorzeigeberg.
Nach diesem Fotostopp keucht der Bus die Südflanke des Osorno hoch. Schnell wird der dichte Wald lichter, weicht erst niedrigem Gebüsch, dann Flechten und Moosen und endlich in einer schwarz-braunen Einöde – Lavaasche. Auf 1200 Meter dann ein Kiosk, Parkplätze und ein kleiner Sessellift. Bis zum Gletscher auf rund 1800 Höhenmeter (der Gipfel liegt auf 2640 m und ist nur guten Bergsteigen zugänglich) würde es, inkl. anstehen über eine Stunde dauern und ist kaum lohnenswert, da in dieser Höhe ein Wolkenband die Sicht behindert. Da wir aber eine Stunde bleiben, nehme ich die Beine unter die Füsse und laufe hoch auf rund 1500 m zu einem alten erloschenen Seitenkrater. Die Aussicht und die archaische Landschaft sind unbeschreiblich. In Ruhe und Musse geniesse ich das Glück hier zu sein.

Ausser Atem erreiche ich den Bus noch rechtzeitig zur Rückfahrt. In einer Lodge am grossen See mit Firstclass-Sicht auf die strahlende Pyramide, gibt es Lachs und Wein, bevor es über Puerto Varas (Klein-Sankt Moritz Chiles) zum Schiff geht. Mit dem letzten Tenderboot erreichen wir das Schiff mit einer viertel Stunde Verspätung.

Ursis Stadttour war eindruckstechnisch weniger imposant. Umso aufschlussreicher jedoch was die Geschichte der Region betrifft. Davon mehr im nächsten Blog. Jetzt geht es erstmal in die Oper – La Traviata- (ihr habt euch nich verlesen!) und dann erwartet uns ein Seetag bis Valparaiso am Sonntag.

06.02.2020: Südpazifik und Andenkette

Besser kann ein neuer Tag nicht starten. Sonne pur, klare Luft, schmeichelnde Temperaturen und am Horizont, im blauen Dunst. die unendliche Bergkette der chilenischen Anden. Unter diesen Bedingungen macht Deckwandern doppelten Spass.

Die gestrigen Höhepunkte hallten noch bis in die späten Abendstunden nach und beflügelten die Diskussionen beim Nachtessen. Niemand liess das grandiose Panorama kalt und alle schickten wie wild ihre Schnappschüsse um die Welt. Ich nehme mich dabei nicht aus.

In der Stille der Nacht, dann Zeit zum Nachdenken.
Das Echo des Kapitäns im Ohr, der den dramatischen Rückzug des Gletschers – er füllte bis vor 15 Jahren noch die ganze Talbreite aus und es schmolzen ganze 5 Kilometer Eis weg – in seiner Durchsage, explizit als Folge des Klimawandel erwähnte und einem Schiff vor der Eiskante, welches pro Stunde doppelt so viel CO2 ausstösst, wie ein Mitteleuropäer in einem Jahr.

Es ist diese Schizophrenie, welche uns schon die ganze Reise begleitet.
Diese herrliche, vielfältige und schöne aber auch fragile Welt auf der einen Seite, im Gegensatz zu den sozialen, politischen und ökologischen Verheerungen, die wir durch unser Handeln anrichten.
Das Eine bewundern und geniessen, das Andere nicht verdrängen und Verantwortung übernehmen, ist eine Kunst, die wir gerade lernen.

05.02.2020: In den Fjorden der Südanden


Inselwelt in den Südanden

Wir haben uns auf einen ruhigen Seetag eingestellt, ohne Programm und Highlights. Schon das Daily versprach keine Sensationen und so schliefen wir heute etwas länger. Nach dem Frühstück und unserer obligaten Runden auf Deck 7 bei zugiger kühler Meeresluft, wollten wir auf der Kabine etwas relaxen. Doch am blassblauen Himmel zeichnete sich backbords ein kaum sichtbarer Scherenschnitt ab – eine langgezogene Bergkette. Das bewog uns, Deck 13 zu erklimmen und am Heck Ausschau zu halten. Ausserdem gab mir maps.me (natürlich eine meiner unzähligen Apps) an, dass das Schiff Kurs in die Fjorde der Südanden nahm und dem offenen Pazifik den Rücken kehrte. Eine weise Entscheidung, wie sich rasch herausstellte. Die Bergketten- nun steuer- wie backbords schoben sich immer näher zum Schiff. Wir befanden uns mitten in einer endlosen Inselwelt. Das Ahh iund Ohh der wenigen Passagiere, die sich draussen am Heck dem kalten Wind aussetzten, nahm kein Ende.Und wie auf Befehl rannten alle Passagiere an die Reling. Orkas begleiteten das Schiff! Tauchten rasch auf und verschwanden wieder in den dunklen Fluten. Was für ein magischer Moment. Leider sind die Tiere zu schnell und der Fotograph zu langsam, da sie einmal da und einmal dort an der Oberfläche erschienen. Also den Augenblick einfach geniessen. Was sind wir doch für Glückskinder!

Nachtrag: Fjorde

Annahmen entpuppen sich auf dieser Reise öfters als grosser Irrtum. Auch heute. Wir dachten die archaische Inselwelt wäre nicht mehr zu topen. Ausserdem näherte sich eine graue Regenfront, die hier zum Standard-Wetter gehören, wie uns gesagt wurde. Ursi liess sich im Fitness an den Geräten instruieren und ich schrieb begeistert über die Welt der Fjorde. Beim Blick durchs Bullauge sah ich aber plötzlich, wie sich das Ufer näher kam und es aufhellte. Also Kamera schnappen und hoch auf Deck 14. Ich wusste gar nicht, dass es so viele Menschen auf dem Schiff hat. Deck 13 bis 16 waren gerammelt voll. Dann eine Durchsage des Kapitäns – links würde in wenigen Minuten ein Gletscher zu sehen sein. Wir hätten heute besonderes Glück, hier sei es sonst neblig, nass und Sicht gleich Null. Und dann schob sich El Brucho – so heisst der Eisstrom angeblich – in Szene.

Ich war im Magdalenenfjord am 81 Breitengrad Nord und bestaunte die Eiswelt Spitzbergens. Was sich uns jetzt bot verschlug mir den Atem – ja ich habe vor der Erhabenheit der Natur eine Träne verdrückt – in Kaskaden ergoss sich ein Eisstrom von weissen Gipfeln hinunter ins Meer, wo an der marineblauen Abbruchkante Eis ins Meer kalbte. Das Schiff drehte sich langsam um 180 Grad in der engen Bucht, damit alle einen ungehinderten Blick erhaschen konnte. Es war amazing, wie der Amerikaner zu sagen pflegt. Einfach unglaublich. Lässt sich das noch steigern?

04.02.2020: Punta Arenas, Chile

Magellans Victoria

Vor genau 500 Jahren segelte Magellan hier durch (Januar 1520) und fand als Erster einen Seeweg vom Atlantik in den Pazifik. Ein historischer Moment und ein ebensolcher Ort.
Da unser Schiff für den Hafen hier zu gross ist, muss es in der Bucht ankern und wir setzten mit dem Tenderboot über. Pünktlich mit dem Betreten des Hafenterminals kommt dann auch die Sonne, die sich hinter grauen Wolken versteckte. So machten wir uns zu Fuss auf Entdeckungstour, quer durch die Stadt. Auch Punta Arenas hat Piioniercharakter. Sie könne sowohl im „Wilden Westen“, als auch in Alaska stehen. Bunt zusammengewürfelte Baustile, billiges Baumaterial, zusammengeflickt und bunt gestrichen.
Erst eine funktionierenden Bankomaten finden – ging im nu – und dann einfach der Nase nach. Im Zentrum – welch grosse Überraschung- eine Magellanstatue in einem baumumsäumten Park. Flötenklänge eines Indio. Das ist auch was in Chile sofort ins Auge springt – Indios. In den Taxis, Strassenhändler, Gärtner –

Indios, klein, gedrungen. An den Hauswänden schnell hingesprayte politische Parolen. In Montevideo waren sie kunstvoll und schon fast philosophisch – hier aggressiv, konkret und hastig aufgesprayt.
Je weiter wir das Stadtzentrum hinter uns lassen, umso ärmlicher die Häuser. Wir folgten einer breiten Allee Richtung Norden. Ziel, die Victoria Magellans, die jemand draussen vor der Stadt nachgebaut hat. Nach rund 6 Kilometer Fusssmarsch hielten wir ein Taxi an, der uns dann in 5 Minuten ans Ziel brachte. Kosten 2.50.
Die Victora steht tatsächlich da auf einem alten Hafengelände. Daneben auch noch die Beagle, mit dem Charles Darwin 1830 um die Welt segelte und forschte. Eindrücklich, wie einfach und beengt diese Abenteurer Jahre auf einem solchen Seelenverkäufer verbrachten.
Wieder zurück im Taxi in ein urchiges Restaurant auf ein Austral-Cerveza. Am Strassenrand Brandruinen. Gem. Taxichauffeure ein Überbleibsel der kürzlichen Unruhen. Er meinte die Situation sei immer noch mui diffizile…Chile 2020. Der Kontrast zu unserem Programm in Ushuaia könnte kaum grösser sein. Aber er ist von uns gewollt.

03.02.2020: Seetag – auf den Spuren Magellans

Vor genau 4 Wochen bestiegen wir in Genua unser Schiff für diese Reise. Schon ein Viertel liegt hinter uns. Wir haben jedes Zeitgefühl verloren, wissen kaum noch Wochentage und werden nur durch das „Daily-Programm“, ans Datum erinnert, welches am Abend jeweils auf dem Bett liegt.
Die Zeit dehnt sich und schrumpft zugleich. Dehnen durch die Fülle und Vielzahl der Eindrücke, schrumpfen weil alles erst „gestern“ war.

Heute Abend erreichen wir die Magellanstrasse — die einfachste natürliche Verbindung für Schiffe zwischen Atlantik und Pazifik. Vor genau 500 Jahren – im Januar 1520 – befuhr diese der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan, als Erster. Wir befinden uns also auf historischen Pfaden. Ein Grund auch, weshalb wir in Punta Arenas das Schifffahrtsmuseum und nicht die Pinguininsel besuchen wollen. Pinguine sahen wir in Puerto Madryn und finden diese in Zukunft auch im Zoo. Magellans Victoria aber steht im fernen Punta Arenas.Gestern Kaiserwetter, heute ein Tiefdruckgebiet mit heftigen Winden. Gestern Abend kreuzten wir , begleitet von einem goldenen Sonnenuntergang, durch den Beagle-Kanal zurück in den Atlantik. Zwischen Tierra del Fuego und Isla delo estados haben wir das offene Meer erreicht und halten jetzt Kurs Nord. Morgen früh erreichen wir unser Ziel – Ausgangspunkt einer weiteren Reiseetappe. Uns erwartet Geschichte – von Magellan, über Deutsche Auswanderer im 19ten Jahrhundert bis zu Allende und Pinochet. Aber auch der pazifische Feuerring mit seinen Vulkanen, der Humboldstrom mit den vielen Lachzuchten und oben im Norden, die Atacamawüste. Wir folgen der gesamte Länge von 4250 km chilenischer Küste mit den Anden am Horizont und den pazifischen Fjorden. Die Spannung steigt erneut.

02.02.2020: Beagle-Kanal

Mount Olivia aufgenommen von den Bridges-Inseln

Beim Blick aus dem Bullauge heute früh versprach der Tag, was man von Ushuaia erwartet: Regen, tiefhängende Wolken, dazwischen frisch verschneite Berggipfel. Schneefallgrenze bei kaum 1000 Metern – und wir wollten heute in den Beagle- Kanal und die Tiere des Südens bewundern. Leichtes Früstchen, warme Jacke montieren und sich dem Schicksal ergeben.

Wir haben vorab eine Bootstour im Beagle-Kanal über GetYourGuide gebucht. Der Tourveranstalter war im Hafen schnell gefunden. In einer kleinen Holzhütte, mit ausgebleichten Schild „Patagonia Adventures“, hockte ein junger Typ und meinte, wir sollten erstmal spazieren gehen, die Tour starte dann in 3/4 Stunden. Ob das mal gut kommt?

Wir bummelten auf der Uferstrasse und genossen die nun plötzlich auftauchende Sonne. Der Himmel klarte auf das Meer glitzerte wie frisch geputztes Silberbesteck. Im nu war es frühlingshaft warm, windstill und kaum mehr Wolken über der Bucht. Natürlich kamen wir zu früh zurück.

Jetzt wartete aber bereits ein kleines Grüppchen vor dem Häuschen. Etwa 15 Franzosen, Italiener, Argentinier und wir. Es gab noch Formalitäten zu erledigen – dann hiess es: „Please follow me.“
In der Nähe stand ein kleines Boot an der Pier, welches wir in Ruhe und ohne Gedränge bestiegen. Welch ein Kontrast zu den Massenabfertigungen bei Landgängen der MSC. Der Guide, ein junger Typ , stellte sich als Christopher vor und schon ging es hinaus aus dem Hafen. Das Wetter in der Zwischenzeit, erste Sahne. Planen hätte man es nicht können.
Vielleicht einen Kilometer vor der Bucht steuerte das Boot eine flach geschliffene Felseninsel an – davon gibt es in Sichtweite Dutzende – wo ein Kolonie Kormorane brütete. Ein Heidenlärm und bestialischer Fischgestank empfing uns. Die Vögel sind Beobachter offensichtlich gewohnt und kümmerten sich nicht um uns. Wenige Meter vor dem Fels machten wir Halt. Es klickte und klackte und die SD-Karten füllten sich.

Und so ging es von Insel zu Insel hinaus auf den offenen Kanal. Als nächstes eine Seehundmutter mit Baby auf einem einsamen Felsen, dann eine ganze Herde davon. Inseln mit mehreren Kolonien, gemischt mit brütenden Vögeln, bis zum äussersten Punkt, einem kleinen Leuchturm an der Grenze zu Chile. Die Inselgruppe wird übrigens Bridges-Island nach einem Siedler aus dem 19ten Jahrhundert, benannt. Dieser hat die Sprache der Yamana – den ehemaligen Ureinwohnern Feuerlands – übersetzt. Von diesen lebt gerade noch eine 91-jährige Frau auf der chilenischen Kanalseite. Die Übrigen fielen Krankheiten, Gewalt und Alkohol zum Opfer. Ein weiteres trauriges Kapitel der Eroberungen durch den „Weissen Mann“.
Als Höhepunkt fuhren wir dann ein Eiland an, welches wir betreten konnten. Nebst der seltenen Flora, z. B. 4000 Jahre alte Polsterpflanzen, auch archäologische Spuren (Lagerplätze) der Yamanas, die hier schon vor 4000 Jahren lebten.

Ein Traumort mit einer magischen Ausstrahlung. Wir konnten es kaum fassen hier zu stehen.
Tief durchatmen, Kraft tanken und die Szenerie in sich aufnehmen. Glücklich verliessen wir das Inselchen nach einer knappen Stunde und kehrten müde auf unser Schiff zurück.
Was für ein herrlicher Tag! Den morgigen Seetag brauchen wir zum verdauen.

01.02.2020: Folklore auf dem Schiff – Nachtrag

Folklore in Ushuaia

Folkloreabend im Theater? Da triggert bei mir Jodeling mit Hans und Vreni, Fahnenschwingen mit Bruno und Schottisch mit der Trachtengruppe Heimattreu. Alles vor einem staunenden Publikum der Reisegruppe „Verdiente Kader der Seifenfabrik NR 27 aus Nanjing“. Ich ging trotzdem hin, schliesslich ist man nur einmal am Ende (der Welt).
Und nun das! Die Künstlergruppe aus Ushuaia hat mich echt vom Hocker gerissen. Eine Sängerin mit einer Wahnsinnsstimme, Tänzer mit Rasse und Klasse und eine tolle Choreografie. Solche Folklore – gerne immer wieder. Ich bin begeistert.

01.02.2020: Ushuaia, El fin del mundo I

Einfahrt in den Beagle-Kanal

Ushuaia – das Ende der Welt – El fin del mundo – nun sind wir also am südlichsten Punkt unserer Reise angekommen. Auf 55 Grad Süd. Wer nun glaubt, wir wären schon bald am Südpol, irrt. Auf die Nordhalbkugel bezogen, wären wir gerade mal knapp an der deutsch-dänischen Grenze. Trotzdem liegt hier die Waldgrenze gerade mal bei 800 Metern. Nun aber der Reihe nach.

Die Fahrt durch den Beagle-Kanal dauerte von 11 Uhr nachts, bis heute früh um acht. Wir haben uns auf kaltes und garstiges Regenwetter mit tiefhängenden Wolken gefasst gemacht. Aber nix davon. Zwar ist der Himmel mehrheitlich grau aber es ist trocken und zwischendurch scheint sogar die Sonne. Am Nachmittag konnte ich sogar auf die Windjacke verzichten. Mit andern Worten: Perfekte Bedingungen.

Die Stadt wirkt bunt und besteht aus allem was man zum Bauen nutzen kann. Holz, Wellblech, Steine in allen Formen und Farben. Der typische Pioniercharakter.

Zuerst ging es in den Nationalpark Tierra del Fuego. Über Schotterpisten ging es an eine Lagune an der argentinisch-chilenischen Grenze mit herrlichem Blick auf die gezackten Berge der Südanden. Speziell ins Auge sticht der Urwald, der hier vorwiegend aus Falschen Buchen (einheimisch: Legas) besteht (eine Baumart, die es nur auf der Südhalbkugel gibt), die sich krumm, verknorrt und wild durcheinander auf dem felsigen Untergrund festkrallt. Es gibt kaum Humus, nur in den Mulden ein paar Torfmore. Da der hochintelligente Homo gierensis vor rund 70 Jahren auch hier unten Pelze jagen wollte, siedelte er Bieber aus Kanada an. Aus Mangel an Fressfeinden vermehrten sich diese wie blöd und haben die menschliche Population längst hinter sich gelassen. Die Folgen für das ökologische Gleichgewicht bezahlen die Bäume. Die unzähligen Biberdämme erzeugen Überschwemmungen und diese lassen hektarweise Bäume sterben.
Der Mensch hat das Ende der Welt wirklich erreicht.

Es ging weiter durch den wunderschönen Park mit vielen Bächen, kleinen Seen und Wäldern mit verschiedenen Stopps an den touristischen Hotspots. Da gerade zwei Touristendampfer am Pier lagen, glichen diese dann auch eher Massenveranstaltungen. Zum Glück erwies sich unsere argentinische Reiseleiterin als der absolute Glücksfall. Sie schleuste uns immer wieder elegant an den Horden vorbei und erklärte uns kenntnisreich Natur, Landschaft und Geschichte dieses Flecken Erde. Eine offensichtlich sehr belesene und politisierte Frau um die 50, die nicht mit Ironie geizte und manchen Seitenhieb gegen die herrschende Politik platzierte. So auch, dass Greta für vieles leider zu spät kam, die Politiker lieber die Verbrecher in die Strafkolonien nach Patagonien schickten ( war Ushuaia bis 1947), statt das man diese herschickte, usw.
Eine selten erfrischende und lehrreiche Tour. Für morgen sind wir gespannt auf die Tierwelt im Beagle-Kanal.

31.01.2020: Seetag Patagonien II

Wir nähern uns unbestritten dem Südpol. Die hellen Abende sind nun wieder deutlich länger und das Abendrot leuchtet noch bis halb Zehn. Erstmals seit Genua ist für unsere Deckrunden wieder eine warme Windjacke empfohlen. Gemessen wohl um die acht Grad, mit der steifen Brise aber deutlich kühler empfunden. Wir sind jetzt genau zwischen argentinischen Festland und den Falklandinseln (Islas Malvinas) und halten auf Feuerland zu. Ushuaia – El fin del mundo- das Ende der Welt.

Gestern feierten wir an Tisch 710 den Geburtstag des mit reichlich Humor gesegneten Schulhausabwart aus Winterthur. Zusammen ging es dann in die Disco zur 70iger-Jahr Party. Das Happy Birthday der Entertainment-Crew hat ihn dann völlig überrascht. Der Tipp kam von unserem Verleger von der Ostsee, der davon Wind bekam.

Den gebuchten Ausflug zu den Pinguinen in Punta Arenas haben wir storniert. Wir ziehen alleine los.

Wir gingen quasi als Kreuzfahrt-Greenhorns auf diese grosse Reise. Von einem 14-Tage Trip mit der Costa Pacifica vor 9 Jahren abgesehen und verglichen mit den meisten Passagieren an Board, sind wir blutige Anfänger. Mangels Erfahrung, Ängsten folgend und aus purem Nichtwissen haben wir viele Ausflüge vorab gebucht. Teils wohl aus Angst das Beste zu verpassen (buchen sie jetzt, die Teilnehmerzahl ist beschränkt), teils durch medial geschürte Ängste (Grosstädte in Lateinamerika sind gefährlich) und teils aus Bequemlichkeit (mangelnde Ortskenntnisse).
Nach 4 Wochen wissen wir nun besser wie der Hase läuft. Die meisten Ängste sind unbegründet – Grossstädte sind da wie dort in etwa gleich „gefährlich“ und in der Masse zu reisen ist nur bedingt lustig. Also haben wir einiges storniert und organisieren unser Programm nun selber spontan in den Häfen.

30.01.2020: Seetag Patagonien I

Auch im Südatlantik, auf dem 47igsten Breitengrad, könnte das Wetter nicht schöner sein. Sonne,, mässige Brise aus West und 17 Grad. Wir richten uns auf zwei Seetage ein.

Unser Bauchfettweg- und Antipneu-Programm verlangt unseren vollen Einsatz. Also Runden drehen auf Deck 7. Bisherige Erfolgsstatistik: 12500 Schritte pro Tag (im Durchschnitt) und die Garderobe aus dem Reisekoffer passt immer noch. Wir können noch hoffen. Allerdings winkt das Dessertbuffet mit sämtlichen Wimpeln und Fahnen der christlichen Seefahrt, um auf sich aufmerksam zu machen. Ob wir Kurs halten können, weiss wohl nur das Kreuz des Südens.

Ausflüge wie gestern bieten immer auch die Gelegenheit für ausgiebige Feldstudien des Homo sapiens. Wobei dieser öfters zum Homo egomanis und gehäuft auch zum Homo nörgelensis mutiert. Dass sich diese Mutationsvarianten geographisch lokalisieren lassen, ist entweder ein Gerücht oder einfach der Tatsache geschuldet, dass wir aus sprachtechnischen Gründen oft zur gleichen Zeit, am gleichen Ort sind.

Auffällig ist aber schon, dass es eine signifikante Korrelation zwischen jenen, welche das automatisch verbuchte Trinkgeld der MSC (10€ pro Tag – ich habe früher darüber berichtet) verweigern und denen gibt, die auch dem Tourguide konsequent das Trinkgeld verweigern. Das sich die Rumnörgeler, Berufsmotzer Vordrängler und die Fensterplatzreservierer statisch aus der gleichen Population rekrutieren, muss wohl Zufall oder ein persönliches Vorurteil sein.

Ich würde mich auf jeden Fall aufrichtig freuen, wenn dieses ärgerliche Vorurteil endlich mit einem echten Tatbeweis widerlegt würde. 90 Tage verbleiben dazu noch.

29.01.2020: Puerto Madryn, Patagonien

Pingu ohne Eis

Ich habe bei der Einfahrt in die Bucht die Wolken gezählt. Es sind genau Null! Ein herrlicher Sommertag mit rund 20 Grad und hoffentlich vielen Viechern erwartet uns.

Und kaum aufgestanden geht unsere 8,5 stündige Tour zu.einem weiteren Weltnaturerbe- der Halbinsel Valdez – los. Spätestens jetzt realisieren wir, dass wir ja nicht in der kleinen Schweiz, sondern im grossen Argentinien sind. Die Dimensionen sind gewaltig. So auch die Distanzen.
Erst fährt der Bus durch Madryn. Keine Perle unter den Städten aber eindeutig eine Pionierstadt. Sie weckt Erinnerungen an Arizona, Wildwest und Route 66. Am Stadtrand dann erst mal ein Aluminiumkombinat, das soviel Strom verbrauche ( laut Reiseleiterin) wie eine Millionenstadt. Und wir dachten wir würden Meeresgetier zu Gesicht bekommen. Weiter geht es über staubtrockene Pisten durch endlos karges Buschland. Wobei mit Busch eher Gingster, Dornengestrüpp und Grasland gemeint ist.

Ein Bremsmanöver mitten im Nichts weckt uns aus dem einlullenden Gebrumm des Dieselmotors. Die Reiseleiterin zeigt auf eine kleine Herde Guanakas – eine Art Minikamel, verwandt mit den Lamas – welche am Strassenrand grast. Ein paar Kilometer später wieder ein Halt mitten in der Pampa. Stella – so heisst die Lehrerin, welche uns begleitet – kann sich vor Begeisterung kaum halten – Maras (für nicht Eingeweihte: mit dem Hasen verwandter Nager auf vier Beinen ohne Hoppel, dafür schnell) – ein seltener Zufall, diese zu Gesicht zu bekommen, da sie sehr scheu sind.
Wir fahren das einzige Dörfchen – Puerto Pyramid – auf der riesigen Halbinsel an. Hübsch, in einer schützenden Bucht gelegen, erinnert es an eine Hippiesiedlung in New Mexiko. Der kleine malerische Ort ist Ausgangspunkt für Walbeobachtungen Diese gebären zwischen Juli und Dezember ihre Jungen in der Bucht. Leider sind sie schon weg.

Es geht, begleitet von viel Fachwissen über die Fauna der südlichen Hemisphäre, an den Punta del norte. Hier erwartet uns das erste Highlight – eine grosse Seelöwenkolonie. Und tatsächlich empfängt uns ein Geknurre und Gezanke am langen Sandstrand. Auf über einem Kilometer liegt Harem an Harem und passt auf ihren Nachwuchs auf; immer bewacht von einem riesigen Chef des Hauses. Diese haben allerdings einen riesigen Stress. Ständig werden sie von jüngeren Halbstarken bedrängt oder müssen ihre Frauen und Jungmannschaft im Zaum halten. Man könnte dem Treiben stundenlang zusehen. Ein echt archaisches Bild das sich in die Erinnerung eingräbt.
Beim Einstieg in den Bus dann eine weitere Begegnung der dritten Art. Aus dem Gebüsch krabbelt ein kleines Gürteltier, läuft über den Kiesweg und verschwindet in den Sandhöhlen der Düne. Entlang der endlosen Küste geht es weiter zu den Magellan- Pinguinen.

Und da hocken sie im Sand faul an der Sonne. Es ist windig und der feine Sand peelt das Gesicht mit fiesen Nadelstichen. Die Watschelvögel sind kaum 70 cm hoch und wohl an die zahlreichen Fotographen gewöhnt. Es kümmert sie schlicht nicht.

Auf der Rückfahrt dann noch ausserplanmässig ein Nandu. Ein Ministraussenvogel auf Stelzenbeinen. Auch eine unangekündigte Sichtung der seltenen Art, da sich der scheue Vogel gut versteckt im gleichfarbigen Gestrüpp.

Ein Tag voller Emotionen und tierischen Begegnungen. Der neue Reiseabschnitt – fernab der Zentren – hat vielversprechend begonnen. Der südlichste Punkt unserer Reise – Ushuaia – naht. Am Samstag früh laufen wir in den Hafen.

28.01.2020: Auf dem Südatlantik

Wieder weckt uns eine gleissende Sonne durchs Bullauge. Dies nun aber immer früher. Ein untrügliches Zeichen, dass wir uns in höheren (oder eben tieferen) Breitengraden befinden und wir Sommer haben. Auf Deck 7 empfängt uns klare Luft und eine salzige Meeresbrise. Perfekte Temperaturen. Wie vom Kapitän angekündigt, nähern wir uns den “wilden Vierzigern“.

Nun verlassen wir die geschichtsträchtigen Grossstädte Lateinamerikas, mit all ihrer Geschichte, Kultur und sozialen Problemen und widmen uns im nächsten Abschnitt der Reise ganz der Natur, den Tieren des Meeres und des Südens, der Landschaften und den Launen des Wetters.
Alysson hat uns in ihrem Vortrag über Puerto Madryn – übrigens eine Gründung walisischer Einwanderer im 19ten Jahrhundert- darauf eingestimmt. Uns erwartet die Halbinsel Valdez mit Pinguinen, Seelöwen und anderem Getier. Die Kamera ist geladen, die Reservebatterie ebenso und der Feldstecher ist eingepackt.

Was sind die 3 grössten „Probleme“ des Kreuzfahrers?

1.) Wie vermeide ich die Fettleibigkeit, die Völlerei und den Kauf einer neuen Garderobe?

Geht nicht, das Fleisch ist willig und der Geist ist schwach.

2.) Wo und wann gibt es Internet und hat mein liebstes Spielzeug (Handy) wieder einen Nutzen?

Man freut sich wenn es geht und widmet sich ansonsten dem Schiffsprogramm.

3.) Wie organisiere ich meine Wäsche, ohne Privatinsolvenz anmelden zu müssen?

Man lernt ein neues Handwerk namens Handtumbler, montiert Leinen und Wandhaken und versucht dem Kabinensteward nicht in die Quere zu kommen.

Wie ihr seht, kaum zu lösende Herausforderungen -;).

27.01.2020: Montevideo, Uruguay

Costa Pacifica im Hafen von Montevideo
Zufälle gibt’s

Montevideo empfängt uns unspektakulär. Ein einziger Glaspalast, einem Segel nachempfunden, hebt sich von der Skyline ab. Uruguay? Never heard about. Ein paar Stichworte vielleicht. Tupamaros, die erste Stadtguerillia in den 70igern, Schweiz Lateinamerikas – Sendepause.

Je weniger man weiss umso weniger falsche Bilder im Kopf, umso weniger Vorurteile und umso grösser das Staunen. Wir machen uns zu Fuss auf den Weg in die Stadt. Das Stadtzentrum liegt nahe. Als Erstes stechen uns die zahlreichen Wandmalereien, gesprayten politischen Parolen und handgestrickten Flyer an den Wänden auf. Kaum eine Wand, die leer ist. In der ganzen Altstadt (ciuida vieja) Free WiFi, eine ruhige Atmosphäre und relaxte Bewohner. Dazwischen kleine, von Künstlern und Schülern gestaltete Hinterhöfe. Kleine grüne Parkanlagen. Überall Parkbänke, Kaffees und kleine Marktstände. Selbst dem Plaza indenpenzia im Zentrum, geht das Mondäne ab.

Einzig ein hässlicher Turm, vermutlich 30igerjahre Brachialstil, fällt aus dem Rahmen. Wir setzen uns in ein ein Kaffee und nutzen das Stadt-WiFi, schreiben WhatsApp, geniessen die Unaufgeregtheit der Stadt und die Ruhe. Wir streifen durch den Flohmarkt und decken uns mit Souvenirs und Kleinigkeiten an den Marktständen ein.

Montevideo erscheint mir wie die vergessene Tochter Lateinamerikas. Kein Vergleich zum mondänen Buenos Aires mit den Weltstadtallüren oder der Eitelkeit Rios. Uns gefällt es sehr. Ebenso die offenen Menschen mit denen man sofort ins Gespräch kommt. Unser Spanisch wird immer besser -;)

Nachdem die eingewechselten 50$ (gibt 1800 Uruguay Pesetas) ausgegeben sind, kehren wir aufs Schiff zurück. Und – es gibt Zufälle, die nur das Leben möglich macht. Wir waren einmal auf einer Kreuzfahrt – vor 9 Jahren, auf die Spitzbergen, mit der Costa Pacifica – und welches Schiff fährt in den Hafen ein und parkt neben uns? Die Costa Pacifica!

Was haben wir über Uruguay gelernt?

Das Erbe der Tupamaros lebt weiter. Legalisiertes Canabis, ein wunderbar gestalteter Platz im Gedenken an die Diskriminierung sexueller Minderheiten, gelebte Politik an den Hausmauern, ärmlich, friedlich, entspannt. Mujica, der letzte Präsident, ein ehemaliger Stadtguerillia der Tupamaros, ist allgegenwärtig. Hier hat man das Gefühl der Mensch und nicht Grossmachtsfantasien stünden im Mittelpunkt. Und angeblich soll der Wein aus Uruguay hervorragend schmecken und die Sandstrände am Rio de la Plata (nicht besucht) Weltklasse sein.

26.01.2020: Buenos Aires segundo dia

Vende – ein Objekt mit viel Ausbaupotential

Auch der Kreuzfahrt-Gringo ist lernfähig und so haben wir uns zu einer fünfköpfigen Gringogang zusammengeschlossen und uns mit zwei Taxis vor die Stadt, an den Tigre chauffieren lassen. Der Tigre bildet da ein grosses Delta mit vielen Inseln, und vereint sich dann mit dem Rio de la Plata.

Die Taxichauffeure entpuppten sich rasch als 6er im Lotto, spielten den Reiseführer, organisierten gleich eine Bootstour und führten uns nach dieser in ein lauschiges Strassencafé im Regataclub. Selbstverständlich, dass sie uns in der Stadt noch beim Bankomaten vorbeiführten, bevor es um 15 Uhr zurück ans Terminal ging. Alles für eigentlich nix.

Was soll ich berichten? Es war der perfekte Tag voller schöner Überraschungen. Hilfsbereite, freundliche Menschen – zwar alles in Spanisch, aber das geht ganz ordentlich mit Händen und Füssen – eine Bootstour der Superlative, einem Traumwetter und fernab anderer Cruzados.

Der Tigre liegt ca 40 km nördlich des Stadtzentrums und dient als Naherholungsgebiet für die Stadt und als beliebte Ferienregion für betuchte Argentinier. Auf den unzähligen Inseln, des dicht bewaldeten Schwemmlandes, das von dutzenden kleineren und grösseren Flussläufen und Seitenarmen zerteilt wird, stehen verstreut kleinere und grössere Ferienhäuschen. Von der einfach gezimmerten Hütte auf Stelzen (Hochwasser), bis zu Villen der gröberen Sorte, ist alles zu finden. Absolut malerisch. Am liebsten hätte ich dem Häusermakler ein Pauschalangebot für ein Dutzend „vende“ Anwesen gemacht. Schade nur ist es so weit weg.

25.01.2020: Buenos Aires

La Boca

Ein ausgewachsenes Gewitter empfängt uns in Argentinien. Morgens um fünf erhellen Blitze das Bullauge und wir steigen hoch auf Deck 13 Mausseelenallein hocken wir mit einer Tasse Kaffee am Heck und lassen es an uns vorüberziehen. Die Regenwand entschwindet über der Küste von Uruguay, links empfängt uns ein „Kanonenboot“ der argentinischen Küstenwache

Gestern Abend kamen wir noch in den Genuss einer wirklich tollen Broadway-Show im Theater. Das Kulturprogramm ist eine wahre Inspiration. Nach Samba in Rio, nun Tango in Argentinien. Wir sind gespannt.

Nun hocken wir also im Tourbus und lassen uns Buenos Aires näher bringen. Ausser den paar eher dürftigen Fakten von Alyssons Vortrag, Evita Perron, Militärdiktatur, Falklandkrieg, Maradona, Gauchos und Feuerland lief das Land bisher unter unserem Radar. Nach der imposanten Skyline bei der Einfahrt sind wir neugierig geworden und die Tour ist Bestandteil des Reisepackets.

Erst geht es über eine breite Strasse geradewegs ins historische Zentrum. Dieses liegt kaum einen Kilometer vom Hafen. Monumentale Bauten aus der argentinischen Gründerzeit (Ende 19tes Jahrhundert bis in die 40iger des letzten Jahrhunderts). Man hat das Gefühl man wäre in Paris, Madrid oder London. Riesige Plätze, Denkmähler, Monumente und Prachtsalleen erwecken den Eindruck einer Weltmacht. Am Strassenrand aber einfache Marktstände mit einem eher armseligen Angebot. Am berühmten Plaza del mayo steigen wir aus und lassen ihn auf uns wirken.

Irgendwie springt aber der Funke nicht über. Immerhin finde ich hier meinen Aufnäher auf Anhieb bei einem fliegenden Händler.

Weiter geht es ins Quartier „La Boca“, vorbei am gleichnamigen Fussballstadion, wo Maradona einst spielte, mitten ins ehemalige Einwandererquartier. Dies waren vorwiegend Italiener, Spanier und Deutsche (über eine Million). Arme Schlucker auf der Suche nach einem besseren Leben (kommt mir irgendwie bekannt vor – siehe Mittelmeer etc.) Diese haben aus Wellblech und billigem Material Hütten zusammengezimmert und darin gehaust. Heute ein buntes, pittoreskes Künstlerviertel mit integrierter Touristenfalle. Schön anzusehen, farbig, improvisiert mit einem Hauch Avantgardismus. Zum Flanieren, Stöbern und Tango (Bars, Clubs etc. ) der ideale Ort. Es ist um die Mittagszeit und es ist drückend heiss – um die 34 Grad. Froh nach einer Stunde in den gekühlten Bus steigen zu können, geht es weiter ins moderne Buones Aires.

Was für ein Kontrast. Kaum 15 Minuten später sind wir im neuen Hafenviertel. Es sind die Glastürme mit welcher uns die Skyline heute früh empfangen hat. Auf einem Flussdelta gelegen, umgeben von einem Naturschutzgebiet, integriert in lange rote Lagerhäuser aus rotem Backstein, die heute als Büros, Kneipen, Lofts und Co-Workingspaces genutzt werden. Eine getreue Kopie der Speicherstadt in Hamburg.

Und weil der betreute Tourist nun mal ein Gefangener der Tourismusindustrie ist, macht er auch Dinge, die er nicht mal in seinen Albträumen auszudenken wagt. Höhepunkt und Krönung der Tour ist der Besuch Evita Perrons Gruft auf dem Friedhof der Betuchten, Generäle und anderer Verewigten. Wir zwei, bei 36 Grad, zusammen mit 2000 anderen, in der Schlange, zwischen den Mausoleen von Ramires, Bernals und Novarras. Ein wahrlich mythisches Erlebnis. Ob Evita vor Freude über unseren Besuch geschrien hat, ging beim Gedränge und Geschubse leider unter.

23./24.01.2020: Seetage

Auf dem Rio de la Plata

24.01: Rio de la Plata

Der Tag begrüsst uns mit Sonnenschein und angenehmen Temperaturen. Der Wind hat sich gelegt und die Dünung beruhigt. Ein Vortrag über Uruguay bereichert den Vormittag. Ein weiterer Akt der Kolonialgeschichte. Spanier gegen Portugiesen mit wahlweisem Support durch Engländer und Franzosen. Am Ende entstand Uruguay. Am Montag wissen wir mehr.

Nach einer ruhigen Fahrt Richtung Süden, erreichen wir gegen Abend die Mündung des Rio de la Plata, mit 220 km Breite ein imposanter Fluss. Rechts Punta dem Este in Uruguay, links, irgendwo die argentinische Küste. Leuchttürme am Horizont, ein roter Himmel und eine milde Brise empfangen uns. Morgen früh Buones Aires

Wir haben eine simple Kreuzfahrt für Senioren gebucht. Was wir nun bekommen ist: Geschichtsunterricht (europäische Kolonialgeschichte), Soziologie und Psychologie. (Passagiere), Politik (Klima, #FFF, Polizeistaaten, Internationale Regulierungen etc), Wirtschaft und Unternehmensführung (Kreuzfahrtindustrie) und viel Zeit für sich selber

23.01: Hohe Dünung

Raue See vor der Küste Brasiliens

Schon die ganze Nacht brandet eine hohe Dünung gegen das Schiff. Auf Deck und vor allem den Treppen haut es einen an die Wände. Am späteren Vormittag dann der erste Regen dieser Reise. Er gleicht einer warmen Dusche und es kühlt kaum ab.

Das Gerücht, dass die brasilianischen Behörden den Vortrag über Rio verboten hätten, wurde heute von Alysson, der Präsentatorin, bestätigt. Echt nicht zu glauben, welche Willkür Behörden eines Polizeistaates an den Tag legen. Schwachsinn auf die Spitze getrieben, ist noch nett ausgedrückt.

Der Vortrag über Argentinien und Buenos Aires hat Lust auf eine mir bisher unbekannte Stadt gemacht. Nun sind wir beide gespannt.

Heute kam die erste Abrechnung auf die Kabine. Noch müssen wir keine Privatinsolvenz anmelden.

Ich bin bereits beim Gestalten eines Foto- und Reisetagebuchs. Ob es einen oder gar mehrere Bände geben wird, ist noch unklar. Bis Lissabon sind es schon mal 16 Seiten.

Muss ich mir Sorgen machen?

Es ist nicht zu glauben, aber in Rio habe ich doch tatsächlich den Triple-Award der Verkalkung gewonnen.

Nach jedem Landgang gibt es, analog zum Flughafen, einen Security-Check. Man legt also seine Kamera, iPhone, Einkäufe und alles was Piiip machen könnte, auf‘s Band. Den piepsenden Gürtel behalte ich an, damit ich von den bildhübschen Security-Schönheiten handgescannt werde -;). Nun, Blödheit wird bekanntlich sofort bestraft. Das erste mal fehlt mir die Lesebrille, beim Versuch ein Preisschild zu entziffern. Also zurück zur Station, mit Händen und Füssen nach einer liegengebliebenen Brille fragen – und sieh da, sie wurde sichergestellt und mir, mit einem Lächeln, ausgehändigt.
Nächster Tag. Vor der Gangway eine Zutrittskontrolle durch die MSC-Crew. Vorweisen der Boardkarte. Nervöses kramen in den Hosentaschen, roter Kopf, himmelherrgottnochmal, wo ist die Karte? Natürlich bei den Security-Girls. Die Halle zurück, verlegen lächeln und siehe, da ist sie

Schwein gehabt, sie lassen mich boarden.

Und weil der Geschichte noch die Pointe fehlt – muss Ich noch die Überreste meiner Real los werden und durchstreife den Hafenmarkt vor dem Ablegen nach Mitbringseln – werde fündig und decke mich mit Rio-T-Shirts ein. Nach dem Sicherheitscheck und weiterhin mit überflüssigen Reals gesegnet erblicke ich eine Drogerie. Nix wie rein und den Rest in Rasierschaum investieren. Saldo Null. Mission erfüllt. Ob sie denn die Dose eintüten solle, meint die Dame in fliessendem Portugiesisch. Nö, nö, ich kann sie in den Sack mit den T-Shirt stecken – man gibt sich ja umweltbewusst. Aber wo ist der Plastiksack? Ihr ahnt es….

Aufstand im Paradies :

MSC belastet pro Tag und Passagier 10€ als sog. Service Gebühr (Trinkgeld). Dieser Betrag wird wöchentlich der Kreditkarte belastet. Auf 116 Tage gerechnet sind das stolze 1160€ pro Passagier, bzw 2320€ pro Kabine. Dieses Geld soll gem. MSC unter allen Angestellten verteilt werden.
So weit, so klar oder eben auch nicht.

Die meisten Deutschen Gäste haben Widerspruch eingelegt, da nach ihnen ein Trinkgeld auf Freiwilligkeit beruht. Nach EU Rechtssprechung ist das möglich und die Service-Charge wird ihnen erlassen. Aus nachvollziehbaren Gründen wollten das einige Schweizer Reisende auch. Und siehe da, da die Schweiz nicht in der EU ist, gilt das für Schweizer Passagiere nicht und der Salat ist angerichtet. Zwei Sorten Gäste an Board stört das Gerechtigkeitsempfinden des tapferen Eidgenossen empfindlich, da probt er den Aufstand! Angeblich soll es die Justiz richten. Erfolgsaussichten unbekannt.

Liebe MSC,
ihr tut gut daran über die Bücher zu gehen. Sowas schadet eurem Image massiv.
Auf einer Weltreise reist ein anderes Publikum, als auf einer Schnäppchenfahrt im Mittelmeer.

Wie immer in solchen Fällen wird das Gerechtigkeitsempfinden stark strapaziert. Ausserdem entstehen Gerüchte.
Wer bekommt das Geld, wer überwacht die Verteilung, kassiert das die Firma, bekommen es die Richtigen?

Warum nicht einfach die Preise entsprechend anheben und damit bessere Löhne bezahlen? Wäre für alle fair, transparent und nachvollziehbar. Nach meiner Kalkulation wären das pro Angestellten (gem MSC Angaben ca. 1000) immerhin 600€ mehr Lohn pro Monat. Deal?

Und um es deutlich zu sagen: Es geht nicht um die Aberkennung der Leistungen des Personals. Es geht um Transparenz und gleiche Rechte für alle.

Es dürfte im eigenen Interesse von MSC sein, wenn sie bis zum Ende der Reise eine Lösung präsentiert. Passagiere sind Botschafter und erzählen Ihren Freunden von ihren Erlebnissen zu Hause

22.01.2020 Rio Tag 2

Heute erholen wir uns von den Strapazen der Grossstadt, bzw. des Massentourismus. Wir machen nur kurze Ausflüge ins naheliegende Quartier, besorgen Souveniers und datieren uns via WiFi im Hafenterminal mit Aktuellem von zu Hause auf. Die Massen haben die Magnifica verlassen und so geniessen wir die Ruhe auf dem Deck.

Es ist auch Musse für Reeflektionen und um die Lawine von Eindrücken zu sortieren.

Ja, Rio ist eine Reise wert. Allein die landschaftliche Kulisse ist ein Blick wert. Aber auch die Kontraste, die Strände, das Essen und die Musik sind Weltklasse.

Ein Schatten legt sich aber auf die Pracht, wenn man an den abgeholzten Regenwald denkt, die Brände im Amazonas, die Armut und das Los der Indigenen. Zum Ausdruck gebracht durch Bolsonaros faschistoide Politik. Da täuschen auch die bildhübschen Security-Girls am Zoll nicht darüber hinweg.

And there is one more thing…

Wir reisen auf einem „Schiff voller Narren“ (auch bekannt als Narrenschiff, von Sebastian Brant und dem gleichnamigen Film von Stanley Kramer, 1965) und setzen uns in einen vollbesetzten 6er-Bus -;)

Das Durchschnittspublikum gibt in der Tat wenig Anlass zur Inspiration. (Ausnahmen bestätigen die Regel). Da nervt sich der Korintenkacker aus Bus Nummer 18 über fehlende Zahnstocher – war es zu Zeiten, als Rio noch von der Pleite gegangenen Swissair angeflogen wurde, alles besser und der Ex-Pilot (eine reine Vermutung) wartet konsequent auf das beste Filetstück und wird prompt mit Fett voll gespritzt…
Die lieben Aurea-Gäste haben natürlich nur Privilegien und Anrecht auf nur das Beste – man hat schliesslich dafür ordentlich gelöhnt.
Und dann verirren sich so zwei Proleten in den Car und benehmen sich so gar nicht wie Ihresgleichen. Gleich zwei Sechser in einem Bus – eine echte Zumutung!

21.01.2020 Rio de Janeiro

Der erste Eindruck – ein Bild

Zuckerhut (fotographiert vom Corcovado)

Jetzt weiss ich endlich, was ein „place where you have to have been“ ist. Rio!
Schon die Einfahrt in die Bucht ist ein spektakuläres Erlebnis. Im Minutentakt ändert sich das Bild. Inselchen ziehen vorbei. Einmal versteckt sich der Corcovado dahinter, dann schiebt sich der Zuckerhut in die Szene. Zwischen den unzähligen grünen Hügeln, Hochhäuser, Glaspaläste und Wohntürme. Wie Ranken klettern dahinter die ungezählten Favelas die Steilhänge hoch. Man hat ja viele Bilder von Rio im Kopf. Zuckerhut, Christusstatue, Cocacabana und Samba gehören ja zum Allgemeingut. Und doch, ist man erschlagen, wenn man davor steht.
Ursi meinte zwar eingangs Bucht, es wäre ja nicht besonders spektakulär – verstummte dann aber von Minute zu Minute und kam kaum mehr aus dem Staunen heraus.

Und dann also rein in den Bus Nummer 18 auf die 8-stündige Monstertour auf den Corcovado und den Zuckerhut mit Cocacabane, Sambadrom und quer durchs Zentrum, vorbei an Favelas und durch Nobelquartiere.

Nirgendwo sind die Gegensätze zwischen Arm und Reich so krass und so nah beisammen, wie hier. Das Bild wechselt von einer Strassenkreuzung zur andern. Hier Luxus, da Bruchbuden. Wie Narben schieben sich die Armenviertel zwischen die Geschäftsviertel und bilden einen ganz besonderen Spannungsbogen. Wie moderne Kunst hingekleckert, bereichern die schiefen Hütten und bunt verschmierten Fassaden, die dunklen Fensterhöhlen und schiefen Dächer die kalten, schmucklosen Fassaden der modernen Architektur. Gleichzeitig sind sie ein Mahnmal der schreienden Ungerechtigkeit und lösen Bedrückung aus.
Hilflos steht man da und knipst ein Bild und erwartet das nächste Highlight dieser 6-Millionen-Stadt.

Dann geht es als erstes hoch zur weltberühmten Christusstatue. Schnell und sicher mit Schweizer Ingenieurskunst. Die Bahn ist eine getreue Kopie der Jungfraubahn (Baujahr 1882) und die Züge sind brandneu von Stadler Rail.
Die Trassee führt steil bergan- der Gipfel liegt auf über 700 m –

durch ein dichtes Blätterdach. Gummibäume, Stinkfrucht, Lianen und anderes exotisches Gesträuch zeigt an, dass man in einer tropischen Klimazonen ist. Mit dem Wetter haben übrigens ausserordentlich Glück, eine Kaltfront liegt über der Stadt, es ist teilweise bedeckt und nur 28 Grad. Vor einer Woche waren es angeblich noch 43.

Oben dann das grosse Gedränge. Hier wird einem dann die Schattenseite des „betreuten Reisens“ bewusst. Es wird geschupst, gedrückt und gedrängelt um seinen „Followern“ via Selfie beweisen zu können, dass man da oben stand. Wir konzentrierten uns auf zwei Dinge: a) dass wir uns nicht verlieren und b) die wirklich fantastische Aussicht in die Tiefe, Rio und die Bucht. Ach ja, und der steingewordene Heiland im Nachthemd ist wirklich gross. So um die 30 Meter.

Runter kommt man immer und so führt uns Bahn und Bus in ein typisch brasilianisches Restaurant in Ipenama – ein historischer Stadtteil von Rio – zum Mittagessen, einem Assado.

Hier zelebrieren Cornivatoren ihre Messe. Ein riesiges Buffet dient als Grundlage für Fleisch am Spiess. Fast im Minutentakt schneiden Kellner Fleischstücke in den Teller. Corrizzo, Kalb, Rind, Schwein, Lamm, von der Schulter, Lende, Rücken, Filet….und man isst bis man platzt. Also Fleisch beherrschen sie wirklich. Ich hatte noch nie so gutes Fleisch.

Erst jetzt realisieren wir, dass Corcovado und Zuckerhut an einem Tag eine blöde Idee war. Wir sind schon auf den Stümpen aber da müssen wir durch.

Entlang der Cocacabana – Rimini ohne Sonnenschirme und gegrillte Teutonen – quer durch die Stadt zum Zuckerstock. Auch hier Schweizer Technik, wie betont wird – eine Seilbahn von cwa. Diese führt über einen Vorgipfel, in zwei Etappen auf dem Berg. Auch hier drängeln und anstehen, wie am Zoll in Chicago…und wieder eine Aussicht der Sonderklasse. Müde und mit angeschwollenen Füssen sind wir um 17.30 zurück auf dem Schiff.


Sambashow auf dem Pooldeck. Der Rhythmus der Trommeln geht unter die Haut. Die Samba-Tänzerinnen beweisen wie gut brasilianische Schönheitschirurgen sind. Im übrigen ist ziemlich sexistisch. Wem‘s gefällt. Wir sind dann ins Bett.

Der Tag hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Die einmalige Kulisse aus Landschaft, Städtebau, Kontrast zwischen Arm und Reich einerseits aber auch unsere Isolation als betreute Gruppenreisende. Morgen gehen wir mal auf eigene Faust los.

20.01.2020 Seetag

Abendstimmung auf Deck 14

Seetag Brasilianische Küste

Ein ruhiger Tag. Wenig Programm und wir spüren erstmals die „Bürde des Reisens“ – sprich: „Wir sind auf dem Gummi“. Zeit für sich und zum nichts tun.

Wir sitzen am Heck und lassen uns mikrowellenmässig garen. Ursi liest und ich schreibe an meinem Blog.

Ich habe mir nochmals die Antworten der MSC Crew auf die Fragen zu Umwelt, Treibstoff und Zukunft der Schifffahrtsindustrie durch den Kopf gehen lassen. Leider – oder soll ich sagen, wie nicht anders zu erwarten? – mit ernüchterndem Resultat.
Keine der Fragen wurden wirklich beantwortet. Bei näherer Betrachtung war es eine reine PR Show.
Warum nicht überall mit Schiffsdiesel gefahren wird und nicht nur in den Häfen, wo es entsprechende, nationale Auflagen gibt, wurde elegant umgangen mit dem Hinweis, man verwende ja schon den viel saubereren Treibstoff. Also Schweröl mit 0,5 statt 3,5% Schwefel, der bis Ende 2019 noch zugelassen war.

Man verkauft also eine (überfällige) gesetzliche Regelung (die für alle gilt) als Heldentat. Ebenso der Einbau des Scrubbers oder der Hinweis zukünftig würde mit LNG gefeuert und damit keine Umweltschäden mehr verursacht. Ja, Schwefel und Feinstaub ist dann weg und was ist mit dem CO2?

Liebe Kreuzfahrtindustrie,
PR um keine Kunden zu verlieren und der Hinweis Gesetze einzuhalten genügen nicht!
Ich prophezeie euch, dass ihr das noch schmerzlich lernen werdet.
Wenn diese „Haltung“ eines unmissverständlich belegt, dann die Tatsache, dass nur verbindliche Gesetze und Vorschriften auf nationaler und internationaler Ebene etwas bewirken. Profit vor Klima gilt auch hier. Wer etwas anderes glaubt, ist naiv

Trotz aller Widersprüche – vom Klima bis zum Elend in den brasilianischen Favelas – geniessen wir das Privileg dieser Reise. Vielleicht ist es gerade dieser Spannungsbogen, der diese Reise so faszinierend, lehrreich und unvergesslich macht.

Spannend ist das Tagesgangwetter in den Tropen, bzw. dem Meer, wie Bucheli zu sagen pflegt. Am frühen Morgen ein klarer Himmel und schon kurz nach Sonnenaufgang um ca. halb sechs, brütend heiss. Gegen Mittag türmen sich bereits die ersten Wolkenberge am Horizont und Gewitter entladen sich. Am späten Nachmittag trübt es bei angenehmen Temperaturen ein.

Und nun kreuzt uns erstmals auf dieser Reise ein anderes Kreuzfahrtschiff der MSC in Rufdistanz – MSC Musica, wie ich zu erkennen glaube. Es fährt Richtung Norden. Bald ist nur noch ein kleiner Punkt im blauen Nichts zu erahnen, dann entschwindet es zwischen den Wolkenbergen. Grösse schrumpft auf dem weiten Ozean schnell zur Bedeutungslosigkeit.

Heute fiel der Vortrag über Rio aus. Es geht das Gerücht um, die brasilianische Behörde hätte verboten, dass innerhalb der 200 Meilen-Zone ein Nicht-Brasilianer*in etwas über Brasilien erzählt. Da regen sich in mir gleich alle Renitenz-Antikörper. Werde versuchen mehr zu erfahren.

19.01.2020 Salvador de Bahia (Brasilien)

Nun haben uns die günstigen Winde und der Autopilot also unversehrt in Südamerika stranden lassen. Salvador de Bahia heisst der Ort wo wir „ankern“. Salvador liegt im Nordosten Brasiliens 12 Grad Süd, 34 Grad West) und hat etwa 3 Mio. Einwohner. Sie ist die älteste Stadt Amerikas (gegründet 1543), wird vor allem von ehemaligen Afrikanern (Nachkommen ehemaliger Sklaven) bewohnt. Auch hier also Kolonialgeschichte zum anfassen. Wir machen einen mehrstündigen Bummel durch die historische Altstadt.

Und jetzt sind wir also da. In der ältesten europäischen Stadt Amerikas und wir sind erschlagen. Erschlagen von den wirklich krassen Kontrasten. Links Favelas (bei uns sind Bruchbuden in besserem Zustand), Rechts moderne Hochhäuser und eine Skyline wie Manhattan. Nach einer kurzen Busfahrt von der Unterstadt, wo praktisch alles leer steht und die Häuser in sich zusammenfallen- vom aussteigen und zu Fuss gehen wird mehrfach dringendst gewarnt – stehen wir in der Historischen Altstadt. Ein Weltkulturerbe auf einem Plateau. Die Aussicht auf Hafen und Bucht ist grandios. Die Luft vibriert von Trommelklängen. Die Farben der Kleider, Fassaden und Marktständen machen fast besoffen. Die alten Gemäuer, ein bunter Mix aus dem 16 bis 19. Jahrhundert, teils sorgfältig renoviert, teils angemodert und am zerbröckeln, strahlen eine Atmosphäre aus, die ich noch nie verspürt habe und für deren Beschreibung die Worte fehlen.

Doch bei aller Exotik und betäubten Sinnen, die Realität lässt sich nicht ausblenden. Vor jeder Seitenstrasse wird gewarnt – und ja, freiwillig würde man da kaum durchgehen- und an jeder Ecke steht martialisch bewaffnete Militärpolizei. Ich möchte nicht wissen, was die machen, wenn die einen Taschendieb oder Drogenhändler erwischen.

Heute Abend Samba auf dem Pooldeck. Bis Rio stehen zwei Seetage vor uns. Ob uns diese Stadt auch so packt?

15. – 18.01.2020 Atlantiküberquerung

Hinten liegt die Alte Welt

15.01

Es liegen nun über 2000 Seemeilen (ca. 3600 km) Wasser vor unserem nächsten Ziel, Salvador de Bahia in Brasilien. Das heisst vier Tage Nichts am Horizont, dafür viel Schiffsleben und Begegnungen an Board. Auch das ist Teil der Reise. Mit einem Schlag ist Sommer. Schon morgens um acht ist es auf Deck 13 schwül-warm gefühlte 25-30 Grad. Wir sind in den Tropen.

Gestern lernten wir wieder neue Passagiere kennen. Ein Paar aus Berlin, unverkennbar mit sächsischen Akzent . Er ICE Lokführer, die Ehefrau Bahnbegleiterin. Dann Deutschschweizer aus dem Tessin, eine Alleinreisende aus dem Schwabenland und natürlich den Organisator der Inseltour, einen ehemaligen Verleger aus Hamburg.
Unser Tisch im Quattro Venti entpuppt sich als Drehscheibe der bunten Vögel. Die Holländer haben den Tisch gewechselt und sind nun unter Landsleuten. Dafür fand ein ehemaliges Abwartsehepaar aus Dällikon Platz in unserer Runde. Auch auf diesem Weg lernt man neue Leute kennen.

Ich stelle mir vor, wie sich die ersten Seefahrer in ihren Nussschalen gefühlt haben, die sich ins Ungewisse Richtung Westen aufmachten. Vermutlich Männer,, die nichts mehr zu verlieren hatten und alles auf eine Karte setzten. Tragisch nur, was auf ihre Entdeckungen folgte: Krankheit, Genozid, Krieg, Missionierung, Sklaverei, Diebstahl, Ausbeutung und Kolonialismus. Je länger wir unterwegs sind, umso intensiver „erfahren“ wir die grausame Geschichte Europas. Auch Lateinamerika wird uns dazu vieles lehren.

Wir gleiten durch ruhiges Gewässer knapp über dem Äquator. Es ist schwül und diesig. Die Sicht vom Wasserdampf getrübt. Es fühlt sich an, wie in einem Steamer.

Der Vortrag über Brasilien war, wie gewohnt, lehrreich. Man spürt die Sorgen, die sich Alysson, so heisst die Dozentin, über die Welt macht. Brände im Amazonas, Zerstörung der Biodiversität, Bolsonaro usw. Den Maulkorb spürt man allerdings auch. Ihre Statements sind ziemlich verklausuliert.

Auf Deck 13, beim Lunch, setzten sich zwei Damen aus Kärnten zu uns. Verwitwete Schwestern, die diese Reise zusammen machen. Es entstand ein angeregtes Gespräch über Kinder, Enkel und Erziehung. Wir haben sie zur Teilnahme in der privaten Reisegruppe motiviert. Um zwei dann das Treffen mit den Landgängern von gestern. Austausch über Ausflüge, Tipps und Tricks. Das Grüppchen ist mittlerweile auf über 30 Reisende aus Deutschland, Österreich der Schweiz und Holland angewachsen. Man will sich nun an jedem zweiten Seetag treffen. So intensiv wie ich, haben sich wohl die wenigsten auf die Reise vorbereitet.so holen sie das nun nach.

Auch hier sind meine digitalen Kompetenzen gefragt. Seien es Fragen zum Internet (was die meiste Zeit nicht funktioniert), den Tarifen, aber vor allem den richtigen Einstellungen am Handy. Die Gefahr in eine Roaming-Falle zu tappen, ist tatsächlich gross. Auch ich musste erst alle Cloud-, Backup- und Updatedienste ausschalten. Ich hoffe ich habe keinen vergessen.
Dass weniger digital affine Menschen daran fast verzweifeln, kann ich verstehen. So half ich heute der pensionierten Lehrerin aus Therwil, ihre Fotos auf einen USB-Stick zu sichern.

Das Pooldeck ist jetzt gerammelt voll, was bei den Steamer-Temperaturen auch nicht verwundert. Uns zieht es, wie immer, zum schattigen Heck. Dort frönen wir unserer Leseleidenschaft. Ursi plündert die Schiffsbibliothek und wühlt sich durch Krimis. Nach mehreren Anläufen mit leichter Kost, so auch „Ayla“, bin ich wieder bei schwerer Kost – „Spiral Dynamics“ von D. Beck und C. Cowan gelandet.

Boardleben:
Das Leben besteht aus (meist unbewussten) Ritualen. So auch die Seetage.
Aufstehen zwischen halb sieben und sieben (Sonnenaufgang bewundern). Zehn Stockwerke zur Morgengymnastik zu Fuss. Dann Frühstück, meditieren am Heck. Danach Kampfwandern entlang der Reling auf Deck sieben – 10’000 Schritte sind das Ziel. Zehn Uhr Kultur und Geschichte mit Alysson im Theater. 11 Uhr Ratespiel (Trivia) in der Tigerbar.
Punkt 12 beim Lunch auf dem Oberdeck, die tägliche Durchsage des Kapitäns. „Here is the captain speaking from the navigation bridge. Now we are sailing (die englische Sprache beweist auch hier, den schwarzen Humor seiner Bewohner, angesichts des Drecks, welches die Schiffsschornsteine beim „Segeln“ ausstossen) in the North Atlantik. Our position is…..
Mittagsschläfchen in der Kabine, nochmals Heck, Kaffee und Süsses, Zeitung lesen am Pool, Tanz- oder sonstige Vorführung. Duschen, Nachtesssen, Theater, Bett.

16.01

Auch hier sind meine digitalen Kompetenzen gefragt. Seien es Fragen zum Internet (was die meiste Zeit nicht funktioniert), den Tarifen, aber vor allem den richtigen Einstellungen am Handy. Die Gefahr in eine Roaming-Falle zu tappen, ist tatsächlich gross. Auch ich musste erst alle Cloud-, Backup- und Updatedienste ausschalten. Ich hoffe ich habe keinen vergessen.
Dass weniger digital affine Menschen daran fast verzweifeln, kann ich verstehen. So half ich heute der pensionierten Lehrerin aus Therwil, ihre Fotos auf einen USB-Stick zu sichern.

Das Pooldeck ist jetzt gerammelt voll, was bei den Steamer-Temperaturen auch nicht verwundert. Uns zieht es, wie immer, zum schattigen Heck. Dort frönen wir unserer Leseleidenschaft. Ursi plündert die Schiffsbibliothek und wühlt sich durch Krimis. Nach mehreren Anläufen mit leichter Kost, so auch „Ayla“, bin ich wieder bei schwerer Kost – „Spiral Dynamics“ von D. Beck und C. Cowan gelandet.

17.01 Äquator

Ich habe mir in den letzten Tagen grosse Sorgen gemacht, wir könnten vom Rand der Erde fallen -;)
Jetzt erklärt uns Kapitän Roberto Leotta, wir hätten den Äquator (unbeschadet !) überquert und befänden uns schon südlich dieser gedachten Linie. Die Erde sei eine Kugel! Mein Glaube ist zutiefst erschüttert. Bin ich jetzt ein Globehead?-;)
Ach ja und anscheinend sei man wegen der Fliehkraft der rotierenden Kugel am Äquator, auch noch leichter. Ich hätte mir also das Hungern der letzten Monate ersparen können! Manchmal kann einem Physik ganz schön auf den Sack gehen -;)

Nun also die obligate Äquatortaufe für alle Kartoffelgesichter aus dem kühlen Norden. Es empfiehlt sich somit das Pooldeck um 11 Uhr zu meiden und dem Spektakel aus sicherer Distanz beizuwohnen.

Ja und nun ist der Himmel klar, die Sicht weit und erste Möwen umkreisen das Schiff. Wir hinken der MEZ schon 4 Stunden hinterher – Brasilien muss nah sein.

Wer meint, ein Kreuzfahrtschiff auf Weltreise wäre eine „Blase“ die nur proseccotrinkende, gelangweilte Rentner mit dickem Portemonnaie über die Weltmeere schippert, täuscht sich. Im Gegenteil – das Schiff „ist“ die Welt. Da ist das unterbezahlte Personal aus Madagaskar den Philippinen oder der Ukraine – die Kolonialgeschichte, die sich in den angefahrenen Häfen manifestiert – der Ungleichheit zwischen den Reisenden – die militärische Schiffshierarchie – das Klima, wie die Trockenheit auf Capo Verde, der mitreisende Sohn eines Rinderbarons aus dem Amazonas oder die Brände Australiens – bis zur Rassendiskriminierung, Gleichberechtigung und Homophobie. Eine Weltreise ist das, was man daraus macht. Auf jeden Fall mehr als ein paar zehntausend Meilen auf Wasser und ein paar exotisch klingende Häfen.

Von unserem Männerpaar am Tisch erfuhren wir, dass es eine (nur unter Insidern bekannte) Führung durch den Maschinenraum gibt. Ich konnte mir an der Reception eine Teilnahme sichern. 10 nahmen daran teil.
Hier also ein paar Details aus den Schiffskatakomben:
Es gibt 5 Schiffsmotoren von der finnischen Firma Wärtsilä. Je nach Bedarf werden diese zu- oder abgeschaltet. Die Motoren werden in Küstennähe mit Diesel, auf See mit Schweröl betrieben. Eine Maschine verbraucht pro Stunde 2 t Treibstoff. Alle 5 zusammen also 10, bzw. 240 t/Tag ( bei Maximallast). Die Motoren treiben Generatoren an. Diese unterschiedliche Systeme, wie Antrieb, Licht, Klima etc. Der Durchschnittsverbrauch im Hafen liegt bei 24 t/Tag auf See bei ca. 120-150 t/Tag. Das Schiff hat 3000 t Treibstoff gebunkert. Das reicht für 10 – 15 Tage.

Frischwasser wird aus Meerwasser gewonnen. 2600 t haben Platz in den Tanks.

Das Abwasser wird gereinigt und danach im Meer entsorgt.

Das Schiff fährt im Schnitt mit ca 18,5 Knoten ( ca. 34 km/h). Dazu sind 3 Maschinen nötig. Maximum 22,9 Knoten. Dazu müssten aber alle 5 Maschinen auf Volllast laufen. Das ist aber weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll.

Runter gebrochen auf den Passagier sind das 50 kg Treibstoff pro Tag oder ca. 200 kg CO2 und etwa 0,5 kg Schwefel und Unmengen Feinstaub.
Um das wieder gut zu machen, müssen wir in Zukunft wohl sehr, sehr viel Velo fahren…

Auch wenn MSC ihren CO2 Ausstoss seit Jahresbeginn kompensiert, (CO2-Zertifikate) so hat die Schifffahrtsindustrie und die Regulierungsbehörde (IMO) noch viel zu tun.

Es liegt auch an uns Passagieren, das einzufordern!
Wir werden es auf jeden Fall tun.

Am Abend rockt eine Beatles Coverband die Generation Beatles. Bei Summertime und Yellow submarine geht im Theater die Post ab.

14.01.2020 Capo Verde

Hafeneinfahrt Mindelo

Wieder eine magische Hafeneinfahrt bei kitschigem Morgenrot. Dunkle Berge und schwarze, spitze Felsen zeichnen einen Scherenschnitt in den rosa Himmel. Mindelo ist anders, 1000 mal bunter und abwechslungsreicher als erwartet. Nun sind wir gespannt.

Die privat organisierte Inseltour zusammen mit 14 anderen, uns Unbekannten, entpuppt sich schnell als Geheimtipp. Der lokale Guide, ein 25-jähriger Kreole, informiert in der richtigen Dosis. Erst zahlreiche Plätze, Märkte und Gebäude in Mindelo, dann über Holperpisten quer durch die Insel. Links und rechts zusammengeflickte Hütten, Steine, Sand und nichts. Es ist staubtrocken. Das einzige Grün sind ein paar dornige Sträucher und einige wenige Palmen. An einem malerischen Strand gibt es Mittagessen mit Reis, Fisch und einem Fusel mit eingelegten Zitronen. Sinnigerweise hiess die einfache Bude „ Restaurant Hamburg“. Man erahnt den Versuch aus dem Fischerdorf ein Ferienort zu machen. Ein Versuch ist es wert.

Nach dem Essen eine Fahrt entlang des einzigen Sandstrandes San Vincentes (so heisst übrigens die Insel), der einst von der Sahara hergewindet wurde und dann hoch auf den Monte Verde – dem mit 774 m höchsten Punkt der Insel. Die gepflästerte Strasse windet sich endlos und steil die kahlen Vulkanhänge hoch. Oben ist es merklich kühler und windig. Die Landschaft karg, durchsetzt mit wenigen Agaven. In den Steilhängen sind Terrassenanlagen zu erahnen. Die Rundsicht über San Vincente und hinüber zu weiteren Inseln Capo Verdes ist grandios.

Die Geschichte Kapverdes spiegelt sich auch in den Bewohnern. Es ist ein buntes Gemisch aus allen Farben. Das Schwarze Afrikas, das Braune Arabiens und das Weisse Europas in Haut, Haaren und Wuchs. Die Armut ist greif- und sichtbar. Capo Verde war, durch ihre Lage, einst strategisch bedeutsam für die Seefahrt. Hinterlassen haben die Europäer ein Armenhaus.

12./13.01. Seetage

Sonnenaufgang im Atlantik

Seetag Capo Verde: Nach dem Frühstück

Seetage sind Tage der Besinnung und Gedanken.

Goldene Sonnenstrahlen haben uns heute um 8 durch das grosse Bullauge geweckt. Unsere Kabine liegt auf Deck 5 Backbord (links, in Fahrrichtung) im vorderen Drittel. Die Wege zu den zentralen Schiffseinrichtungen, wie Reception, Meetingräume, Bibliothek, Reisebüro, Theater und Restaurants sind nah. Das Buffet, die Pools und das Sonnendeck sind 8 Stockwerke höher.

Wir nehmen wenn immer möglich die Treppe und meiden die Lifte. Damit verbunden ist unsere leise Hoffnung, dies und die Runden auf den Decks, würden die Folgen der Völlerei etwas abmildern. Immerhin werden wir als „Sportskanonen“ bewundert, was uns natürlich schmeichelt.

Die Entertainer-Crew managt das Schiffsleben abwechslungsreich. Nebst x Tanzkursen gibt es Raterunden, Tai Chi und sogar Sprachkurse. Ich überlege mir gerade einen Spanischkurs.

Seetag Capo Verde: 80 km westlich der Kanarischen Inseln

Wir sitzen auf Deck 13 auf der Terrasse am Heck und geniessen das Dahingleiten und die laue Brise. Es ist leicht bewölkt und um die 20 Grad. Wir sind 27 Grad Nord und nähern uns den Tropen. Winter war letzte Woche. Ab sofort sind die Sommerkleider angesagt.

Gestern Abend verschlug es uns in die Tiger Bar. Angesagt waren Italienische Evergreens. Nach anfänglicher Weigerung, habe ich mich sogar auf die Tanzbühne gewagt. Spätestens die chinesische Taxidancerin im roten Kleid und die Tarantella haben mich aus dem weichen Sessel gelockt. Vielleicht sollte ich mich etwas mehr der Musik hingeben und weniger denken. Hat Spass gemacht. Es gibt sicher noch Dutzende solcher Gelegenheiten.

Seetag Capo Verde, Nachmittag

Ich habe mich an einem Terminal im Internet-Cafè versucht. Es blieb beim Versuch. Zehn Minuten sind umsonst. Der Versuch ebenso. Solange dauert auch das Laden einer Seite. Dann sind 50 Rappen pro Minute (!) fällig. Abzocke hat einen Namen: Internet auf einem Kreuzfahrtschiff! Ich empfehle MSC dringend ein Umdenken. Diese Preise mögen bei der analogen Generation 60+ noch durchgehen. Bei Digital Natives aber kaum.

Geschichte:

Die Fahrt wird begleitet von der europäischen Kolonialgeschichte. Kolumbus war ein Genueser, in Marseille wird und wurde die Fremdenlegion in die französischen Kolonien geschickt. Spanien plünderte das Inkareich und missionierte Mittel- und Südamerika. Denkmäler und Plätze in Barcelona erzählen davon. Das gleiche in Lissabon. Und nun nähern wir uns Mindelo – einst machten hier die Sklavenhändler Halt und verschifften ihre Fracht in die Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen Amerikas.

Seetag: Vor Mauretanien

Im Theater trafen wir gestern Abend Jörn. Ein erfahrener Weltreisender von der Ostsee. Er hat eine Inseltour mit einer Gruppe von 20 Mitreisenden für Mindelo organisiert. Es geht auf den Monte Verde, an die Küste zum Baden und zum Essen in ein Fischerdörfchen. Wir lassen uns überraschen.

Heute ist es schon wieder 3-4 Grad wärmer. Winter war letzte Woche, Frühling in Madeira und nun naht der Sommer mit jeder Seemeile (diese misst übrigens 1,8 km)

Klima, Umwelt und Kreuzfahrt

Das Klima begleitet uns auch an Board. Sei es in (meist kurzen) Gesprächen mit Passagieren oder in den Vorträgen über die angefahrenen Orte. So erfährt man, dass es in Madeira immer weniger regnet, es dort riesige Waldbrände gab, ein Grossteil der Kapverden, wie die Malediven, im Meer versinken werden.
Wie mit der eigenen „Schuld“ umgehen? Ich denke das schwingt bei vielen an Board mit. Ich habe auch noch keine Antwort. Vielleicht finde ich sie noch bis Genua.


11.01.2020 Funchal (Insel Madeira P)

Üppige Pflanzenwelt auf Madeira

Funchal bzw. Madeira ist der Hammer. Da will man bleiben. Ich plane schon mal Wanderferien für den nächsten Winter. Der Norden soll besonders schön sein.

Die Einfahrt in den Hafen am frühen Morgen bei Vollmund über den Bergen Madeiras ist magisch

Bereits um 8:00 Uhr geht der Landgang (im Paketpreis enthalten) los. Alles läuft reibungslos. Mit dem Bus geht es durch Funchal auf eine 580 m hohe Steilklipppe (Cabro Girao) mit einem Blick in die Tiefe und die Weite des Atlantik. Dann in ein malerisches Fischerdorf (Ribera) und weiter zu einem weiteren Pico mit Fernsicht. Überall steile Terrassen, Bananenstauden, Zuckerrohr und Blumen. Dazwischen malerische Häuser, die sich an den Felsen festkrallen. Es gibt 3000 km Wanderwege entlang der sog Levades (Wasserkanäle). Wetter frühlingshaft.
Dann Stadt auf eigene Faust. Madeira, wir kommen wieder.

10.01.2020 auf See

In Rufdistanz

Wir haben das Europäische Festland verlassen und das Schiff nimmt Kurs auf Madeira. Genug Zeit für unsere Schiffsaktivitäten. Runden drehen auf Deck 7 und 14, zwei Infoveranstaltungen über Madeira, Cap Verde, sowie Lateinamerika.

Kreuzfahrer:

Auf See hat man Zeit zu beobachten und zu reflektieren. So auch über die Passagiere.
Nun, wer macht eine solch lange und teure Reise?
Menschen mit Zeit und Geld. Und genau das bilden die Mitreisenden ab. Pensionierte oder Familien mit kleineren Kindern, kaum Berufstätige, ältere Singles. Das Publikum ist international, mehrheitlich europäisch. Viele Schweizer, überraschend wenig Deutsche. Franzosen, Italiener und Spanier. Einige Exoten aus Asien und Amerika. Die Klassenunterschiede sind äusserlich nicht direkt wahrnehmbar. Der diskrete „Charme“ des Geldes lässt sich allerdings nicht verbergen. Der Habitus lässt sich nicht verstecken.

Leben an Board:

Auch nach fast einer Woche auf dem Schiff verirren wir uns regelmässig. Wo ist vorn, wo hinten? In welchem Stock sind wir (es gibt 16 davon)? Leider sehen alle Treppenhäuser gleich aus und so ist es jedes Mal eine Überraschung wo man landet. Ich empfehle MSC dringend ein besseres Beschilderungskonzept. So z. B. Hinweise im Schiff wo Heck, wo Bug, Steuerbord, Backbord und nebst den Stockwerken auch die Treppenhäuser farblich markieren.

Das Essen hat bisher noch keine Sterne gewonnen. Oft kommt es lauwarm auf den Tisch und die Qualität ist eher mässig (zäh oder halbgar). Das Buffet auf Deck 13 ist reichhaltig. Überzeugend vor allem das Frühstücks- und Salatbuffet.

09.01.2020 Lissabon

Heute laufen wir Lissabon an. Ankunft ca. 14:00 Uhr. Tiefliegendes Gewölk aber mit angenehmen Temparaturen. Die See ist rau. Die Fahrt zieht sich dahin. Das Schiff rollt und die Gischt erreicht sogar Deck 7, wo wir unsere Runden drehen. Ursi ist es etwas übel. In der Kabine und mit einer Reisetablette erhoffen wir uns Besserung.

Tabletten, etwas im Magen, Tee und Landgang haben gewirkt.

Nach einer eher mühsamen Hop-on Hop-off Stadtrundfahrt (Fado im Ohr), die wir abgebrochen haben – Spaziergang durch die Avenida ans Meer. Sozusagen die Versöhnung mit Portugal.

Beim Präsidentenpalast ein Grossauflauf mit Polizei, Blaulicht und etwa 100 Paradereitern auf Schimmeln. Wer auch immer zu Besuch kam, er/sie muss „wichtig“ sein.

Lissabon hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Die Stadt wirkt irgendwie modrig, melancholisch aber auch grandios. Einstige Kolonialmacht, Niedergang und Aufbruch in einem.
Abendessen

08.01.2020 auf See

Uns erwartet ein Seetag. Bis Lissabon sind es 1500 km. Ein steifer Wind bläst und man spürt nun ein leichtes Schaukeln.

Morgens um sieben dann eine Durchsage. Ein medizinischer Notfall. Das Schiff liegt vor Alicante und stoppt. Über eine Stunde schwebt ein Helikopter neben und über dem Schiff. Zwei Personen werden über eine lange Leine hochgezogen. Selbst Notfälle bieten ein Spektakel.

Um 9 Tai Chi geschnuppert. Sieht leicht aus, ist es aber nicht. Plötzlich spürt man Muskel, von denen man bisher nichts wusste. Dran bleiben, ist wohl das Geheimnis.

10:15 ein Vortrag über Portugal und Lissabon. Auch etwas über Kultur und Geschichte ist spannend. Eine ältere Engländerin wird uns ab jetzt, an den Seetagen über alles Wissenswerte, Sehenswerte, Land, Leute, Kultur und Geschichte der jeweiligen Länder und Orte informieren. Wir werden das Angebot sicher nutzen.

Abendessen Elegant mit anschliessender Galashow im Theater.

Mitreisende:

Wir haben uns auf Seat 1 (18:30) umteilen lassen. Bis 9 Uhr (Seat 2) würden wir verhungern -;). Nun essen wir jeweils um 18.30 Uhr.

Wir sitzen an Tisch 710, zusammen mit einer alleinreisenden pensionierten Lehrerin aus Basel, einem älteren, frisch verliebten Paar, um die 70ig aus Holland und zwei jüngeren Männern aus Zürich. Ein „bunter“ Haufen. Wir hätten es definitiv schlechter treffen können.
Wir

07.01.2020 Barcellona (E)

Die Hafeneinfahrt in Barcelona bei Dunkelheit war beeindruckend. Unglaublich wie präzise das Schiff auf engem Raum manövriert wird.
Stadtrundfahrt bei kühlem aber sonnigen Wetter. Barcelona ist eine echte Perle. Gross, mondän, prachtvoll. Kaum Touristen. Einfach Entspannung pur.
Tapas in der Rambla. Am Nachmittag kommen die Frühlingstemperaturen. Beeindruckend Architektur. Gaudi war ein echter Künstler. Ins Auge stechen auch die vielen grandiosen Plätze und der schöne Hafen. Ein Tag ist für Barcelona eindeutig zu wenig

06.01.2020 Marseille (F)

Blick auf die Ile de dif

Nach einer ruhigen Nacht und tiefem Schlaf erwachen wir pünktlich zur Einfahrt in den Hafen von Marseille. Ein herrlich milder Morgen mit fantastischem Morgenrot über der Stadt. Frühstück auf Deck 13. Wir erkundigen das Schiff und sind dabei fast allein.

Gratis Shuttle Bus in die Stadt. Dort nehmen wir die Bimmelbahn durch die Stadt auf die Basilica de la Grande dames. Ein herrlicher Ausblick auf die Stadt bei Traumwetter und 14 Grad. Zurück am Hafen setzen wir uns in ein Bistro und genehmigen uns einen Croque Monsieur und ein Citron pressé. Schöner kann es kaum mehr sein.
Im Bus dann die erste Erfahrung mit Bewohnern Germaniens. Was kostet was, wo gibt es noch Schnäppchen, was habe ich und du (noch nicht). Erstaunlich was AWM so den ganzen Tag beschäftigen.

05.01.2020 Genua – es geht los

Die Reise beginnt – Hafenausfahrt Genua

Gemeinsames Nachtessen mit Familie im Barbarossa, Frauenfeld. Um Mitternacht bringt uns Domi an den Carparkplatz in Zürich. Viel ältere Paare warten auf den Bus. Manche mit MSC Käppli -;) Nach dem Verlad von 100 Koffern geht es mit 2 Bussen los über den Gotthard nach Genua. Es geht flott vorwärts. Kurz nach 5 in Bellinzona. Fahrerwechsel und 2 Passagiere. Um halb 8 eine Pause in Mailand. Ankunft bei Sonnenaufgang und klarem Himmel um 8:20 am Hafen von Genua.

Eindrücklich die eingestürzte Morandibrücke, aber auch der offensichtlich marode Zustand vieler anderer Brücken und Tunnels. Kassieren scheint bequemer als der Unterhalt der Infrastruktur.

Einchecken und Informationen im Theater. Nach der obligatorischen Notfallübung um 16 Uhr legt das Schiff um 17:00 Uhr ab. Ein herrlicher Abend mit Abendrot und einer mythischen Stimmung stechen wir in See. Schöner kann der Start auf eine Weltreise kaum sein.

Abendessen im Buffet. Wir sind müde und gehen um 22 Uhr ins Bett.

04.01.2020 wir brechen auf

Heute ist es endlich soweit – wir starten un sere grosse Weltreise. Noch ein letztes gemeinsames Nachtessen mit der Familie in Frauenfeld und dann chauffiert uns unser Sohn an den Carparkplatz am Sihlquai in Zürich. Einsteigen 01:15 Richtung Genua! Die Nervosität steigt. Viele Gedanken begleiten uns. Wehmut (viele viele Abschiede in den letzten Tagen), Vorfreude auf das Schiff und die vielen Länder, Städte und Orte, Neugier auf neue Begegnungen und interessante Menschen – aber auch nachdenkliche Minuten und die Frage ob es richtig ist zu gehen. Die Welt ist momentan nicht wirklich einladend und macht eher Angst als Freude (Feuerkatastrophe in Australien, Trumps Terrorattakte gegen den Iran etc.). Mal sehen, wie sie aussieht…beim Reisen und wenn wir zurück kommen. Es wird spannend.

Gemeinsames Nachtessen mit Familie im Barbarossa, Frauenfeld. Um Mitternacht bringt uns Domi an den Carparkplatz in Zürich. Viel ältere Paare warten auf den Bus. Manche mit MSC Käppli -;) Nach dem Verlad von 100 Koffern geht es mit 2 Bussen los über den Gotthard nach Genua. Es geht flott vorwärts. Kurz nach 5 in Bellinzona. Fahrerwechsel und 2 Passagiere. Um halb 8 eine Pause in Mailand. Ankunft bei Sonnenaufgang und klarem Himmel um 8:20 am Hafen von Genua.

Infos zum Blog

Die Internetverbindung auf dem Schiff ist sehr schlecht, weshalb ich nur in den Häfen etwas posten kann. Da ich nur via Hndy posten kann, bitte ich um Nachsicht bezgl. Fehler und Gestaltung.

Fotos unter dem Menupunkt Impressionen

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